Szenen aus dem Landleben. Оноре де БальзакЧитать онлайн книгу.
und sagte zu ihm:
»Als ich mich da unten ins Wasser stellte, Herr General, hatte ich der Armee mein Leben als Almosen geschenkt; es hat also einen Gewinn gegeben, da ich noch auf meinen Pedalen stehe. Halt, wollen Sie den Boden des Sackes sehen? – Schön, seitdem ›der andere‹ gestorben ist, habe ich an nichts mehr Freude. Sie haben mir hier,« fügte er, fröhlich auf die Erde weisend, hinzu, »zwanzigtausend Franken angewiesen, die soll ich mir nehmen, und ich mache mich brockenweise bezahlt, wie der andere sagt!«
»Nun, lieber Kamerad,« sagte Genestas, bewegt von der Erhabenheit dieser Verzeihung, »du sollst hier wenigstens das einzige haben, was du mich nicht hindern kannst, dir zu schenken.«
Der Major schlug sich aufs Herz, blickte den Pontonier einen Moment lang an, stieg wieder auf sein Pferd und ritt an Benassis' Seite wieder weiter.
»Derartige administrative Grausamkeiten nähren den Krieg der Armen gegen die Reichen,« sagte der Arzt. »Die Leute, denen die Macht für den Augenblick anvertraut worden ist, haben niemals ernstlich an die notwendigen Folgen einer einem Manne aus dem Volke zugefügten Ungerechtigkeit gedacht. Ein Armer, der sein tägliches Brot zu verdienen gezwungen ist, kämpft nicht lange, das ist wahr; aber er redet und findet Widerhall in allen duldenden Herzen. Eine einzige Ungerechtigkeit vervielfacht sich durch die Zahl derer, die sich in ihr getroffen fühlen. Dieser Sauerteig geht auf. Das ist aber noch nichts; es entsteht daraus ein noch größeres Übel. Solche Unbilligkeiten entfachen beim Volke einen dumpfen Hass gegen die sozial höher Gestellten.
Der Bürger wird und bleibt der Feind des Armen, der ihn außerhalb des Gesetzes stellt, ihn betrügt und bestiehlt. Für den Armen bedeutet der Diebstahl weder ein Vergehen noch ein Verbrechen mehr, er ist eine Rache. Wenn ein Administrator, wo es sich darum dreht, den Kleinen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, sie misshandelt und um ihre erworbenen Rechte prellt, wie können wir da von den brotlosen, unglücklichen Menschen Resignation ihren Nöten gegenüber und Respekt vor dem Besitze verlangen? ... Ich zittere bei dem Gedanken, dass ein Büromensch, dessen Dienst darin besteht, Papiere abzustauben, die Gondrin versprochene Pension von tausend Franken erhalten hat. Da beklagen sich gewisse Leute, die niemals das Übermaß von Leiden ermessen haben, über die Maßlosigkeit der Racheakte des Volkes! Doch an dem Tage, da die Regierung mehr unglückliche als glückliche Einzelschicksale verursacht hat, hängt ihr Sturz nur von einem Zufall ab; indem es sie stürzt, gleicht das Volk seine Rechnungen auf seine Weise aus. Ein Staatsmann müsste sich die Armen stets zu Füßen der Gerechtigkeit denken, nur für sie ist sie erfunden worden!«
Als sie das Ortsgebiet erreichten, erblickte Benassis zwei Personen, die auf der Straße gingen, und sagte zu dem Major, der seit einer Weile nachdenklich einherritt:
»Sie haben das resignierende Unglück eines Armeeveteranen gesehen, jetzt sollen Sie das eines alten Landmanns sehen. Das da ist ein Mann, der sein liebes Leben lang für andere gehackt, gegraben, gesät und geerntet hat.«
Genestas sah einen armen Greis, der in Begleitung einer alten Frau einherschritt. Der Mann schien an Hüftweh zu leiden und ging, die Füße in schlichten Holzschuhen, mühsam seinen Weg. Auf seiner Schulter trug er einen Quersack, in dessen Tasche einige Werkzeuge hin- und herfuhren, deren durch langen Gebrauch und Schweiß geschwärzte Stiele ein leichtes Geräusch erzeugten; die hintere Tasche enthielt sein Brot, einige rohe Zwiebeln und Nüsse. Sein durch die Gewohnheiten der Arbeit gewölbter Rücken zwang ihn ganz gebeugt zu gehen, auch stützte er sich, um sein Gleichgewicht zu wahren, auf einen langen Stock. Seine schneeweißen Haare wallten unter einem elenden Hute, der durch die Unbilden der Jahreszeiten fuchsig geworden und mit weißem Garn ausgebessert war. Seine grauleinenen und an hundert Stellen geflickten Kleider bildeten einen einzigen Farbenkontrast. Er war eine Art menschlicher Ruine, die keines jener charakteristischen Merkmale entbehrte, die Ruinen so rührend machen. Seine Frau, die ein bisschen gerader als er, aber in gleicher Weise mit Lumpen bedeckt war und eine plumpe Haube aufhatte, trug auf ihrem Rücken ein rundes und abgeplattetes Steingutgefäß, das mit einem durch die Henkel geschlungenen Riemen festgehalten wurde. Als sie den Hufschlag der Pferde hörten, hoben sie den Kopf, erkannten Benassis und blieben stehen. Diese beiden alten Leute, von denen der eine durch Arbeit gliederlahm, die andere, seine treue Gefährtin, gleichfalls verbraucht war, zeigten beide Gesichter, deren Züge durch Falten zerstört, deren Haut durch die Sonne geschwärzt und durch die Unbilden der Luft hart geworden war, und die zu sehen einem weh tat. Wäre ihre Lebensgeschichte nicht auf ihren Physiognomien eingegraben gewesen, würde man sie aus ihrer Haltung haben erraten können.
Unaufhörlich hatten beide gearbeitet und unaufhörlich gemeinsam gelitten, da sie sehr viel Elend und wenig Freuden zu teilen hatten. Wie der Gefangene sich an sein Gefängnis gewöhnt, so schienen sie sich mit ihrem Ungemach abgefunden zu haben; alles an ihnen war natürliche Einfachheit. Ihr Gesicht ermangelte nicht eines gewissen frohen Freimutes. Wenn man sie genau betrachtete, schien ihr monotones Leben – das Los so vieler armer Wesen – fast beneidenswert. Wohl gab es bei ihnen Spuren von Schmerz, die des Kummers aber fehlten.
»Nun, mein lieber Vater Moreau, wollt Ihr denn wirklich immer arbeiten?«
»Jawohl, Monsieur Benassis. Ich will Ihnen noch ein Heidefeld oder deren zwei urbar machen, ehe ich sterbe,« antwortete fröhlich der Greis, dessen kleine schwarze Augen sich belebten.
»Trägt Eure Frau da Wein? Wenn Ihr Euch nicht ausruhen wollt, müsst Ihr wenigstens Wein trinken.«
»Mich ausruhen! Das langweilt mich. Wenn ich im Freien und mit Urbarmachen beschäftigt bin, beleben Sonne und Luft mich. Was den Wein anlangt, ja, Herr, das ist Wein; und ich weiß wohl, dass Sie ihn uns beinahe umsonst vom Herrn Bürgermeister in Courteil verschafft haben. Ach, Sie mögen sich noch so boshaft stellen, man erkennt Sie doch sofort wieder.«
»Also, lebt wohl, Mutter. Zweifelsohne geht Ihr heute zum Grundstück des Champferlu?«
»Ja, Herr, es ist gestern Abend angefangen worden.«
»Guten Mut!« sagte Benassis. »Ihr müsst doch manchmal recht zufrieden sein, wenn Ihr diesen Berg seht, den Ihr allein fast ganz urbar gemacht habt?«
»Ei gewiss, ja, Herr,« antwortete die Alte; »das ist unser Werk. Wir haben das Recht, Brot zu essen, wohl verdient.«
»Sie sehen, die Arbeit, das zu kultivierende Land,« sagte Benassis zu Genestas, »ist das Hauptbuch der Armen. Der Biedermann hier würde sich für entehrt halten, wenn er ins Siechenhaus ginge oder bettelte; er will, die Hacke in der Hand, auf freiem Felde unter der Sonne sterben. Meiner Treu, er besitzt einen stolzen Mut! Durch vieles Arbeiten ist die Arbeit sein Leben geworden; aber er fürchtet auch den Tod nicht! Er ist ein tiefer Philosoph, ohne es zu ahnen. Dieser alte Vater Moreau hat mich auf den Gedanken gebracht, hier im Bezirke ein Siechenhaus für die Tagelöhner, für die Arbeiter, kurz für die Landleute zu gründen, die, nachdem sie ihr liebes, langes Leben über gearbeitet haben, ein ehrbares und armes Alter erreichen. Mein Herr, ich rechnete nicht auf das Vermögen, das ich erworben habe, und das für mich persönlich zwecklos ist. Für einen von der Höhe seiner Hoffnungen herabgestürzten Mann bedeutet es nichts. Das Leben der Müßiggänger ist das einzige, das teuer zu stehen kommt, vielleicht ist es sogar ein sozialer Diebstahl, zu verzehren, ohne etwas hervorzubringen. Als Napoleon von den Diskussionen hörte, die sich nach seinem Sturze in Bezug auf seine Pension erhoben, erklärte er, nur ein Pferd und einen Taler täglich nötig zu haben. Als ich hier herkam, hatte ich auf das Geld verzichtet. Seitdem hab' ich erkannt, dass das Geld Kräfte repräsentiert und notwendig wird, um Gutes zu tun. Testamentarisch hab' ich daher mein Haus zu einem Siechenheim bestimmt, wo unglückliche, asyllose Greise, die weniger stolz als Moreau sein werden, ihre alten Tage verbringen können. Dann wird ein bestimmter Teil der neuntausend Franken Rente, die mir meine Ländereien und meine Mühle einbringen, dazu bestimmt werden, in zu harten Wintern wirklich notdürftigen Leuten eine häusliche Hilfe zu gewähren. Diese Anstalt wird von dem Magistrat, dem sich der Pfarrer als Präsident zugesellen soll, überwacht werden. Auf diese Weise wird das Vermögen, das der Zufall mich in diesem Bezirk finden ließ, in der Gemeinde bleiben. Die Bestimmungen dieser Stiftung sind in meinem Testament fixiert worden; sie Ihnen näher anzugeben, würde Sie langweilen, es genügt, Ihnen zu sagen, dass ich alles dort vorgesehen habe. Sogar einen Reservefonds hab' ich geschaffen,