Der Liebesschwur. Barbara CartlandЧитать онлайн книгу.
von Cheltenham, war der älteste Sohn des fünften Grafen. Er hatte seinerzeit, kurz nach dem Tod seines Vaters, den Titel ,Graf‘ abgelehnt, als man ihm mitgeteilt hatte, daß seine Eltern erst nach der Geburt des dritten Sohnes geheiratet hatten.
Er wurde jedoch als Haupt der Familie anerkannt und galt als der Herrscher von Berkeley Castle.
Fitz, so wurde er von seiner Familie und seinen Freunden genannt, war ein großer, gut aussehender Mann, aber er galt als ein Pedant und Autokrat, ja sogar als Tyrann, was Cheltenham betraf.
Der Kurort war sein Hobby, und er verschwendete seine Zeit und auch sein Vermögen hier, wo sein ausschweifendes Leben und auch alle seine Äußerungen, die er von sich gab, eine ständige Quelle des Tratsches waren, an dem sich sowohl die Einheimischen als auch die Kurgäste ergötzten.
Er kümmerte sich nicht um das Geschwätz. Er genoß seine Stellung in der Gesellschaft. Man bemühte sich um ihn und arrangierte Feste und Versammlungen, um ihm zu gefallen. Es gab keine Theatervorstellung und keine Party, die ohne seine Gegenwart zum Erfolg wurde.
Da er noch Junggeselle war, wurde er natürlich auch von all den vielen Müttern hofiert, die für ihre heiratsfähigen Töchter auf der Suche nach einer guten Partie waren. Jedoch hatte er noch keinerlei Bedürfnis, seine Freiheit zu opfern.
Aus diesem Grunde hatte German Cottage, wo der Graf sich zur Zeit als Gast auf hielt, bisher schon viele wunderschöne und attraktive Besucherinnen beherbergt, von denen man wußte, daß sie eine sehr intime Beziehung zum Grafen hatten. Den Ring des Colonels hatte bisher jedoch noch keine von ihnen getragen.
Der Graf hatte den Colonel während einer Jagd kennengelernt. Da beide großes Interesse am Sport hatten, wurde aus der Bekanntschaft schnell eine Freundschaft.
Der Colonel hatte eine gut ausgebildete Jagdmannschaft, und er war bekannt dafür, daß er großzügig für jeden Schaden aufkam, der durch seine Jäger auf den Feldern angerichtet wurde.
Im Augenblick war der Colonel noch im Schloß, jedoch würde er in spätestens zwanzig Minuten hier sein.
Der Graf genoß den Luxus, den man ihm hier in German Cottage bot. Selbst das erste Hotel im Ort hätte ihm einen solchen Service nicht bieten können. Trotzdem verspürte er keinerlei Gewissensbisse bei dem Gedanken, daß er dem Colonel jetzt einen Dienstboten ausspannen wollte.
Er berichtete der Haushälterin von seinen Plänen. Da sie selbstverständlich daran gewöhnt war, die Anordnungen ihres Herrn und auch der Gäste widerspruchslos hinzunehmen, sagte sie nichts, sondern knickste nur und murmelte etwas davon, daß es zwar schwierig sein würde, Ersatz für Giselda zu finden, aber sie wolle ihr Möglichstes tun.
„Warum schwierig?“ fragte der Graf.
„Die Mädchen sind durchaus nicht alle gewillt, in German Cottage zu arbeiten oder auf dem Schloß“, erwiderte Mrs. Kingdom.
Der Graf erinnerte sich, daß man ihm eines Tages von den vielen unehelichen Kindern des Colonels berichtet hatte. Im Umkreis von zehn Meilen sollen es nach den Berichten mehr als dreißig sein.
Er nahm an, daß Giselda von dem Ruf ihres Arbeitgebers bisher wohl noch nichts gehört hatte. Er konnte sich nicht vorstellen, daß sie ansonsten hier Arbeit angenommen hätte.
„Was wissen Sie von dem Mädchen?“ fragte der Graf sie.
„Nicht viel, Mylord. Sie machte aber einen guten Eindruck. Und ich glaube, sie hat etwas mehr Niveau als die übrigen Mädchen hier.“
„Auf jeden Fall sieht sie nicht so aus, als wäre sie an solch schwere Arbeit gewöhnt, mit der Sie sie beauftragt haben.“
In wenigen Worten gab die Haushälterin dem Grafen zu verstehen, daß eine Hausmagd entweder in der Lage sein muß, alle Arbeiten zu verrichten, oder aber man kündigt ihr am besten gleich wieder. Der Graf jedoch bemerkte lediglich: „Giselda wird in meine Dienste eintreten, und ich werde sie auch bezahlen. Da sie nicht im Hause schläft, wird sie einen Raum benötigen, in dem sie sich umkleiden kann, sofern sie es wünscht.“
„Ich werde dafür sorgen“, sagte Mrs. Kingdom und knickste höflich, bevor sie das Zimmer verließ.
„Das Essen, Batley!“ rief der Graf. „Wo bleibt das verdammte Essen, das ich bestellt habe!“
„Sehr wohl, Mylord, es wird in einigen Minuten serviert werden. Es ist sehr ungewöhnlich, daß Ihre Lordschaft so zeitig speisen wollen“, erwiderte Batley.
„Ich kann essen, wann ich will“, erklärte der Graf scharf. „Und ich will eine gute Flasche Bordeaux dazu.“
„Sehr wohl, Mylord!“
Der Graf beobachtete, wie die Diener den Tisch hereinbrachten, ihn neben das Bett stellten und dann die Platten mit dem kalten Fleisch hinstellten. Der Anblick würde jedem Feinschmecker das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen.
Der Graf hatte sich bei der Auswahl der Speisen große Mühe gegeben. Er hatte festgestellt, daß er mit Spannung darauf wartete, Giselda diese Delikatessen essen zu sehen.
Wie oft hatte er sich in Portugal gewünscht, Speisen unter die hungernden Kinder und Frauen zu verteilen.
Aber da selbst die Truppen oft hungern mußten, war nichts übrig, um es zu verschenken.
Niemals hatte er geglaubt, auch in England dem Hunger zu begegnen. Im Vergleich zu anderen Ländern war England ein Land, in dem Milch und Honig flossen.
Giselda hatte sich sehr verändert, als sie zurückkam. Sie trug ein einfaches blaues Kleid. Dem Grafen fiel auf, daß es ein sehr altmodisches Modell war. Aber keinesfalls war es ein Kleid, das gewöhnliche Dienstboten sonst trugen.
Ein kleiner weißer Kragen umrahmte Giseldas Gesicht. Der Kragen wurde durch blaue Samtbänder zusammengehalten und verdeckte so ihre hervorstehenden Knochen. Ihre eingefallenen Wangen und die scharfen Kinnknochen jedoch konnte nichts verbergen.
Sie trug jetzt keine Haube mehr, und der Graf konnte ihr blondes Haar sehen, das sie von der Stirn aus nach hinten gekämmt hatte. Sie hatte eine schöne ovale Stirn. Jedoch schien ihr Haar ohne Spannkraft zu sein. Der Graf nahm an, daß dies der mangelhaften Ernährung zuzuschreiben war.
Sie hatte nur einen kurzen Blick auf den reich gedeckten Tisch geworfen. Jetzt stand sie in der Tür und sah den Grafen an.
„Ich warte darauf, daß du dich zu mir setzt“, sagte er. „Und ich glaube, daß es unter den gegebenen Umständen das Beste ist, wenn sich jeder selbst bedient. Oder aber du kümmerst dich auch um mich.“
„Ja, Mylord.“
„Ich hätte gern ein Glas Rotwein. Ich hoffe, du leistest mir Gesellschaft dabei.“
Giselda nahm die Karaffe und füllte das Glas des Grafen. Dann sah sie das zweite Glas an und zögerte.
„Es wird dir guttun“, meinte der Graf.
„Ich glaube, es ... wäre unklug, Mylord.“
„Warum?“
Kaum hatte er diese Frage geäußert, wurde ihm gleichzeitig bewußt, wie dumm sie war. Schnell fügte er darum hinzu: „Wann hast du das letzte Mal gegessen?“
„Bevor ich gestern abend hier fortgegangen bin.“
„Hast du reichlich gegessen?“
„Ich dachte zuerst, daß ich großen Hunger hätte. Dann aber war es, als könnte ich nicht schlucken.“
Der Graf wußte, daß dies ein typisches Zeichen von mangelnder Ernährung war.
„Ich nehme an, daß du die Reste mitgenommen hast?“
„Das ... konnte ich nicht.“
„Hat man es dir nicht erlaubt?“
„Ich habe den Küchenchef gebeten, mir das halbe Huhn mitzugeben, das von Ihrem Abendessen übrig war. Er wollte es gerade in die Mülltonne werfen.“ Sie unterbrach sich einen Augenblick,