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Weltklasse. Oliver GritzЧитать онлайн книгу.

Weltklasse - Oliver Gritz


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ausgelaugt und sah überhaupt keinen Weg mehr, wie ich irgendetwas an diesem Zustand würde ändern können.

       Der Kontext des Elends

      Wo war ich da hereingeraten? Wie konnte es dazu kommen, dass mich ein System derart gefangen nahm und auslaugte? Meine persönliche Geschichte war eine Sache. Doch was ich in so schmerzhafter Form am eigenen Leib erfuhr, waren die Folgen einer Ära der Unternehmensführung (Corporate Governance), die der österreichische Wirtschaftsprofessor Fredmund Malik als „… reduktionistischgeldgetriebene Karikatur von Unternehmensführung …“ bezeichnet.1

      Ein hartes Urteil. Um zu erklären, was Malik damit meint und um auch den Kontext meiner beruflichen Situation besser zu verstehen, unternehme ich an dieser Stelle eine Rückblende in die Wirtschaftsgeschichte.

      Die USA waren die großen Gewinner des 1. Weltkriegs, der am 11. November 1918 endete. Denn sie versorgten die kriegsführenden europäischen Länder während des Krieges mit riesigen Mengen an Waffen, Munition, Getreide und Rohstoffen und stellten gleichzeitig Kredite bereit, damit die europäischen Länder die Importe finanzieren konnten. Leider unterließen es die USA, nach Kriegsende einen Teil ihres stark gestiegenen Wohlstands zu nutzen, um die Situation in Europa zu stabilisieren und den europäischen Ländern wieder auf die Beine zu helfen. Stattdessen konzentrierten sich die USA auf sich selbst (America First, auch damals schon) und heizten die ohnehin florierende nationale Wirtschaft durch weitere Kreditaufnahmen und Finanzmarktspekulationen an, womit sie den kriegsgeschwächten europäischen Ländern weiteres Kapital entzogen. Als die New Yorker Börse dann am schwarzen Donnerstag, dem 24. Oktober 1929 kollabierte, kam es zu einer Katastrophe. Um erlittene Kapitalverluste auszugleichen bzw. um eigene Schulden zu tilgen, zogen Amerikaner auch noch ihr letztes Kapital aus Europa ab. Die wirtschaftliche Aktivität in Europa kam dadurch vollkommen zum Erliegen. Die Arbeitslosigkeit stieg dramatisch an. Als Gegenmaßnahme weiteten die europäischen Nationen ihre Geldmenge und ihre Schulden, soweit sie konnten, aus, stärkten die eigene Industrie und schirmten sich weitestgehend voneinander ab. Dadurch schadeten sie sich untereinander und letztendlich auch sich selber, denn der internationale Handel kam zum Erliegen. Damit waren die wirtschaftlichen Grundlagen für den 2. Weltkrieg gelegt.

      Eine solche Entwicklung wollte man nach dem 2. Weltkrieg auf jeden Fall vermeiden. Deshalb schuf man ein stabiles Gebilde mehr oder weniger fester Wechselkurse, die sich am Wert des US Dollars als internationaler Leitwährung orientierten. Der Wert des Dollars wiederum wurde an den Goldpreis und die Garantie gebunden, US Dollars jederzeit zu einem festen Preis gegen Gold eintauschen zu können. Erweitert wurde dieses am 23. Juli 1944 im Örtchen Bretton Woods im US Bundesstaat New Hampshire geschlossene Währungsabkommen 1947 durch ein internationales Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade – GATT). Diese beiden Regelwerke in Verbindung mit durch die USA finanzierten Wirtschaftsförderprogrammen wie dem Marschall Plan sorgten dafür, dass die europäischen Volkswirtschaften, anders als nach dem 1. Weltkrieg, wieder auf die Beine kamen und eine fast 30 Jahre währende Phase der Prosperität erlebten.

      Im Verlauf der 1960er Jahre waren die USA dann allerdings nicht mehr in der Lage, die finanzielle Disziplin, die ihnen die Goldbindung des US Dollars aufbürdete, aufrecht zu erhalten. Stetig steigende Importe und die hohen Kosten zur Finanzierung des Vietnamkrieges führten dazu, dass die USA den US Dollar vom Goldpreis entkoppelten und das Bretton-Woods Abkommen 1973 kündigten. Diese Kündigung war ein einschneidendes Ereignis, denn sie war der Auftakt zu einer sagenhaften Verschuldung des amerikanischen Staates, die aktuell 108% des Bruttoinlandsprodukts beträgt. Im Vergleich: Der entsprechende Wert Deutschlands liegt bei 64%.

       Abbildung 12

      Nachdem der amerikanische Staat nach Aufhebung der Goldbindung des US Dollars unter den Präsidenten Nixon, Ford und Carter nach heutigen Maßstäben behutsam mit dem Instrument der Verschuldung umging, kam es ab 1980, d.h. in der Regierungszeit von Ronald Reagan, zu einer Wende. Diese Wende war unter anderem dem Zeitgeist geschuldet. Die stabile wirtschaftliche Grundlage, die aus lange andauernder Friedenszeit bei gleichzeitiger signifikanter Wohlstandssteigerung resultierte, sorgte dafür, dass sich die Einstellung zum Risiko - und im Besonderen auch zu finanziellen Risiken - änderte. In dieser langen Zeit relativer Stabilität setzte sich zunehmend die Meinung durch, dass finanzielle Risiken präzise berechenbar wären.

      Das Capital Asset Pricing Modell (CAPM), das in den 60er Jahren entwickelt wurde, trat seinen Siegeszug an. Es lieferte eine Formel zur Berechnung des Wertes einzelner Wertpapiere unter Berücksichtigung beobachteter Wertschwankungen. Bis heute ist es das weltweit führende Bewertungsmodell für Wertpapiere wie z.B. Unternehmensaktien. Wenn sich finanzielle Risiken derart genau berechnen ließen, wäre es natürlich auch möglich, die Risiken zu neutralisieren. Also könnte man Methoden entwickeln, um risikofreie Rendite zu erzeugen. Allein die Existenz dieser Möglichkeit gab den Startschuss für ein explosives Wachstum der Finanzindustrie, das in den frühen 80er Jahren einsetzte.

      Ein Star dieser Zeit war der Investmentbanker Micheal Milken. Dieser verstand sich darauf, durch den Verkauf hochverzinslicher Schuldverschreibungen (sog. Junk Bonds) riskante Unternehmenskäufe (sog. Leveraged Buy Outs) zu finanzieren. Das hierfür notwendige Kapital bekam er, weil er den Investoren einen hohen Zinssatz zahlte und vorgab, das mit den Transaktionen verbundene Risiko neutralisieren zu können. Da Milken auch tatsächlich über einen längeren Zeitraum praktische Erfolge mit seiner Methode nachweisen konnte, stieg er zum bestbezahlten Wall Street Banker seiner Zeit auf, der bereits in den 80er Jahren jährliche Bezüge von 500 Millionen US Dollar einstrich. 1989 wurde er wegen Insider Trading zu einer 10-jährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Dem Siegeszug der Finanzindustrie tat dies keinen Abbruch.

      Die Zahl neuer, ausgeklügelter Finanzinstrumente, die von Unternehmen der Finanzindustrie angeboten wurde, begann mit großem Tempo zu wachsen. Damit, so meinte man, ließen sich Risiken ausschalten und zukünftige Renditen prognostizieren. Wirtschaft und Wohlstand würden durch Financial Engineering gestaltbar. Betrachtet man die Welt durch diese Linse, besteht jeder Lebenssachverhalt aus Finanzinstrumenten mit einem berechenbaren Risiko und Renditeprofil, das es zu optimieren gilt. Wirtschaftsunternehmen bestehen dann nur noch aus dem Wert ihrer Anteilsscheine und die Aufgabe von Management muss darin bestehen, diesen Wert zu optimieren. Diesem sogenannten „Shareholder Value“ ist alles andere unterzuordnen.

      Wie berechnet man aber den Wert eines Unternehmens? Der hängt von dessen zukünftigen Erträgen ab, und diese lassen sich bei bestem Willen nicht, auch nicht mit den intelligenten Methoden der Finanzindustrie im Voraus bestimmen. Also entwickelte man hierfür wiederum vereinfachende Modelle, die vorgeben, den Unternehmenswert trotzdem jederzeit akkurat berechnen zu können.

      Diese Modelle bestanden aus etlichen Kennzahlen, bei deren Erreichen man von einem hohen Unternehmenswert ausging. In Folge dessen wurde Unternehmensmanagement vielfach auf Kennzahlenmanagement reduziert. Die Stunde von Investmentbankern und Unternehmensberatern hatte geschlagen, die sich aufgrund ihrer „modernen“ Ausbildung mutmaßlich besser als in den einzelnen Branchen ausgebildete Spezialisten, auf die Steigerung von Unternehmenswerten verstanden. Es gibt kaum einen Großkonzern, der heute von diesem Denken nicht in irgendeiner Form beeinflusst ist.

      Fredmund Malik findet für diese Art des ‚Shareholder Value Managements‘ drastische Worte: „Kritiklosnaive Propagierung und Übernahme des US-Modells der Corporate Governance sowie falsche Wirtschaftstheorien haben die geschichtlich größte Fehlsteuerung von Management, Unternehmensführung und Wirtschaft verursacht. Unzählige Consulting- Firmen aller Art und große Teile von Akademia haben zur Verbreitung und Legitimierung falscher Orientierungsgrößen, falscher Strategien und falscher Personalpolitik beigetragen. Ich behaupte, dass praktisch alle Wirtschaftsflops ab Mitte der neunziger Jahre in der einen oder anderen Weise durch die seither entstandene Art der Corporate Governance verursacht wurden. Durch die heutige Corporate Governance-Theorie wurde falsche Unternehmensführung als Best Practice legitimiert, und verbreitet wird sie durch fahrlässiges Consulting, Executive Searching, Governance-Rating, durch Wall-Street Marketing, MBA-Programme und viele Wirtschaftsmedien.“3

      So drastisch das


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