Das beste von Nikolai Gogol. Nikolai GogolЧитать онлайн книгу.
Er verstellte seine Stimme und antwortete: »Das bin ich, guter Mann! Ich bin gekommen, um euch zum Vergnügen einige Koljadalieder vor den Fenstern zu singen.«
»Scher dich zum Teufel mit deinen Koljadaliedern!« schrie Wakula wütend. »Was stehst du noch da? Hörst du! Scher dich auf der Stelle!«
Tschub hatte auch selbst diese vernünftige Absicht gefaßt, aber es ärgerte ihn, daß er dem Befehle des Schmiedes gehorchen mußte. Es war, als ob ihn ein böser Geist reize und nötige, dem Schmied zu widersprechen. »Warum schreist du so!« sagte er mit der gleichen Stimme. »Ich will Koljadalieder singen und basta!«
»Aha, ich sehe, mit Worten kann ich dich nicht zur Vernunft bringen!« Gleich nach diesen Worten fühlte Tschub einen recht schmerzvollen Schlag auf der Schulter.
»Ich glaube gar, du fängst zu hauen an!« sagte er, ein wenig zurückweichend.
»Geh, geh!« schrie der Schmied und versetzte Tschub einen zweiten Schlag.
»Was hast du nur!« rief Tschub mit einer Stimme, welche Schmerz, Ärger und Furcht ausdrückte. »Wie ich sehe, haust du wirklich, und zwar so, daß es weh tut!«
»Geh, geh!« schrie der Schmied und schlug die Tür zu.
»Seh’ ihn nur einer an, wie tapfer er ist!« sagte Tschub, als er allein auf der Straße geblieben war. »Versuch’s nur, komm mal näher! Was bist du für einer! Vielleicht ein großes Tier? Du glaubst wohl, daß ich keinen Richter finde? Nein, mein Lieber, ich gehe, ich gehe direkt zum Kommissär. Du sollst was erleben! Ich gebe nichts drauf, daß du Schmied und Maler bist. Aber ich möchte mir mal meinen Rücken und meine Schultern ansehen: ich glaube, es werden blaue Flecke da sein. Wahrscheinlich hat er mich ordentlich verprügelt, der Teufelssohn. Schade, daß es so kalt ist und ich den Pelz nicht gern ausziehen möchte. Warte nur, du Satansschmied, der Teufel wird schon dich und deine Schmiede kaputt schlagen, du wirst mir schon tanzen! So ein verfluchter Galgenstrick! Doch halt, er ist jetzt nicht zu Hause. Ssolocha sitzt wohl allein da. Hm! … Das ist ja gar nicht so weit – warum soll ich nicht einkehren? … Es ist jetzt so eine Zeit, daß uns wohl niemand erwischen wird. Vielleicht gelingt es mir auch, mit ihr … Wie tüchtig er mich verprügelt hat, der verdammte Schmied!«
Tschub kratzte sich den Rücken und ging in die entgegengesetzte Richtung. Das Vergnügen, das ihn bei Ssolocha erwartete, linderte ein wenig seinen Schmerz und machte ihn sogar gegen den Frost unempfindlich, der auf allen Straßen knirschte und nicht mal vom Heulen des Schneesturms übertönt wurde. Auf seinem Gesicht, dessen Bart und Schnurrbart vom Schneesturme schneller eingeseift worden waren, als es jeder Barbier fertigbringt, der sein Opfer tyrannisch an der Nase packt, zeigte sich ab und zu eine sauersüße Miene. Wenn der Schnee nicht so vor den Augen herumwirbelte, hätte man noch lange sehen können, wie Tschub immer wieder stehenblieb, sich den Rücken kratzte, dabei sagte: »Er hat mich ordentlich verprügelt, der verdammte Schmied!« und seinen Weg fortsetzte.
Als der flinke Stutzer mit dem Schwanz und dem Ziegenbart aus dem Schornstein flog und wieder in den Schornstein fuhr, blieb seine Tasche, die an seiner Seite hing und in die er den gestohlenen Mond gesteckt hatte, zufällig im Ofen hängen und ging auf, und der Mond benutzte die Gelegenheit und flog aus dem Schornsteine Ssolochas in den Himmel hinauf. Alles wurde sofort hell. Der Schneesturm war sofort vergessen. Der Schnee funkelte als ein großes silbernes Feld, von Kristallsternen übersät. Der Frost schien nachgelassen zu haben. Scharen von Burschen und Mädchen mit Säcken in der Hand zeigten sich auf den Straßen. Die Lieder erklangen, und es gab fast kein Haus, vor dem sich nicht die Sänger drängten.
Wunderbar leuchtet der Mond! Es ist schwer zu beschreiben, wie schön es ist, sich in einer solchen Nacht unter den Scharen der lachenden und singenden Mädchen und Burschen zu tummeln, die zu allen Spaßen und Streichen zu haben sind, die eine so lustig lachende Nacht nur eingeben kann. Unter dem dicken Pelz ist es warm; vor Frost glühen die Wangen noch lebhafter, und der Teufel selbst scheint die Jugend zu tollen Streichen anzustiften.
Scharen von Mädchen mit Säcken brachen in Tschubs Haus ein und umringten Oksana. Das Schreien, Lachen und Schwatzen betäubte den Schmied. Alle beeilten sich, der Schönen etwas Neues zu erzählen, luden ihre Säcke aus und prahlten mit den Kuchen, Würsten und Krapfen, die sie für ihren Gesang schon bekommen hatten. Oksana schien sehr vergnügt und froh, schwatzte bald mit der einen, bald mit der anderen und lachte ohne Ende.
Mit Neid und Ärger sah der Schmied diese Heiterkeit und verfluchte diesmal die Koljadalieder, obwohl er auf sie sonst ganz versessen war.
»Ach, Odarka!« sagte die lustige Schöne, sich zu einem der Mädchen wendend, »du hast ja neue Schuhe. Ach, wie schön die sind! Mit Gold verziert! Du hast es gut, Odarka, du hast einen Menschen, der dir alles kauft, aber ich habe niemand, der mir so hübsche Schuhe schenkt.«
»Gräm dich nicht, meine herrliche Oksana!« fiel ihr der Schmied ins Wort. »Ich will dir solche Schuhe verschaffen, wie sie nicht jedes Edelfräulein trägt.«
»Du?« sagte Oksana und streifte ihn mit einem schnellen und hochmütigen Blick. »Ich will mal schauen, wo du mir solche Schuhe verschaffst, die ich anziehen könnte. Höchstens bringst du mir die Schuhe, die die Zarin trägt.«
»Seht einmal, was sie für Schuhe möchte!« schrie lachend die ganze Mädchenschar.
»Ja!« fuhr die Schöne stolz fort. »Ihr sollt alle meine Zeugen sein: wenn der Schmied Wakula mir die Schuhe bringt, die die Zarin trägt, so gebe ich mein Wort darauf, daß ich sofort seine Frau werde.«
Die Mädchen führten die launische Schöne mit sich fort.
»Lach nur! Lach!« sagte der Schmied, gleich nach ihnen aus der Stube tretend. »Ich lache auch selbst über mich! Ich zerbreche mir den Kopf, wo ich nur meinen Verstand habe. Sie liebt mich nicht, soll sie nur gehen! Als ob es in der ganzen Welt nur die eine Oksana gäbe. Gott sei Dank, es gibt auch noch andere hübsche Mädchen im Dorfe. Was ist auch diese Oksana? Aus ihr wird niemals eine gute Hausfrau werden: sie versteht sich nur auf Putz. Nein, es ist genug! Es ist Zeit, diese Kindereien aufzugeben.«
Aber gerade in demselben Augenblick, als der Schmied sich vornahm, fest zu sein, führte ihm irgendein böser Geist Oksanas lachendes Bild vor Augen, wie sie höhnisch sagte: »Schmied, hol mir die Schuhe der Zarin, dann werde ich deine Frau!« Alles geriet in ihm in Aufruhr, und er dachte nur noch an Oksana.
Die Scharen der Singenden, die Burschen und Mädchen getrennt, liefen aus der einen Straße in die andere. Der Schmied schritt aber dahin, ohne etwas zu sehen und ohne an der Lustbarkeit teilzunehmen, die er einst mehr als alle anderen geliebt hatte.
Der Teufel war indessen bei Ssolocha im Ernst zärtlich geworden: er küßte ihr die Hand mit denselben Grimassen, mit denen der Assessor der Popentochter die Hand küßt, drückte seine Hand aufs Herz, stöhnte und sagte geradeheraus, wenn sie nicht seine Leidenschaft befriedigen und ihn, wie es üblich ist, belohnen würde, er zu allem fähig wäre: er würde ins Wasser gehen und seine Seele direkt in die Hölle schicken. Ssolocha war nicht so grausam; außerdem steckte sie ja bekanntlich mit dem Teufel unter einer Decke. Sie liebte es wirklich, die Scharen der ihr nachlaufenden Verehrer zu sehen, und war selten ohne Gesellschaft. Diesen Abend glaubte sie aber allein verbringen zu müssen, da alle angesehenen Bürger beim Küster zur Kut ja eingeladen waren. Aber es kam anders: kaum hatte der Teufel seine Forderung ausgesprochen, als sich plötzlich das Klopfen und die Stimme des dicken Amtmanns vernehmen ließen. Ssolocha lief zur Tür, um ihn hereinzulassen, und der flinke Teufel kroch in einen der Säcke.
Nachdem der Amtmann den Schnee von seiner Kapuze abgeschüttelt und ein Glas Schnaps, das ihm Ssolocha reichte, ausgetrunken hatte, erzählte er, er sei nicht zum Küster gegangen, weil sich ein Schneesturm erhoben habe; da er aber in ihrem Hause Licht gesehen habe, sei er bei ihr eingekehrt, um den Abend mit ihr zu verbringen.
Der Amtmann hatte kaum Zeit gehabt, dies zu sagen, als vor der Tür das Klopfen und die Stimme des Küsters erklangen. »Versteck mich irgendwo«, flüsterte der Amtmann, »ich habe jetzt keine Lust, mit dem Küster zusammenzutreffen.«
Ssolocha dachte lange nach, wo sie einen so beleibten Gast verstecken könnte; endlich wählte sie den größten Kohlensack, schüttete die Kohlen