Stolz und Vorurteil. Джейн ОстинЧитать онлайн книгу.
mit einem Mr. Philips verheiratet, der Rechtsbeistand ihres Vaters gewesen war und nach seinem Tode die Praxis übernahm. Und ihr einziger Bruder lebte in London als vermögender Kaufmann.
Longbourn lag nur eine Meile von Meryton entfernt; eine sehr bequeme Entfernung für die jungen Mädchen, die wenigstens drei- bis viermal in der Woche unbedingt hinüber mussten, um ihre Tante zu besuchen oder die Schneiderin; die schräg gegenüber wohnte. Die beiden jüngsten, Catherine und Lydia, empfanden besonders häufig das Bedürfnis zu einem solchen Besuch; ihre Köpfe hatten noch weniger Raum für Gedanken als die ihrer Schwestern, und wenn sich nichts Besseres finden ließ, bot immer der Spaziergang nach Meryton einen Zeitvertreib für den Vormittag und ein Gesprächsthema für den Abend; es mochte noch so wenig Erwähnenswertes in der engeren oder weiteren Nachbarschaft vorgekommen sein, sie brachten es doch fertig, irgendeine Neuigkeit von ihrer Tante mit nach Hause zu bringen. Und gegenwärtig bot sich eine besonders reiche Ernte an Neuigkeiten aller Art und an Jungmädchen-Glückseligkeit dar; denn ein ganzes Regiment war vor kurzem in die Nachbarschaft gelegt worden, und Meryton beherbergte das Hauptquartier und damit die Offiziere.
Die Besuche bei Mrs. Philips wurden jetzt zu einem Quell ständig wechselnder und immer gleichbleibend spannender Mitteilungen. Kein Tag verging, der ihrem Wissen nicht einen neuen Namen, eine neue Wichtigkeit aus dem Offizierskorps hinzugefügt hatte. Wer bei wem wohnte, blieb ihnen nicht lange verborgen, und bald lernten sie die Offiziere auch selbst kennen. Mr. Philips machte bei allen einen Besuch, und dies eröffnete seinen Nichten Möglichkeiten, wie sie sie nie auch nur erträumt hatten. »Offizier« wurde ihr zweites Wort. Mr. Bingleys großer Reichtum, der ihre Mutter so sehr begeistern konnte, erschien ihnen im Vergleich mit einem bunten Rock völlig unbedeutend.
Nachdem Mr. Bennet sich eines Morgens die Ergüsse seiner beiden jüngsten Töchter eine Weile hatte mit anhören müssen, meinte er: »Soweit ich nach eurem Gerede schließen kann, dürftet ihr die beiden dümmsten Mädchen im ganzen Land sein. Den Verdacht hatte ich schon längere Zeit, aber jetzt weiß ich es mit aller Gewissheit.«
Catherine wurde verlegen und antwortete nichts darauf; Lydia dagegen ließ sich keineswegs in ihrem Vergnügen stören, unbekümmert weiter ihrer Bewunderung für Hauptmann Carter Ausdruck zu geben, zugleich mit der Hoffnung, ihn heute noch einmal zu treffen, da er morgen nach London fahre.
»Ich muss mich wundern, mein Lieber«, erwiderte Mrs. Bennet für ihre Töchter, »dass du so leichthin unsere Kinder für dumm erklärst. Wenn du schon von Kindern etwas Schlechtes denken musst, warum fängst da dann bei deinen eigenen an?«
»Da meine Kinder aber nun einmal so beschränkt sind, würde ich ja selber dumm sein, wenn mir das nicht auffiele.«
»Sehr wohl – aber zufällig sind sie alle äußerst klug!«
»Das wäre dann der einzige Punkt, in dem wir nicht einer Meinung sind. So sehr ich es wünschte, dass wir in jeder Kleinigkeit übereinstimmten, ich muss in diesem Falle auf meiner Ansicht bestehen bleiben, dass meine beiden jüngsten Töchter ganz ungewöhnlich albern und töricht sind.«
»Mein lieber Bennet, du kannst nicht erwarten, dass Mädchen in diesem Alter die Vernunft ihres Vaters oder ihrer Mutter besitzen. Wenn sie in unser Alter kommen, dann werden sie schon ebensowenig an Offiziere denken wie wir. Ich kann mich noch sehr gut an die Zeit erinnern, als ich selbst für bunte Röcke eine Schwäche hatte – und offen gestanden, daran hat sich auch heute noch nichts geändert. Sollte ein forscher junger Oberst mit fünf bis sechstausend im Jahr um die Hand einer meiner Töchter anhalten, ich würde nicht nein sagen. Oberst Forster sah doch neulich auf der Abendgesellschaft bei den Lucas sehr gut in seiner Uniform aus.«
»Mutter«, rief Lydia, »Tante erzählte uns, Oberst Forster und Hauptmann Carter seien nicht mehr so oft wie früher bei Miss Watson; sie hat die beiden letzthin häufiger in der Buchhandlung von Clark getroffen.«
Bevor Mrs. Bennet hierzu etwas erwidern konnte, betrat ein Diener das Zimmer und überreichte Jane ein Schreiben. Ein Bote von Netherfield habe es gebracht und warte draußen auf eine Antwort. Mrs. Bennets Augen leuchteten vor Vergnügen, und während Jane das Papier entfaltete, rief sie aufgeregt: »Nun, Jane, von wem ist es? Was steht darin? Was will er? Beeile dich, Jane! Mach doch schnell, Liebling!«
»Von Miss Bingley«, sagte Jane und las dann vor:
»Liebe Freundin!
Wenn Sie ein mitleidiges Herz besitzen, dann kommen Sie und speisen mit mir und meiner Schwester Louisa zu Abend; sonst laufen wir Gefahr, uns unser Leben lang zu hassen; Sie wissen, wenn zwei Frauen einen ganzen Tag miteinander verbringen, das muss zwangsläufig mit einem Streit enden. Kommen Sie, sobald Sie können. Mein Bruder und die beiden Herren sind bei den Offizieren zu Gast.
Es begrüßt Sie Ihre Caroline Bingley«
»Bei den Offizieren?« rief Lydia erstaunt. »Merkwürdig, dass Tante uns das nicht erzählt hat!«
»Die Herren sind eingeladen«, meinte Mrs. Bennet, »so ein Pech!«
»Kann ich den Wagen bekommen?« fragte Jane.
»Nein, meine Liebe, ich finde, du reitest besser hin; es sieht nach Regen aus, und dann musst du dort übernachten.«
»Eine großartige Idee«, sagte Elisabeth, »außer wenn es den Bingleys einfallen sollte, sie in ihrem Wagen nach Hause zu bringen.«
»Ach so – aber nein, die Herren werden ja in Mr. Bingley’s Wagen nach Meryton gefahren sein; und Mr. Hurst hat zwar einen Vierspänner, aber keine Pferde dazu.«
»Ich möchte aber viel lieber dorthin fahren, wenn es geht.«
»Unmöglich, Liebling, dein Vater wird die Pferde bestimmt nicht entbehren können. Sie werden doch bei der Feldarbeit benötigt, nicht wahr, Bennet?«
»Ich brauche sie dort sehr viel öfter, als ich sie von euch freibekommen kann.«
»Aber wenn du sie ausgerechnet heute brauchst«, sagte Elisabeth, »dann unterstützt du doch nur Mutters Plan.«
Es stellte sich dann aber heraus, dass die Pferde schon auf den Äckern bei der Arbeit waren, und Jane blieb nichts anderes übrig, als das Reitpferd zu nehmen. Ihre Mutter begleitete sie zur Tür und verabschiedete sich von ihr in der aufgeräumtesten Laune mit der Prophezeiung, dass es bestimmt bald anfangen werde zu regnen. Ihre Erwartungen wurden auch nicht enttäuscht: Jane war noch nicht lange unterwegs, als es vom Himmel herab zu gießen begann. Die Schwestern waren etwas in Sorge ihretwegen,