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Morde am Fließband: Kriminalgeschichten. Alexis WillibaldЧитать онлайн книгу.

Morde am Fließband: Kriminalgeschichten - Alexis Willibald


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mag freilich, obgleich der Reporter von Old-Bailey sie nach glaubwürdigen Berichten mitzuteilen keinen Anstand nimmt, nicht wörtlich so gehalten sein; wenn sie indes auch nur in der Ausschmückung so lautet, ist doch ein Kern daran echt und ein Beweis, wie populär Jac Sheppard seinerzeit war, und welche Bedeutung man ihm in allen Kreisen des Lebens beilegte.

      Die Aufmerksamkeit blieb auch auf seine minderbedeutenden Genossen gerichtet, welche großenteils bald nach ihm eingezogen, vor Gericht gestellt und verurteilt wurden, wie auch Jacs viele Freundinnen; bei einer derselben fand man seine Ketten und Fußringe. Die meisten wurden nur zu Freiheitsstrafen und zur Transportation verurteilt. Blueskin endete wie sein genialer Freund am Galgen.

      James Hind, der royalistische Straßenräuber

      1652

       Inhaltsverzeichnis

      Alt-England war von je die eigentliche Heimat der großartigen Räuber, welche eine vergangene Romanepoche, fälschlich und ohne Grund, nach Italien versetzt. Die Volkserinnerung in England feiert das Andenken jener kühnen Wegelagerer und freien Söhne der Wälder mit besonderer Vorliebe und dichtet diesen Lieblingen gern Züge verwegenen Mutes, hochherziger Gesinnung und überraschenden Witzes an. Die Helden der alten Balladen, die Robin Hood und seine Gesellen, gehören freilich zum großen Teil mehr der Romantik an als der Geschichte. Aber auch seit diese eintritt, wird das Feld nicht leer von kühnen Gesellen, die, selbst wenn sie den Kriminalgerichten verfielen und auf dem Galgen endeten, doch großen, ja ewigen Ruhm ernteten; denn die Bänkelsänger singen noch heute auf den Straßen die Taten der verwegenen und galanten Wegelagerer.

      Zu den berühmteren und den Lieblingsfiguren der englischen Kriminalistik gehört der Kapitän James Hind, ein Straßenräuber, wie er sein soll. Zwar nicht mehr aus der romantischen Zeit, sondern aus einer stark politisch gefärbten, nahm er, als Mann der Zeit, von dieser Färbung an und glaubte als Räuber einer großen Idee zu dienen, die ihn bis zu seinem Tode nicht verließ. Dabei war er, im englischen Sinne, ein Gentleman und verband mit seinem Geschäfte diejenige Ritterlichkeit, Humanität und den Frohsinn, welche Räuber besitzen müssen, um Volkslieblinge zu werden.

      James Hind war der einzige Sohn eines Sattlers zu Chipping Norton in Oxfordshire, eines wegen seiner außerordentlichen Rechtlichkeit in der ganzen Umgegend geachteten Mannes, außerdem in religiösen Grundsätzen von puritanischer Strenge.

      Der Vater wollte ihm eine seinen Fähigkeiten entsprechende Erziehung geben. Er schickte ihn in die Schule, wo er bis zum fünfzehnten Jahre blieb und lesen, schreiben und auch genug rechnen lernte, um einem Hausstande vorzustehen. Aber seine Fähigkeiten schlugen nach einer andern Richtung aus, als es der Vater wünschte. Er hatte ihn nach dem Schulbesuch bei einem Schlächter in die Lehre gegeben; das rohe Wesen und die grausame Behandlung durch den Meister ließen den Knaben aber nur zwei Jahre dort aushalten. Mit siebzehn Jahren entlief er aus der Lehre und machte sich getrosten Mutes nach London auf; wo dem Mutigen immer das Glück lacht. Vorher hatte James noch einen Brief an die Mutter geschrieben, in dem er ihr seine traurige Lage herzbrechenderweise vorstellte, seinen Entschluß zu rechtfertigen suchte und sie bat, ihm etwas Geld nach London zu schicken, damit er sich dort einen neuen Meister suchen könne.

      Die Mutter, aufs äußerste von den Leiden ihres einzigen Kindes gerührt, scharrte, was sie vermochte, von ihren Ersparnissen zusammen und schickte es nach London. War es dies Geld, was ihn verführte? Es wird uns nicht gesagt, wie der Übergang vom Guten zum Bösen erfolgte. Von den Eigenschaften des Vaters hatte James wenigstens nicht die puritanische Sittenstrenge geerbt; oder es war die Strenge des Vaters, welche in dem Sohn die frivolste Lustigkeit als Opposition hervorrief. Er jagte in der großen Stadt allen den Vergnügungen nach, welche vor der herben Puritanerherrschaft in die Winkel sich verbargen.

      Eines Nachts finden wir ihn im Hause einer gefälligen Frau, die am Abend vorher die Tasche eines jungen Bürgers wider dessen Willen um fünf Guineen leichter gemacht hatte. Statt der Guineen entdeckte man bei der Frau beim Nachsuchen James Hind, und er ward mit ihr sofort auf die Wache gebracht. Die Frau wanderte am Morgen ins Gefängnis von Newgate; den jungen Burschen ließ man frei. Aber diese Nacht war für sein Schicksal entscheidend. Auf der Wache lernte er einen Straßendieb, damals von großem Namen, kennen, Thomas Allen, der in derselben Nacht auf den Verdacht eines begangenen Diebstahls eingezogen war. Weil es indessen an allen Beweisen fehlte, wurde auch er freigelassen. Beide hatten sich liebgewonnen und beschlossen, nach einer kurzen Verständigung, einen Bund fürs Leben zu schließen; er wurde noch am selben Morgen in einer nahen Taverne durch einige Gläser besiegelt.

      Allen wurde James Hinds guter Lehrmeister; er hatte aber auch nie einen gelehrigeren und sinnreicheren Schüler gefunden. Sein erstes Probestück war sogleich ein Meisterstück. Schlendernd auf der Straße nach Shooter-Hill sahen sie von fern einen Reisenden mit seinem Bedienten ankommen. Hind, voller Lust, erklärte seinem Begleiter, er fühle sich stark genug, das Wagstück allein zu übernehmen. Allen willigte ein, versteckte sich aber in der Nähe, um, wenn es schlimm ginge, zur Hand zu sein. Die Vorsicht war diesmal unnötig. Hind näherte sich dem Reisenden in artiger Weise, aber mit der entschlossensten Miene, und ward, ohne Widerstand zu finden, Herr von allem, was dieser besaß. Aber nachdem er sich überzeugt hatte, daß die Barschaft nicht übermäßig groß war und der Mann noch eine ziemliche Reise vorhatte, überschlug er mit ihm, wieviel er zur Vollendung derselben brauchte, und zahlte ihm darauf zwanzig Schilling aus. Der Beraubte fühlte sich dadurch und durch die feinen Manieren des Räubers so gerührt, daß er ihm die Hand schüttelte und ihm versicherte, ihn nie verraten zu wollen, und auch wenn er ihn in seine Gewalt bekomme, werde er ihm nichts anhaben. Nachdem Hind dem Fremden die glücklichste Reise gewünscht, kehrte er mit fünfzehn Pfund Sterling zu seinem Kameraden zurück. Allen, entzückt über James’ Mut und Edelsinn, schloß ihn in seine Arme und schwor, sich von nun ab nie mehr von ihm zu trennen.

      Dieses Bündnis wurde zwischen beiden gerade um die Zeit geschlossen, als ganz England von der Hinrichtung Karls I. erschüttert war. Diese Blutschuld, welche ihr Land traf, zu rächen und gutzumachen, was an ihnen war, gaben sich Allen und Hind das Wort: keinen der Königsmörder zu schonen, welche das Schicksal in ihre Hand liefere. Nur zu bald fand sich Gelegenheit, dieses ihr Wort in einer Art einzulösen, welche Englands Geschichte möglicherweise eine andere Wendung gegeben hätte. Sie erfuhren, daß Oliver Cromwell in einem Wagen mit geringer Bedeckung aus seinem Geburtsort Huntingdon nach London fahren werde. Sie lagerten am Wege. Des Protektors Wagen kam, aber sieben Bewaffnete ritten nebenher. Dies erschreckte sie nicht; sie machten einen beherzten Angriff, der aber natürlich gegen die Übermacht vollkommen fehlschlug. Es galt jetzt nur zu fliehen und sich zu verteidigen. Thomas Allen wurde verwundet, gefangen, nach London gebracht und starb durch Henkers Hand. James Hind entkam zwar für diesmal, aber nur nach unendlichen Gefahren und Schwierigkeiten. Cromwell übte eine gute Polizei, wie sie nur mit den Verhältnissen sich vertrug, und es waren nicht allein die Reiter um seinen Wagen, welche den verwegenen Angreifer auf das Leben des Protektors verfolgten; man machte von allen Seiten Jagd auf ihn. Um ihr zu entgehen, tötete Hind sein Pferd und versteckte sich während mehrerer Tage. Dieser Unstern kühlte aber nicht seine Tatenlust. Im Gegenteil, sobald er freie Luft schöpfte, machte er sich wieder auf den Weg, oder vielmehr, er legte sich am Wege nieder, fürs erste mit keiner andern Absicht, als um sich die notwendigste Waffe und Hauptbedingung eines guten Räubers jener Zeiten – ein Pferd – wieder zu verschaffen.

      Das Glück lächelte ihm. Er sah ein gesatteltes Pferd etwas abwärts von der Straße an eine Hecke gebunden. Der Reiter stand, etwa zwanzig Schritte davon, in der Beschäftigung vertieft, von einem Dornstocke, den er sich vielleicht eben als Waffe geschnitten, die Dornen abzuputzen. Die Waffe ward zu spät fertig. James rief freudig beim Anblick des Tieres: »Das ist ja mein Pferd!«, und im Moment saß er auch schon im Sattel, hatte es losgemacht und schickte sich an, ins Weite zu jagen. Der Reisende, erschreckt, fährt auf und schreit: »Herr, was soll das? Das ist ja mein Pferd.« James wendet sich noch einmal um und spricht im Tone des äußersten Erstaunens: »Wie, mein Herr, können Sie nicht zufrieden sein, daß ich Ihnen das Geld in Ihren Taschen ließ, um sich ein anderes zu kaufen? Nehmen Sie freundlichen Rat an und geben Sie künftig auf der Straße


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