Der Liebesschwur. Barbara CartlandЧитать онлайн книгу.
Giselda, Mylord ... Giselda ... Chart.“
Das kurze Zögern, bevor sie ihren letzten Namen nannte, war dem Grafen nicht entgangen.
„Du bist an solche Arbeit nicht gewöhnt, nicht wahr?“
„Nein, Mylord, aber ich bin dankbar, daß ich sie habe.“
„Ist deine Familie arm?“
„Sehr arm, Mylord.“
„Wieviele seid ihr?“
„Meine Mutter und mein kleiner Bruder.“
„Ist dein Vater tot?“
„Ja, Mylord.“
„Und wovon habt ihr gelebt, bevor du hierher gekommen bist?“
Er hatte das Gefühl, als würden seine Fragen Giselda verärgern. Jedoch war sie nicht in der Position, die Antwort hierauf zu verweigern.
Der Eimer in ihrer Hand war so schwer, daß er ihren Körper auf der einen Seite hinunterzog. Als sie so vor ihm stand, konnte der Graf die Vertiefungen an ihrem Halsansatz sehen.
Sie war unterernährt - dessen war er sich ganz sicher - und die Blässe ihrer Haut zeugte davon, daß sie an Anämie litt.
„Stell den Eimer hin, wenn ich mit dir rede!“ befahl der Graf scharf.
Sie gehorchte ihm, und ihre großen Augen sahen ihn angstvoll an, als fürchtete sie sich vor dem, was er ihr nun sagen würde.
„Du verschwendest deine Talente, Giselda“, begann er nach einem kurzen Augenblick, „indem du hier Kamine abstaubst und zweifelsohne wohl auch Böden schrubbst, während deine Hände Heilkräfte besitzen.“
Giselda blieb regungslos stehen, und der Graf fuhr fort: „Ich werde mit der Haushälterin sprechen und ihr vorschlagen, daß du in Zukunft nur noch für mich zur Verfügung stehen sollst.“
„Ich glaube nicht, daß sie das gestatten wird, Mylord“, entgegnete Giselda. „Sie haben unten Mangel an Arbeitskräften. Daher war es mir möglich, hier Arbeit zu bekommen.“
„Ich bin nicht von der Einwilligung der Haushälterin abhängig“, erwiderte der Graf ein wenig arrogant. „Wenn sie nicht damit einverstanden ist, werde ich dich in meine persönlichen Dienste nehmen.“
Er dachte einen Augenblick nach.
„Das wird wahrscheinlich sowieso das Beste sein“, fuhr er dann fort. „Du wirst zweimal am Tag mein Bein verbinden müssen. Und es gibt zweifellos noch eine Menge Dinge, die eine Frau besser erledigen kann als ein Mann.“
„Ich ... bin Ihnen sehr dankbar, Mylord ... aber ... ich möchte doch lieber ... ablehnen.“
„Ablehnen? Warum solltest du ablehnen wollen?“
„Weil ich es nicht riskieren kann, meine Arbeit hier zu verlieren, Mylord.“
„Riskieren? Welches Risiko besteht hier denn?“
„Ich möchte nicht eines Tages auf die gleiche Weise entlassen werden, wie vorher Ihr Kammerdiener.“
Der Graf lachte.
„Wenn du glaubst, ich hätte Batley entlassen, dann irrst du dich gewaltig. Selbst wenn ich dies beabsichtigt hätte, bezweifle ich, ob er wirklich gehen würde. Er ist seit fünfzehn Jahren bei mir und kennt meine rauhe Sprache. Aber ich werde mich dir gegenüber ein wenig zurückhalten.“
Giselda hakte ihre Finger ineinander und sah den Grafen noch ängstlicher als vorher an.
„Was bedrückt dich denn nun wieder?“ fragte er sie. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß du es angenehmer findest, hier die Fußböden zu schrubben als die Krankenpflege für mich zu übernehmen.“
„Das ist nicht der Grund, Mylord.“
„Was dann?“
„Ich ... bin mir nicht im Klaren, was Sie mir an Lohn zahlen wollen.“
„Was verdienst du jetzt?“
„Zehn Schilling in der Woche, Mylord. Es ist ein guter Lohn. Aber German Cottage ist bekannt dafür, daß man hier gut bezahlt. Ich würde anderswo kaum ebenso viel verdienen.“
„Zehn Schilling?“ sagte der Graf. „Gut, ich werde dir doppelt so viel zahlen.“
Der Graf bemerkte das kurze Aufleuchten in ihren dunklen Augen. Dann jedoch streckte Giselda ihr Kinn vor und sagte:
„Ich möchte keine Almosen annehmen, Mylord!“
„Obwohl du es bitter nötig hast“, erwiderte der Graf trocken.
Die Röte stieg Giselda in ihre dünnen Wangen, und der Graf fuhr fort: „Ist dein Verdienst das einzige Geld, das in euer Haus kommt?“
„J ... Ja, Mylord.“
„Wovon habt ihr denn gelebt, bevor du hierher gekommen bist?“
„Meine Mutter... sie kann sehr kunstvoll sticken ... aber unglücklicherweise sind ihre Finger in der letzten Zeit sehr steif geworden. Daher kann sie im Augenblick nicht arbeiten.“
„Dann wirst du also ein Pfund in der Woche von mir annehmen.“
Er bemerkte das kurze Zögern, bevor Giselda antwortete: „Vielen Dank ... Mylord.“
„Du erhältst jetzt einen Wochenlohn“, erklärte der Graf. „In der oberen rechten Schublade liegt Geld. Und dann wirst du dich umziehen und mit mir den Lunch einnehmen. Bring gleich auch die Salbe mit, von der du mir erzählt hast.“
„Lunch mit Ihnen ... Mylord?“
„Genau, das habe ich gesagt.“
„Aber ... das ist nicht... recht, Mylord.“
„Warum nicht?“
„Ich ... bin eine... Dienstmagd, Mylord.“
„Großer Gott! Willst du mich die Etikette lehren?“ rief der Graf aus. „Eine Kinderfrau ißt mit den ihr anvertrauten Kindern. Ein Tutor kann mit seinen Schülern essen. Und wenn ich die Frau, die mich pflegt, bitte, an meinem Bett mit mir zu essen, so erwarte ich, daß sie meiner Bitte nachkommt.“
„Ja, Mylord.“
„Und jetzt folgst du meinen Anweisungen. Schick mir zuerst die Haushälterin. Aber vorher will ich noch mit Batley sprechen. Du wirst ihn draußen finden.“
Giselda hob nun den Messingeimer auf und ging zur Tür, ohne sich noch einmal nach dem Grafen umzusehen. Leise schloß sie die Tür hinter sich.
Der Graf lehnte sich in die Kissen zurück. Irgendetwas Geheimnisvolles lag in der Luft. Und er liebte Geheimnisse.
Einen Augenblick später trat Batley ein.
„Ich habe diese junge Frau als meine Krankenschwester engagiert, Batley“, sagte der Graf.
„Ich hoffe, Sie werden mit ihr zufrieden sein, Mylord“, erwiderte Batley leise. Seine Stimme hatte einen beleidigten Ton, den er jedes Mal annahm, wenn der Graf ihn beschimpft hatte. Aber beide wußten, daß dies mehr oder weniger eine Spielerei war.
„Sie ist keine gewöhnliche Dienstmagd, Batley“, fuhr der Graf fort.
„Nein, Mylord, das habe ich gestern auch festgestellt, als ich ihr das erste Mal begegnete.“
„Woher kommt sie eigentlich?“
„Ich werde versuchen, das herauszufinden, Mylord. Aber ich glaube, man weiß hier wenig über sie. Außerdem haben sie alle sehr viel zu tun, da nicht genügend Personal vorhanden ist. Und wie Eure Lordschaft wissen, legt der Colonel großen Wert darauf, daß jederzeit genügend Personal in seinem Hause zur Verfügung steht.“
Der Graf wußte, daß dies so war.
Colonel Berkeley, der sein Gastgeber war und dem German Cottage gehörte, war