Die fröhliche Wissenschaft. Friedrich Wilhelm NietzscheЧитать онлайн книгу.
weiss nicht, wer ich selber bin!
Mein Auge ist mir viel zu nah –
Ich bin nicht, was ich seh und sah.
Ich wollte mir schon besser nützen,
Könnt' ich mir selber ferner sitzen.
Zwar nicht so ferne wie mein Feind!
Zu fern sitzt schon der nächste Freund –
Doch zwischen dem und mir die Mitte!
Erratet ihr, um was ich bitte?
Meine Härte
Ich muß weg über hundert Stufen,
Ich muß empor und hör euch rufen:
»Hart bist du! sind wir denn von Stein?« –
Ich muß weg über hundert Stufen,
Und niemand möchte Stufe sein.
Der Wandrer
»Kein Pfad mehr! Abgrund rings und Totenstille!« –
So wolltest du's! Vom Pfade wich dein Wille!
Nun, Wandrer, gilt's! Nun blicke kalt und klar!
Verloren bist du, glaubst du – an Gefahr.
Trost für Anfänger
Seht das Kind umgrunzt von Schweinen,
Hülflos, mit verkrümmten Zeh'n!
Weinen kann es, Nichts als weinen –
Lernt es jemals stehn und gehn?
Unverzagt! Bald, solle ich meinen,
Könnt das Kind ihr tanzen sehn!
Steht es erst auf beiden Beinen,
Wird's auch auf dem Kopfe stehn.
Sternen-Egoismus
Rollt' ich mich rundes Rollefass
Nicht um mich selbst ohn' Unterlass,
Wie hielt' ich's aus, ohne anzubrennen,
Der heissen Sonne nachzurennen?
Der Nächste
Nah hab den Nächsten ich nicht gerne:
Fort mit ihm in die Höh und Ferne!
Wie würd' er sonst zu meinem Sterne? –
Der verkappte Heilige
Dass dein Glück uns nicht bedrücke,
Legst du um dich Teufelstücke,
Teufelswitz und Teufelskleid.
Doch umsonst' Aus deinem Blicke
Blickt hervor die Heiligkeit!
Der Unfreie
Er steht und horcht: was konnt ihn irren?
Was hört er vor den Ohren schwirren?
Was war's, das ihn darniederschlug?
Wie jeder, der einst Ketten trug,
Hört überall er – Kettenklirren.
Der Einsame
Verhasst ist mir das Folgen und das Führen.
Gehorchen? Nein! Und aber nein – Regieren!
Wer sich nicht schrecklich ist, macht Niemand Schrecken:
Und nur wer Schrecken macht, kann Andre führen.
Verhasst ist mir's schon, selber mich zu führen!
Ich liebe es, gleich Wald- und Meerestieren,
Mich für ein gutes Weilchen zu verlieren,
In holder Irrniss grüblerisch zu hocken,
Von ferne her mich endlich heimzulocken,
Mich selber zu mir selber – zu verführen.
Seneca et hoc genus omne
Das schreibt und schreibt sein unausstehlich weises Larifari,
Als gält es primum scribere,
Deinde philosophari.
Eis
Ja! Mitunter mach' ich Eis:
Nützlich ist Eis zum Verdauen!
Hättet ihr viel zu verdauen,
Oh wie liebtet ihr mein Eis!
Jugendschriften
Meiner Weisheit A und O
Klang mir hier: was höre ich doch!
Jetzo klingt mir's nicht mehr so,
Nur das ew'ge Ah! und oh!
Meiner Jugend hör ich noch.
Vorsicht
In jener Gegend reist man jetzt nicht gut;
Und hast du Geist, sei doppelt auf der Hut!
Man lockt und liebt dich, bis man dich zerreisst:
Schwarmgeister sind's –: da fehlt es stets an Geist!
Der Fromme spricht
Gott liebt uns, weil er uns erschuf!-
»Der Mensch schuf Gott!« – sagt drauf ihr Feinen.
Und soll nicht lieben, was er schuf?
Soll's gar, weil er es schuf, verneinen?
Das hinkt, das trägt des Teufels Huf.
Im Sommer
Im Schweisse unsres Angesichts
Soll'n unser Brot wir essen?
Im Schweisse isst man lieber Nichts,
Nach weiser Ärzte Ermessen.
Der Hundsstern winkt: woran gebricht's?
Was will sein feurig Winken?
Im Schweisse unsres Angesichts
Soll'n unsren Wein wir trinken!
Ohne Neid
Ja, neidlos blickt er: und ihr ehrt ihn drum?
Er blickt sich nicht nach euren Ehren um;
Er hat des Adlers Auge für die Ferne,
Er sieht euch nicht! – er sieht nur Sterne, Sterne.
Heraklitismus
Alles Glück auf Erden,
Freunde, gibt der Kampf!
Ja, um Freund zu werden,
Braucht es Pulverdampf!
Eins in Drei'n sind Freunde:
Brüder vor der Not,
Gleiche vor dem Feinde,
Freie – vor dem Tod!
Grundsatz