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Morde am Fließband: Kriminalgeschichten. Alexis WillibaldЧитать онлайн книгу.

Morde am Fließband: Kriminalgeschichten - Alexis Willibald


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habe er seine Frau mit der Axt so getroffen, daß sie den Arm vierzehn Tage lang in der Binde tragen mußte, Die Tochter Margarete versicherte, daß ihre Mutter seit einer vor fünfzehn Jahren von ihrem Vater erlittenen Kopfverletzung ihren halben Verstand verloren habe. Selbst des alten Müllers Lustdirne, die Kunigunde Hopfgärtner, mußte gestehen, der alte Mann sei einmal so zornig gewesen, daß er vor ihren Augen ein Handbeil nach seinem Sohne Friedrich geworfen habe. Er würde ihn getötet haben, wenn der Wurf nicht fehlgegangen wäre; so traf er nur die Ferse. Ein Schullehrer hatte gesehen, wie er einst Frau und Kinder mit einer Stange Eisen schlug.

      Es war natürlich, daß die Kinder, die von der Barbarei Zeugen waren, mit inniger Liebe an ihrer Mutter hingen. Als sie heranwuchsen, bildete sich zwischen ihnen und der Mutter von selbst ein Komplott gegen den grausamen Vater. Sie waren verbunden zu gegenseitigem Beistande, und die Furcht vor dem Vater ging mit den Jahren in Haß und Verachtung über. Sie wußten außerdem von ihm, wie er, der alte Mann, sich fortwährend mit den gemeinsten Dirnen abgab, uneheliche Kinder zeugte und die Seinen darben ließ, um jene Personen mit großen Geldgaben abzufinden.

      Die schon erwähnte Kunigunde Hopfgärtner, eine nichtswürdige Dirne, die bald nach des Schwarzmüllers Verschwinden ins Zuchthaus wandern mußte, war jahrelang von ihm unterhalten worden. Als sie ihn im April 1817 als Vater ihres neugeborenen Kindes angab und die neue Schmerzensnachricht in der Mühle bekannt wurde, erhoben sich voll Entrüstung und Zorn alle seine Kinder gegen den schlechten Vater, nur die jüngste Tochter nicht. Mit den beiden Söhnen geriet er sich in die Haare. Als er auf die Tochter Margarete losgehen wollte, ergriff diese, wie ein Zeuge versicherte, eine Ofengabel und hielt sie ihm mit den Worten entgegen: »Alter Spitzbube! Wenn du herkommst, stoße ich sie dir in den Wanst!«

      Rührend ist es anzuhören, wie die unglückliche Mutter und Gattin sich in den Verhören über ihr Verhältnis zu ihrem Manne ausließ. »Sie glauben gar nicht,« sagte sie, »was mein Mann für ein böser Mensch war. Er hat mir den Kopf ganz zerschlagen und zerschellert, so daß ich ein böses Gedächtnis habe. Er hat mich zum Boden herabstürzen wollen. Ich und mein Friedrich lagen eine Nacht mit blutigen Köpfen im Heustock. Er hat mich mißhandelt, wie man kein Vieh mißhandelt, und alles ohne die geringste Ursache. Vor allem um die heilige Zeit gegen Weihnachten und Ostern war er ganz besonders toll und hat dann gegen jedermann gewütet. Er ist früherhin des Nachts auf die Kreuzwege gegangen, wo man, wie gesagt wird, dreierlei Dinge erlangen kann: Geld, Beistand im Streit und noch etwas. Und deshalb glaube ich, daß mein Mann allenfalls mit dem bösen Feind mag in Verbindung gestanden sein.«

      Nach der Aussage des älteren Sohnes Konrad hatte der wilde Vater seine Kinder nie als Kinder behandelt und sie nur Diebe und Spitzbuben genannt. Wegen einer kleinen Ungeschicktheit hatte er den zwölfjährigen Knaben so geschlagen, daß er bewußtlos in der Mühle liegen geblieben war und dabei zeitlebens eine Narbe davontrug. Ein andermal schlug er diesen Sohn auf dem Ackerfelde dermaßen, daß er die Pferde stehen lassen und nach Hause kriechen mußte. Er mußte zwei Tage krank liegen, und der Unmensch von Vater verbot der Mutter, dem Knaben währenddessen zu essen zu geben, weil er nichts verdiene. Kein Dienstbote konnte es bei ihm aushalten, weshalb er jährlich drei-bis viermal die Knechte wechselte. Beide Söhne arbeiteten desto unverdrossener. Sie brachten zu dem Vermögen tausend Gulden zu; dem Vater war es aber doch nie recht und nie genug, er schalt, daß sie mehr brauchten, als sie verdienten.

      Auch nach der Aussage des Sohnes Konrad schimpfte der Schwarzmüller seine Frau immer nur »Sauleder«, »Mistluder« und richtete sie unzählige Male so mit Schlägen zu, daß sie mehrere Tage im Bett liegen mußte. Oft mißhandelte er sie so, daß sie über und über voll Blut war und man sie nicht mehr erkennen konnte. »Weder die Mutter noch wir Kinder waren vor ihm unseres Lebens sicher. Zudem hat er drei uneheliche Kinder in die Welt gesetzt und unserer Mutter ebenso wenig Geld als uns in die Hand gegeben, obgleich das Vermögen von unserer Mutter hergekommen ist und er es zu Hunderten an seine Menscher ausgab. Wir Kinder hätten längst unser Brot auf eine andere Weise gesucht, wäre es uns nicht um unsere Mutter zu tun gewesen, die wäre dann ganz allein und hilflos bei dem Vater geblieben. Wir suchten endlich Hilfe gegen unseren Vater auf dem rechten Wege (vor Gericht), aber wir fanden sie nicht. Hätten wir einen Vater gehabt, mit dem nur etwas auszukommen gewesen wäre, so hätte er eine Freude an seinen Kindern haben können; denn wir waren treu, fleißig und ordentlich, wie jedermann weiß. Aber unser Vater war ein Unmensch.«

      Dann erinnerte der Sohn daran, wie sein Vater in alter Zeit schon seinen Vater geprügelt und geschlagen habe. Noch könne man in der Mühle sehen, wie der Großvater sich durch sechsfache Riegel und Schlösser vor seinem Sohn zu schützen gesucht habe. An der Tür zu dem Gemach, in dem sich der alte Schwarzmüller damals eingeschlossen hatte, sah man wirklich noch drei Hiebe von der Holzaxt, die entstanden waren, als der böse Sohn die Tür hatte aufhauen wollen, um dem Vater zuleibe zu gehen.

      Der jüngere Sohn äußerte sich über den toten Vater und sein unmenschliches Wesen ebenso, nur noch heftiger. Der Tod des Vaters hatte nicht im geringsten die bösen Eindrücke verwischt oder gemildert. Auch Friedrich hatte er einst mit der Hacke einen Schlag auf den Kopf gegeben, daß das Blut bis in den Stiefel lief und die Wunde nach dreiviertel Jahren noch nicht zugeheilt war. Einst, als Friedrich nach Hause kam, hörte er schon von weitem ein jämmerliches Geschrei. Er fand die Mutter in der Holzecke, und der Müller schlug mit einer zerbrochenen Holzaxt ununterbrochen auf sie los, indem er dabei rief: »Luder, ich bringe dich um, ich bringe dich um! Ich kann dich nicht mehr im Hause leiden.« Ohne die Dazwischenkunft des Sohnes wäre damals die Mutter wahrscheinlich umgebracht worden; sie blutete bereits fürchterlich. Aber der Sohn entwand dem Vater die Holzaxt und hielt ihn so lange, bis die Mutter entsprungen war. Doch war es nicht ohne eigene Gefahr für ihn abgegangen; auch er mußte sich flüchten und konnte wegen der Schläge auf Kreuz und Arm, die er im Kampf erhalten hatte, fünf Tage lang nicht arbeiten. Das war die Nacht, von der die Mutter ausgesagt hatte, daß sie mit ihrem Sohne Friedrich im Stall auf dem Futter gelegen habe. Der Sohn forderte den Richter auf, seine Mutter durch den Doktor visitieren zu lassen, da werde man an ihrem Leibe eine Menge Wunden finden, die alle der Vater geschlagen habe. Von dem schändlichen Lebenswandel berichtete Friedrich noch, daß Frau und Kinder ihn nicht selten bei der Magd im Bette angetroffen hätten und er eine Menge Geld für heimliche Arzneien ausgegeben habe, um der Magd das Kind, das sie von ihm hatte, abzutreiben. Friedlich schloß seine herzergreifende Anklage gegen den toten Vater mit den Worten:

      »Und von seiner Jugend an führte er den schlechten Lebenswandel. Seinem Vater hat er das Geld weggestohlen und liederlich durchgebracht, und er hat, wie ich mich noch wohl erinnere, seinen eigenen Vater, kurz ehe er starb, bei den Füßen angepackt, ihn die Stiege herab-und vor die Mühle hinausgeschleift. Und dem Alten sein Kopf war jämmerlich zerschlagen, und er hat über und über geblutet. Solch ein Unmensch war unser Vater! Ach, solange wir auf dieser Welt sind, haben wir noch keine Ruhe und keine Freude gehabt. Vor unseres Vaters Tode wurden wir gepeinigt von ihm, und nach seinem Tode peinigt uns unser Gewissen!«

      Zwar stammen alle diese Aussagen von solchen, in deren Interesse es lag, den Ermordeten so schwarz als möglich zu schildern, um die Motive ihrer Tat in den Augen ihrer Richter so stark und zwingend als möglich erscheinen zu lassen; aber die Aussage eines jeden Einzelnen hatte in der Schlichtheit der Darstellung, in der Folgerichtigkeit, mit der sie vorgetragen wurde, in der Wärme des Gefühls, das oft durchbrach, die Wahrscheinlichkeit innerer Wahrheit für sich. Diese Wahrscheinlichkeit wurde durch die Übereinstimmung aller einzelnen Aussagen verstärkt und durch die Aussagen unbeteiligter Zeugen in den Augen des Richters über allen Zweifel erhoben. Der Schwarzmüller war der Wüterich, wie Frau und Kinder ihn schilderten, der Unmensch, dessen Tod eine Wohltat für alle wurde, die mit ihm in Berührung getreten waren; er, der als ruchloser Sohn die Mörderhand gegen seinen Vater erhoben hatte, mußte unter der Mörderhand eines von seinen Söhnen gedungenen Meuchelmörders sterben. Es war ein fatalistisches Trauerspiel – merkwürdig, daß zur Zeit des Nachspuks der fatalistischen Romantik kein Dichter zu diesem Stoff gegriffen hat, der überdies in der einsamen Gebirgsmühle mit seinen Felsen und Gespenstern einen so vortrefflichen szenischen Hintergrund bot – ein Trauerspiel, das um so erschütternder wirkt, als die vernichtenden Folgen der Tat die vor dem moralischen Richtelstuhl Unschuldigen trafen.

      Der Vorgang des Verbrechens, wie er sich aus den Zeugenaussagen


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