Waidmannsruh. Alexandra BleyerЧитать онлайн книгу.
was a Jaga braucht?«, fragte Sepp den Gschråp. »Einen richtigen Jagahut! Mit dem kannst dir auch nicht weh tun.«
Karl Hartmann lachte, nahm seinen Hut ab und stülpte ihn Valentin über den Kopf; natürlich war er viel zu groß und rutschte ihm gleich einmal über die Augen hinunter. »Jetzt bist a richtiger Jaga!«
»Nit so wie dein Vater«, konnte es sich Sepp nicht verkneifen.
»Schau, Mama, ich bin ein Jaga mit Hut!«
Manuela kam nicht einmal ein Lächeln aus. Sepp musste schmunzeln, denn dem Walter vergönnte er einen schief hängenden Haussegen, und Manuela konnte schon eine richtige Zwiderwurzn sein.
»Valentin, gemma ins Haus. Es ist schon spät, und du musst ins Bett.«
»Aber Mama …«
Manuela schreckte nicht davor zurück, die ultimative Waffe einzusetzen. »Komm, dafür darfst noch ein bisserl fernsehen.«
Karl konnte sich in letzter Sekunde seinen Hut schnappen, so schnell flitzte Valentin an ihm vorbei und zur Tür hinaus.
Walter zuckte mit den Schultern und holte Sackerln mit Chips und Soletti aus einer Bananenschachtel, um sie auf den Tischen zu verteilen. Toni Brugger hatte leider recht: Beim Guggenberger war es geselliger zugegangen; vor allem hatte es beim Hirschfeiern immer was Ordentliches auf den Teller gegeben, ein Hirschgulasch oder zumindest Würstln mit Kraut. Aber sicher keine Chips!
»Habts noch Platz für uns?«, fragte Reini.
»Fralewol!«, kam Irmi Sepp zuvor und rutschte auf der Bierbank ein Stück weiter.
Nur zu gern rückte er auf, und obwohl Dani halb auf Reini saß, wurde es verflixt eng, was Sepp jedoch nicht bekümmerte: Mit Irmi auf Tuchfühlung zu gehen, war in Ordnung. Zufrieden trank er von seinem Radler; selbstverständlich aus der Flasche, denn so einen Drachenbecher würde er nie im Leben benutzen.
Auf einmal ging ein Presslufthammer los, zumindest das Geräusch eines solchen hämmerte durch den Raum und schreckte nicht nur Irmi auf. »Himmel!«
Walter wieherte. »Das ist mein Klingelton. Cool, was?« Er sah kurz auf sein Display, bevor er sein Handy wieder einsteckte. »Der kann warten.«
»Etwas anderes, Sepp«, begann Irmi. »Hast dir schon Gedanken gemacht, wie du deinen Runden feiern willst?«
»Was? Ach. Den muss ich ja erst mal erleben.«
Bis dahin waren es doch noch Wochen! Rasch setzte er die Flasche wieder an.
Dani lehnte sich vor Reini halb über den Tisch und tätschelte Sepps Hand. »Aber, aber, Herr Flattacher. Das werden Sie bestimmt. Sie sind ja noch so gut beinånd.«
Sepp verkutzte sich prompt, was Dani – sie war Krankenschwester – dazu veranlasste, wie vom Blitz getroffen aufzuspringen und ihm Erste Hilfe leisten zu wollen. Sie klopfte ihm rhythmisch zwischen die Schulterblätter.
»Geht’s wieder? Kriegen wir wieder Luft?«, fragte sie überbesorgt.
Kruzitürken! Dani war ein liebes Diandle und passte perfekt zum Reini. Sie hatte eine Engelsgeduld. Aber Sepp fühlte sich in ihrer Gegenwart immer wie neunzig, denn sie behandelte ihn wie die sabbernden, senilen Patienten, mit denen sie Tag für Tag zu tun hatte.
»Ich schon«, schimpfte er genervt. Warum verwendeten Krankenschwestern das völlig unlogische »Wir«? Es erinnerte ihn an den Majestätsplural, und der war ja noch unpassender! »Und ob du Luft kriegst, ist mir wurscht! Lass mich in Ruhe! Noch bin ich nicht bei dir im Heim!«
»Dani wollte dir nur helfen! Du musst deinen Grant nicht an ihr auslassen!«, mischte sich Irmi ein.
»Na, na, der Herr Flattacher meint’s ja nicht böse, ga?« Dani tätschelte ihm die Schulter. Genauso, wie er es immer bei Akko tat. Ihm stellte es die Nackenhaare auf. »Man kann nicht ållweil gut drauf und lustig sein. Emotionen sind okay. Die muss man nicht unterdrücken, das ist nicht gesund.«
Dani wusste gar nicht, was für ein Glück sie hatte, dass Sepp seine Gefühle gerade eisern im Zaum hielt. Sicherheitshalber kniff er die Lippen zusammen, denn was an Worten herausdringen wollte, hätte Irmi garantiert auf die Palme gebracht.
»Haha. Der Sepp wird siebzig«, stieg Toni in das Gespräch ein. »So alt wird ka Sau!«
Karl Hartmann nickte zustimmend. »Ja, und da hat die Irmi schon recht. Du hast ja deinen letzten Runden nicht gefeiert. Und davor den Fünfziger auch nicht, wenn ich mich recht erinnere. Also –«
»Was stellts euch vor? Dass ich so eine Party schmeiß? Bei jedem Leichenschmaus ist a größere Gaude!«
Er klaubte eine unwillkommene Luftschlange von seiner Schulter und stieß ein verächtliches Schnauben aus. Einfach nur erbärmlich war es.
Außerdem war ein Geburtstag auch nicht anders als jeder andere Tag im Jahr.
»Feiern könnts ohne mich.«
Karl schüttelte bedächtig den Kopf. »Nein. Nein, so geht das nicht. Als Ehrengast musst du schon dabei sein bei deiner eigenen Feier.«
»Wissts was, wartets einfach auf mein Begräbnis. Dann bin ich auch dabei, aber ich muss mir wenigstens nicht mehr anhören, was ihr für einen Schas daherredets!«
Da sich Vinzenz auch bereits verabschiedete, schloss Sepp sich an und rief ein angefressenes »Pfiat eich« in die Runde. Mit Akko allein zu Hause fühlte er sich eindeutig wohler.
Er war schon in sein Auto gestiegen, als er Walter ins Freie laufen sah. Der hatte es aber nicht auf Sepp abgesehen, sondern auf Vinzenz. Ihn dürften die beiden glatt übersehen.
»Warte, ich habe etwas für dich! Vom Hirsch.«
Ein Friedensangebot? Das hätte Sepp vom Liebetegger wirklich nicht erwartet.
Auch Vinzenz blieb sichtlich überrascht stehen und ließ sich von Walter einen fleischigen, kleinen Klumpen in die Hand drücken.
Sepp konnte, obwohl nur wenige Meter entfernt, nicht erkennen, was genau es war; das Filet dürfte es aber nicht sein. Dank der noch offen stehenden Fahrertür drangen Walters Worte klar zu ihm.
»Die Brunftkugeln vom Hirsch. Steck sie dir in die Hose, damits wenigstens einmal Eier hast.«
Es war zum Fremdschämen. Vinzenz hatte nicht den Schneid, dem Walter die Brunftkugeln mitten ins Gesicht zu klatschen, was der verdient hätte. Stattdessen drehte er sich wortlos um und schlich wie ein geprügelter Hund auf die Straße hinaus. Walter sah ihm mit einem überheblichen Grinsen hinterher.
Sepp atmete tief durch. Eindeutig, Irmis friedensstiftende Aktion von vorhin war für den Hugo gewesen.
Da musste Sepp ran.
5
Vinzenz schloss leise die Wohnungstür hinter sich und ging als Erstes ins Badezimmer, wo er sich die Hände sehr lang und sehr ausgiebig wusch und zusätzlich noch Desinfektionsmittel benutzte. Er hatte die Brunftkugeln zwar noch bei Walters Haus – also nicht in dessen Garten, wo der sie hätte finden können – in weitem Bogen weggeworfen, aber das Gefühl derselben auf seiner Haut wurde er nicht so schnell los.
Dankbar war er nur dafür, dass niemand Zeuge seiner Demütigung geworden war. Wenn Walter das vor allen anderen gemacht hätte, dann … Er wich seinem eigenen Blick im Spiegel aus.
Im Flur versetzte er seinem Jagarucksack einen wütenden Tritt; seine Kamera kullerte heraus.
Wohl um sich selbst zu quälen, hob er sie auf und drückte auf Play. Auf dem Display erschien der Hirsch. Ganz leise hörte man die Motorengeräusche, und da, im Hintergrund, sah man Walters Auto, wie es stehen blieb.
Walters Auto!
Vinzenz sprang auf. Er hetzte ins Wohnzimmer, wo er in der Ecke ein privates Homeoffice eingerichtet hatte, und fuhr seinen PC hoch. Für die Übertragung der Datei brauchte er doppelt so lang wie sonst, so zittrig war seine Hand, die die