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Morde am Fließband: Kriminalgeschichten. Alexis WillibaldЧитать онлайн книгу.

Morde am Fließband: Kriminalgeschichten - Alexis Willibald


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hatte böse Wünsche erzeugt. Da sie zu sehr Naturmenschen und Verstellung nicht gewöhnt waren, hatten sie diese Wünsche nicht einmal vor anderen verbergen können.

      Als ein Jahr etwa vor der Tat ein wegen seiner Kunst berühmter Schütze eines Abends als Mahlgast in der Mühle einkehrte, in der gerade die Müllerfrau und ihre beiden Söhne anwesend waren, äußerte einer der letzteren: »Schuster!« – so hieß der Jäger – »wenn du doch einmal unseren Alten für einen Rehbock hieltest!« Die Mutter setzte rasch hinzu: »Du dürftest dir dann für eine gute Weil kein Mehl zum Brotbacken kaufen.« Der Jäger wußte nicht, ob das Scherz oder Ernst war. Er ging fort, ohne etwas darauf zu erwidern.

      Ein andermal schnitzte ein Tagelöhner abends Schleußen für die Müllersleule. Auch da äußerte der eine Sohn, wie vor sich hin: »Wer unsern Vater wegräumte, bekäme einen guten Lohn.« Der Arbeitsmann verstand das besser als der Jäger. Er antwortete: »Ich kann den Alten nicht wegräumen, er würde meiner ja Herr werden.«

      Die Schuldigen räumten solcher Art Äußerungen zwar ein, der Vorsatz eines Mordes sei jedoch noch nicht zum bewußten Willen in ihnen geworden. Es seien nur Stoßseufzer ihrer fürchterlichen Angst gewesen, wenn sie auch glücklich gewesen wären, wenn sie jemand von einem solchen Vater befreit hätte.

      Der unreife Gedanke, der dunkle Wunsch in den Unglücklichen erhielt Nahrung und eine bestimmtere Richtung durch eine seltsame mindestens unvorsichtige Äußerung des vorigen und jetzt abgesetzten Landrichters. Sooft sie sich nämlich über die Unmenschlichkeit und den liederlichen Lebenswandel ihres Vaters beklagten, erhielten sie die Antwort, daß die Gesetze ihnen nicht helfen könnten, und gewöhnlich sagte der Landrichter: »Euch ist nicht zu helfen noch zu raten. Ihr habt nun mal einen bösen, streitsüchtigen Vater; es wäre am besten, wenn er weg wäre.«

      Mutter und Sohn erklärten später, diese Reden hätten den tiefsten Eindruck auf sie gemacht; sie hätten ihnen den Ausweg gezeigt, der ihnen allein noch offen stand. Durch diese Reden des Richters sei ihnen klar geworden, daß für sie von den Gesetzen und dem Rechte durchaus nichts zu hoffen sei. Nur in dem Tode des Vaters liege ihre Rettung; sein Tod sei also notwendig und durch die Notwendigkeit gerechtfertigt.

      Auch diese Vorstellungen hatten noch nicht zur Tat geführt, es gehörten dazu noch viele andre verführerische Umstände. Das Ärgernis mit der letzten Beischläferin des Schwarzmüllers, der Kunigunde Hopfgärtner, war als ein neuer Luftzug in die glimmende Asche gefahren. Jetzt zum ersten Male hatten sich die Söhne Tätlichkeiten gegen den Vater erlaubt. Die Gerichte waren wieder angegangen worden und hatten ihnen ihre Ohnmacht gezeigt. Da trat ein neuer Mitspieler hinzu – der Mephistopheles des Trauerspiels, der Tagelöhner Wagner.

      Johann Adam Wagner war ein Vagabund. Er war der Sohn eines Dorfhirten, hatte von Jugend auf eine empörende Hartherzigkeit gezeigt und allerlei schlechte Streiche verübt. So hatte er als Knabe eine besondere Lust, Hühner einzufangen, ihnen die Augen auszustechen und sie dann wieder laufen zu lassen. Er hatte früher im Kontingent einer Reichsstadt, dann über zwanzig Jahre in dem preußischen Heere gedient. Nachdem er im Jahre 1807 an Bayern abgegeben worden war, hatte er sich abwechselnd in Berlin, Hannover und Böhmen umhergetrieben und war endlich nach einem liederlichen Leben in seine Heimat zurückgekehrt und darauf in das Sittental gekommen. Nachdem er sich mit Weibern umhergetrieben hatte, hatte er seine jetzige Frau, eine Witwe mit zwei Kindern, geheiratet und mit ihr noch zwei andere Kinder gezeugt, deren Versorgung ihm bei seinem geringen Tagelohn schwer genug fiel. Seine bisherigen Herren hatten ihm zwar kein schlechtes Zeugnis gegeben, aber er hatte infolge seines langen Soldatenlebens nicht gern gearbeitet und eine merkwürdige Gefühllosigkeit in allen Dingen verraten. Sein Richter machte bei den Verhören dieselbe Wahrnehmung. Er erzählte seine blutigen Taten in der Mordnacht mit derselben Umständlichkeit und Kaltblütigkeit, mit der etwa ein Tagelöhner seinem Herrn Bericht abgestattet hätte, wieviel Klötze er an einem Tage gefallt und wieviel Schweiß und Mühe es ihm gekostet habe. Ein gut bezahlter Mord, der verschwiegen blieb, galt ihm so viel wie jede andere Tagelöhnerarbeit. Das Jahr 1817 war außerdem ein Hungerjahr. Wagners Verdienst reichte nicht aus, ihn und seine vier Kinder zu ernähren; er war mehr als einmal genötigt, sich mit den Seinen hungernd niederzulegen.

      Am Walpurgisabend jenes Jahres arbeitete der älteste Sohn Konrad mit ihm in der Schneidemühle. Der Sohn klagte dem Arbeiter seine Not und die seiner Familie. Wieder war der Vater in der letzten Nacht mit vielem Gelde fortgegangen. Mutter und Kinder hatten nichts und wußten nicht, was sie anfangen sollten. Wagner sagte ohne viel Bedenken: »Da wäre es am besten, wenn man Eurem Vater nachginge, schlüge ihn tot und nähme ihm sein Geld ab. Man könnte ihn gehen lassen bis in den hinteren Hof« – ein finsteres Tal, eine Stunde von der Schwarzmühle entfernt – »dort könnte man ihn niederschlagen und ihm sein Geld nehmen. Man ließe ihn dann liegen, und es krähte kein Hahn danach.« Konrad antwortete: »Traut Ihr Euch das zu?« »Allerdings traue ich mir das zu,« war die Antwort. Der Sohn wendete weiter nichts ein, als daß er glaube, ein auf diese Art umgekommener Mensch, zumal so ein böser Mensch, habe im Grabe keine Ruhe, und er müsse als Gespenst umgehen. Wagner lächelte pfiffig: da wisse er schon Rat; er habe gelernt, wie man es machen könne, daß der Alte ruhen müsse.

      Es kam damals weder zum Beschluß noch zum bestimmten Willen, Das Gespräch zwischen beiden wurde aber oft wieder angeknüpft. Wagner verstand die Mordgedanken so geschickt und so bequem zuzurichten, daß man gar nicht mehr vor ihnen zu erschrecken brauchte. Er war eine Person, wie sie durchaus zu Menschen paßte, die, ohne Bösewichter zu sein, eines Bösewichts zu der entsetzlichen Tat bedurften, zu deren Ausführung sie sich sonst zu schwach gefühlt hätten. Wagner stellte dem Sohne die Tat so leicht als möglich vor, und Konrad hatte nichts einzuwenden, als seine Furcht, daß die Tat doch nicht verschwiegen bleiben und der tote Vater als Gespenst umgehen wurde.

      Endlich war man sich darüber einig, daß der Schwarzmüller aus der Welt müsse, aber – auf feine Weise. Wagner schlug ihnen also vor, als ihm Konrad abermals gesagt hatte, wie gut es doch sein würde, wenn ihr Vater nicht wiederkehre, den Alten durch Sympathie umzubringen. Er und seine Frau wüßten ein Mittel, durch das der Müller innerhalb von vier Wochen »ausdorren müsse wie ein Bild«. Was konnte der Familie willkommener sein? Konrad rief erfreut aus: »Es wäre freilich am schönsten, wenn mein Vater auf diese Weise wegkäme.« Die alte Müllerin hatte sich inzwischen mit der Ehefrau des Wagner, der gefürchteten Hexe, darüber besprochen, und man war übereingekommen, den Schwarzmüller vermittelst eines Paares seiner langen wollenen Strümpfe, die der Wagner in seinen Rauchfang hängen wollte, langsam auszudorren. Die Strümpfe wurden ihm übergeben, aber das Mittel wirkte nicht, vermutlich weil der Wagner so gescheit war, die guten Strümpfe nicht in den Rauch zu hängen, sondern für sich zu brauchen. Der SchwarzmüIIer, statt zu verdorren, strotzte in alter Gesundheit und Wildheit, und betrübt kam Konrad zum Wagner und sagte, daß sein Zaubermittel gar nicht wirken wolle. Wagner war kein Mann, der leicht in Verlegenheit geriet, er antwortete vielmehr, wie Konrad behauptete: »Nun, wenn die Zauberei nichts hilft, so räume ich ihn Euch auf andere Art weg.«

      Die Notwendigkeit, den Unmenschen fortzuschaffen, wurde immer dringender. Der Vater hatte beim Gericht darauf angetragen, daß seinen Söhnen der Befehl erteilt werde, binnen drei Wochen das Haus zu verlassen und auf Wanderschaft zu gehen, da das bei ihrer Widersetzlichkeit das einzige Mittel sei, wieder die natürliche und ihm vom Gericht zugesprochene Herrschaft in seinem Hause zu erhalten. Wenn dies geschah, so war die arme Mutter verloren; die Söhne waren ihre einzige Stütze. Die Mutter sah das ein, die Söhne, die, wie gesagt, in der innigsten Liebe an ihrer Mutter hingen, sahen es ebenfalls ein, und einig, wie sie immer waren, faßten sie den Entschluß, es koste, was es wolle, ihre Mutter nicht den Unmenschlichkeiten ihres Vaters preiszugeben. Dazu kam noch, daß die Hopfgärtnerin sich gerühmt hatte, der Schwarzmüller werde alle seine Leute fortschaffen und sie zur Haushälterin nehmen.

      Der Schwarzmüller schloß sich zu Anfang August oft in seine Stube ein und schrieb dort viel. Die Familie argwöhnte Böses. Am 9. August schlich sich der Sohn Friedrich, als der Vater fort war, an sein Schreibpult und fand ein von der Hand seines Vaters verfaßtes Schreiben an die Gerichte, in dem der Müller unter Aufführung vieler Gründe, besonders aber der Gewalttätigkeiten, die er von seinen Söhnen zu erleiden gehabt habe, den Antrag stellte, Frau und Kinder von der Mühle entfernen zu dürfen. Ob damit ein


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