Die Fallschirmjäger der Fremdenlegion. Thomas GASTЧитать онлайн книгу.
Auf in den Kampf.
„En Afrique“, Legionslied. Ursprung: „Auf Kreta, bei Sturm und bei Regen“
Ehemaliges deutsches Fallschirmjägerlied im zweiten Weltkrieg
Das gesamte Détachement sollte an die Front verlegt werden, am besten am nächsten Tag, doch die knallharten Realitäten sprachen dagegen. Die zur Verfügung stehenden Fahrzeuge, sprich „Sektor“, rosteten seit langer Zeit schon vor sich hin. Sie auf Vordermann zu bringen erforderte etwas Geduld und viel Können. Eilig schienen es die Legionäre nicht zu haben, denn das Cameronefest stand unmittelbar bevor. Das wollten sie, wenn schon, in Fort Lamy feiern und nicht in einem abgelegenen Dorf in der Wüste. Wie bereits erwähnt, war es das erste Mal, dass die Paras Legion im Tschad zum Einsatz kamen. Einige alte Hasen unter ihnen haderten noch mit dem Rückzug aus Indochina, mit dem Verlust Algeriens und dem Abzug der Legion aus ihrer Hochburg Sidi-bel-Abbès. Doch Calvi, da waren sich alle Paras einig, erwies sich als weit besser als Ain-El-Turk oder Bou-Sfer (auch Aïn Boucefar), ihre letzte Garnison in Algerien. Tschad, das war wieder etwas völlig anderes. Es öffnete sich hier ein absolut unbekanntes Kapitel, mit einer vor kurzer Zeit entstandenen, vielversprechenden Legionärs- Generation. Vorbei die Idee des Festkrallens an Ländern, die einem nicht gehörten. Nicht gehören wollten! Vorbei auch die Zeiten, in denen der Legionär nicht wusste, wo und für was er kämpfte. Mangalmé, ein Ort gefährlich nahe der Grenze mit dem Sudan, war vor einigen Wochen von einer konsequenten Rebellengruppe angegriffen worden, und seitdem hatte man nichts mehr von dort vernommen. Es herrschte absolute Funkstille. Die reguläre Armee hütete sich, einen Vorstoß zu wagen, der sie an die Grenze zum Sudan oder auch nur annähernd in die Gegend führen würde. Sollten sich doch die Legionäre darum kümmern. Die Offiziere, Unteroffiziere und Legionäre des 2. REP kannten Land und Leute kaum, hilfreiche geographische Karten gab es nicht, und das Klima war erdrückend. Doch man passte sich an. Ihr Chef, Commandant Louis de Chastenet d'Esterre, der zwei Jahre lang in Colomb-Béchar (Algerien) in den Rängen des Deuxième Étranger verbracht hatte, war mit Wüstenregionen jedoch bestens vertraut. Wissen verbreitet sich flink, und so sah die Truppe, die am 28. April in Richtung Guéra-Provinz nach Mongo und Mangalmé ausrückte, nicht aus wie eine Einheit der Fallschirmjäger der Legion, sondern eher wie eine verschworene Bande, wie echte Söhne der Wüste. Sie trugen den landestypischen Chéche um den Kopf, hatten Sonnen- und Motorradbrillen auf, und die Ärmel der Uniformwesten waren so weit wie möglich nach unten gerollt, sodass kein Flecken Haut der gnadenlos vom Himmel brennenden Sonne ausgesetzt war. Das grüne Barett fand in der Tiefe des Rucksacks Platz, der Chapeau de Brousse, der ockerbraune breitkrempige Dschungelhut, zierte von nun an kantige, kahle Schädel. Die Legionäre waren nicht gekommen, um Krieg zu führen, so zumindest flüsterten es die Spatzen von den Dächern, sondern um einen solchen zu verhindern. Schießen?
Ja, aber nur in absoluter Notwehr!
In Mongo angekommen, wurde sofort ein Zug zum Schutz des Außenpostens befohlen, der Rest spaltete sich in zwei Kolonnen. Eine davon, es handelte sich um die erste Kompanie (Capitaine Saval) unter dem Befehl von Major Chastenet, schlug den südlichen Weg Richtung Mangalmé ein. Sie fuhr durch das Telfan Gebirge direkt nach Baro, einer winzigen Ortschaft, in der das Bergvolk der Hadjeraï lebte und in der es eine katholische Mission gab. Die andere Kolonne mit der zweiten Kompanie (Capitaine Aubert) sollte durch das nördliche Steingebirge vorrücken. Und zwar über eine schmale Holperpiste mitten durch die Landschaft am Guedi-Berg. Die zu überwindenden Schluchten erwiesen sich als eng, tief und steinig, der Weg bergauf steil und kurvig, und so kam das Détachement der zweiten Kompanie, angeführt von Capitaine Milin, nur langsam und beschwerlich voran. Oft genug mussten die Legionäre absitzen und die Fahrzeuge schieben, was bei Temperaturen um die 45 Grad Celsius kein Leichtes war. Die Rebellen der FROLINAT lauerten auf ihre Chance, den Konvoi anzugreifen. Die bot sich ihnen völlig unverhofft am späten Nachmittag des 29. April.
»Ein Panzergraben!«
Leutnant Chiaroni, Stabsfeldwebel Kretschmar und Legionär Meyer trauten ihren Augen kaum. Der Graben an sich stellte keine erhebliche Gefahr dar, sicher aber die hundertfünfzig mordlustigen Rebellen, die plötzlich die Berghänge füllten. Macheten, Speere und alte Schusswaffen in den Händen, stürmten sie schreiend die Geröllhalden hinunter, direkt auf die drei Legionäre zu. Chiaroni sah auf seine Uhr und fluchte laut. Das Vorauskommando war längst außer Sichtweite. Es musste sich einige hundert Meter weiter im Osten aufhalten. Die zweite Kolonne hingegen war zu der Tageszeit sicherlich in der Gegend um Baro. Der Leutnant setzte sofort einen Funkspruch ab und zerstörte anschließend das Funkgerät mit gezielten Schüssen aus seiner Pistole, einer alten P.A.M.A.C. Modell 1950. Dann zeigte er auf eine kleine Ansammlung hoher Felsen am rechten Wegrand.
»Dort hinüber, schnell!«
Meyer hatte noch nie auf einen Menschen angelegt.
»Wie ist die Lage?«, fragte er den Leutnant. Er lag auf dem Bauch, lugte hinter dem brüchigen Felsen hervor und fummelte nervös an seiner Pistole herum.
»Bestens!«, gab der Leutnant ironisch zurück. »Es würde aber dennoch an ein Wunder grenzen, wenn wir das hier überleben.«
»Sollen wir auf sie schießen?«
»Du Armleuchter«, erwiderte der Leutnant streng. »Mit der Pistole?«
Die drei Männer der Stabskompanie waren in der Tat nur mit Pistolen bewaffnet. Der Jeep, um den sich die Angreifer drängten, befand sich außer Schussweite. Noch hatte man sie nicht entdeckt. Der blutjunge Meyer war mit seinen Nerven fast am Ende. Den Blick des dienstälteren Kretschmar vermeidend, fragte er: »Mon lieutenant. Hatten Sie Angst? Bei Ihrem ersten Einsatz, meine ich.«
Erst jetzt wurde dem Offizier bewusst, dass er etwas falsch gemacht hatte.
»Ja«, sagte er in einem milderen Ton. »Und Angst haben wir Alten heute immer noch, wir denken nur weniger dran. Dafür soll man sich nicht schämen.«
Meyer dankte ihm, indem er erleichtert einatmete und sich sichtbar entspannte.
»Einer von uns muss den Konvoi warnen«, sagte der Leutnant mit einem Seitenblick auf den Adjudant-chef. »Kretschmar, das ist Ihre Aufgabe.«
Mehr brauchte der erfahrene Adjudant-chef nicht zu wissen. Er warf einen Blick auf die Rebellen, sprang auf, huschte hinter die hohen Felsen und verschwand in ihrem Schutz lautlos und ungesehen in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Kaum hatte er die nächste Kurve erreicht, sah er schon die Kolonne, die sich langsam vom Westen her auf ihn zuschlängelte. Er lief ihr entgegen und winkte sie heran. Der Beifahrer des ersten Wagens war Heer, ein deutscher Sergent. Heer grinste. »Mensch, mon Adjudant-chef. Machen Sie hier oben vielleicht einen Spaziergang?« Doch dann fiel ihm ein, dass Kretschmar nicht alleine unterwegs gewesen war. Nur zum Spaß würde er sich wohl kaum zu Fuß in dieser unwirtlichen Gegend herumtreiben. Mit einem wütenden Blick und wenigen Worten klärte Kretschmar den Sergent auf. Zunächst verblüfft, tätschelte Heer seine Waffe, eine brandneue MAS 1949-56. Mit der, so waren sich alle Legionäre im Regiment einig, konnte er Wunder vollbringen. Er beugte sich nach unten zum Fahrer.
»Fahr langsam vor bis zur Kurve, mach schon!«
Der Fahrer tat, was der Sergent von ihm verlangte. Einmal Sicht ins Gelände, erkannte Heer den Ernst der Lage sofort. Mit einem prüfenden Auge hob er die Waffe an die Schulter und schoss seelenruhig Kugel um Kugel in die Meute der Rebellen. Er hörte auch dann nicht auf, als neben ihm eine Zwölf-Sieben Bordkanone losratterte. Der Zug des Leutnant Germanos hatte seine Stellung erreicht und nahm den Feind seinerseits unter Feuer. Fünfzig Rebellen fielen dem präzise geführten Feuergefecht und dem sofort eingeleiteten Gegenangriff zum Opfer.
»Schöne Sache, Heer«, nickte Germanos dem Deutschen zu, als die Waffen endlich schwiegen. »Das war absolute Präzision. Ich werde dafür sorgen, dass Ihr Name im Einsatzbericht erwähnt wird.«
»Kleinigkeit«, erwiderte Heer.
Kretschmar, der zugehört hatte, kriegte sich nicht ein.
»Und ich sorge dafür, dass Sergent Heer zwei Wochen lang Wache schiebt. In der Zeit kann er sich Gedanken darüber machen, wie man mit einem