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Weltklasse. Oliver GritzЧитать онлайн книгу.

Weltklasse - Oliver Gritz


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mich bei den Lehrern mit einem derartigen Verhalten nicht. Vor allem unsichere Lehrer fassten das Verhalten, wie ich es an den Tag legte, als persönliche Beleidigung oder als Angriff auf.

      Meine Biologielehrerin teilte meinen Eltern bei einem Elternabend ganz aufgeregt mit, dass ich so desinteressiert an ihrem Fach sei und noch nicht einmal ein Heft führen würde. Ich mochte die Lehrerin zwar nicht besonders, interessant fand ich Biologie trotzdem. Deshalb führte ich sogar ein sehr ordentliches Heft – allerdings nur für mich. Ich stand auf dem eigensinnigen Standpunkt, dass die Lehrerin das nichts anging. Als meine Eltern vom Elternabend nach Hause kamen, weckten sie mich aufgeregt, um den Sachverhalt mit dem Heft zu überprüfen. Total verpennt zeigte ich ihnen mein Heft und durfte in Ruhe weiterschlafen. Wahrscheinlich gaben sie der Lehrerin die Schuld, jedenfalls sprachen wir nie über den Vorfall. Ein anderes Mal hatte ich mit einem Religionslehrer einen Streit, ob Jesus tatsächlich zu Fuß über Wasser gegangen war. Der Lehrer beharrte darauf, was mich maßlos ärgerte. Ich hielt es für ein absolutes Unding, dass Lehrer in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts noch derart altmodische und aus meiner Sicht vollkommen sinnlose Bibelauslegungen vertraten und noch nicht einmal Diskussionen darüber zuließen. Mit all meiner jugendlichen Energie wollte ich das ändern und ging den Lehrer rüde an. Da er nicht nachgeben wollte, verweigerte ich die weitere Teilnahme am Unterricht. Zum Halbjahr gab er mir deshalb eine Fünf auf dem Zeugnis. Es lag gar nicht im Rahmen meiner Möglichkeiten seine Einstellung aufzuweichen, doch aufgeben kam für mich auch nicht in Frage, daher rief ich ihn zu Hause an. Ich teilte ihm mit, dass ich aus dem Religionsunterricht austräte, wenn er die Fünf nicht in eine Vier umwandelte. Darauf ließ er sich nicht ein. Also trat ich aus.

      Derartige Konfrontationen mit Lehrern wiederholten sich in verschiedenen Formen und unterschiedlich starken Ausprägungen in jedem Schuljahr bis zu meinem Abitur zwei oder dreimal. Ich verstand nicht so recht, was los war, sowohl mit der Schule, als auch mit mir. Ich arbeitete gründlich und war diszipliniert, interessierte mich für viele Dinge und setzte mich mit hoher Energie für sie ein. Trotzdem eckte ich immer wieder an. Ich fühlte mich auf eine sehr unangenehme Weise unzulänglich. Ich verstand nicht, warum mir die Anerkennung und das Lob verwehrt blieben. Ich war durchaus in der Lage mich „auf den Hosenboden zu setzen“, doch irgendwie schienen meine Bemühungen nie so recht den Geschmack der Lehrer und meines Umfelds zu treffen, was mir auch entsprechend zurückgespiegelt wurde. Es war ein permanenter Kampf zwischen meinen Ideen und der Realität, der sich auf mehr oder minder starke Weise durch mein ganzes Leben ziehen sollte.

      Ich suchte nach Anerkennung. Dabei war mir jedoch jede Art von Dünkelhaftigkeit, Falschheit, Protzerei und Oberflächlichkeit zutiefst verhasst. Ich wollte mit wahrer Substanz glänzen. Alles andere war mir zu billig.

      Die Helden meiner Jugend waren unser Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt und der Abenteurer Rüdiger Nehberg. An Schmidt schätzte ich die Präzision und Klarheit seines Denkens, seiner Sprache und seiner Handlungen. Ich mochte die Effizienz, mit der er den politischen Prozess managte, sein offenkundiges Interesse am Detail, sein Pflichtbewusstsein und die totale Hingabe an seine Aufgabe. Außerdem teilte ich weitestgehend seine politischen Auffassungen. Rüdiger Nehberg war mein größtes Idol. In meinen Augen war er der lebende Beweis einer eigenständigen Lebensführung. Der ehemalige Bäckermeister Nehberg wurde für mich zu einem Symbol, das zeigte, wie man das Geschenk der Freiheit ideal nutzen kann. Jemand, der nach seinen eigenen Regeln lebt, der stark ist und sich gegen die Widrigkeiten der Realität zur Wehr zur setzen weiß.

      Die literarische Kombination aus Schmidt und Nehberg entdeckte ich in der Figur des amerikanischen Privatdetektivs Phillip Marlowe. Dieser vom Autor Raymond Chandler geschaffene Charakter löste seine Fälle im Los Angeles der 30er, 40er und frühen 50er Jahre des letzten Jahrhunderts. Er war dabei stets mit einer hoch korrupten Umwelt konfrontiert, der er kompromisslos und unter Anwendung moralischer Prinzipien widerstand. Er war ein Wahrheits- und Gerechtigkeitssuchender, was ihm oftmals Nachteile einbrachte. Entsprechend war er chronisch knapp bei Kasse und musste einiges an Schlägen einstecken. Dennoch ging er unbeugsam seinen einsamen Weg, und wenn er einen Fall aufklärte, feierte er dies alleine bei einem Glas Bourbon und einer Schachparty gegen sich selbst.

      Sieht man vom heute nicht mehr zeitgemäßen Alkohol- und Nikotinkonsum ab, war es in der Jugend mein Ziel, so jemand wie Phillip Marlowe zu sein. Jemand der unbestechlich und unbeugsam für Wahrheit, Gerechtigkeit und Vernunft eintritt. Jemand, der sich nicht von Konsum, Prunk und Protz blenden lässt, sondern sich bescheiden, asketisch und fleißig seiner Arbeit widmet und damit hochklassige Ergebnisse abliefert. So und nicht anders wollte ich sein und leben.

      Partys, Small Talk, Klamotten kaufen, Spaßreisen an den Ballermann waren mir ein Greuel. Dadurch machte ich mich zum Außenseiter. Fasziniert las ich das Buch „Der Fänger im Roggen“ von J. D. Salinger. Ich erkannte viele Parallelen zum Helden der Geschichte Holden Caulfield, der mit dem elitären, oberflächlichen Gehabe seiner Umwelt im New York der 40er Jahre hadert, an ihr verzweifelt und letztlich in der psychiatrischen Anstalt landet. Caulfield ist Sohn eines erfolgreichen New Yorker Anwalts. Szenen aus seinem Familienleben erinnerten mich an einige Freunde meiner Eltern, die sich als Teil der gesellschaftlichen Elite wähnten. Der diesen Dünkel ausdrückende Spruch: „Nicht jeder kann zur Elite gehören“, brachte mich innerlich zum Kochen. Was sollte dieser Quatsch? Was außer einem abgeschlossenen akademischen Studium und der Ausübung eines regulären bürgerlichen Berufes war an den Bekannten meiner Eltern denn bitte schön „Elite“?

      Als solche konnte sich damals allenfalls ein Helmut Schmidt oder ein Rüdiger Nehberg bezeichnen, die nach meiner Wahrnehmung tatsächlich Herausragendes leisteten, anderen Menschen halfen und gleichzeitig persönliches Risiko eingingen. Jedoch hatten beide schlichtweg zu viel zu tun, um sich arrogant über andere Menschen zu erheben.

      An den Idealen, die ich meinen Idolen zuschrieb, beurteilte ich mein eigenes Handeln. Was ich damals nicht erkannte, war, wie viel Übung, Ausdauer und Kraft es bedarf, um ein Niveau zu erreichen, das auch nur annähernd an meine Ideale heranreichte. Diesen Idealen näherzukommen, ist eine Lebensaufgabe, die keine Abkürzungen zulässt. Ja, die das Nehmen von Abkürzungen sogar drakonisch bestraft, wie ich auf meinem Lebensweg immer wieder schmerzlich feststellen sollte.

      In den Ferien war ich zumeist auf Reisen. Oftmals mit meiner Familie und ab der Mittelstufe auch alleine im europäischen Ausland. Das machte mir eine riesige Freude. Mein Vater war sehr erpicht drauf, dass mein Bruder und ich während der Schulzeit gut Englisch und Französisch lernten. Deshalb verbrachten wir viele Wochen bei befreundeten Familien in England, Frankreich und später auch in den USA. In der Schule organisierte ich jedes Jahr ein Schulturnier in Handball, Basketball oder einer anderen Sportart, Skifahrten oder Kuchenverkäufe und in der elften Klasse wurde ich zum Schülersprecher gewählt. Ich war also alles andere als desinteressiert, und doch passte meine Art des Engagements nicht zu den Regeln der Schule. Ich erledigte die Dinge nach dem Prinzip Ganz- oder-gar-nicht und das war nicht das, was in der Schule gut ankam. Ich über,- oder unterschritt das Maß. Dass eine Abweichung von der Norm einen Schüler im System Schule zum Außenseiter macht, verstand ich damals allerdings noch nicht.

      Zu lernen, wie man lernen sollte, langweilte mich. Beim Lernen bevorzugte ich mein eigenes Tempo und meine eigenen Themen. Ich interessierte mich für Politik und Geschichte und dabei am meisten für die Beziehungen zwischen Menschen und deren Machtkämpfe. Durch die Beschäftigung mit dieser Thematik und aufgrund meines eigenen ausgeprägten Freiheitsbedürfnisses entwickelte ich eine Leidenschaft für die Ideen der Aufklärung und für unsere freiheitlich demokratische Gesellschaftsordnung. Ich wurde zunehmend ein großer Fan der USA. Sie verkörperten nach meiner Einschätzung die immense Kraft, die eine freiheitliche Gesellschaft entfalteten kann. Nichts symbolisierte für mich diese Kraft mehr als die enorme Skyline von Manhattan, mit deren Bild ich mir eine ganze Wand meines Zimmers tapezierte. Genau wie das Lernen betrieb ich auch Sport in meinem Tempo. Ich turnte und spielte Tennis. Außerdem fuhr ich recht gut und gerne Ski. In keiner Sportart brachte ich es jedoch zu großer Klasse. Deshalb war ich kein begeisterter Wettkämpfer. Ich hatte keine Lust mich mit anderen zu messen, wenn meine Chancen auf einen Sieg oder eine herausragende Leistung gering waren.

      Ich rebellierte nicht offen und lautstark gegen die Systeme Schule, Verein oder Elternhaus, sondern suchte immer wieder nach Wegen abseits von denen,


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