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Der böse Trieb. Alfred BodenheimerЧитать онлайн книгу.

Der böse Trieb - Alfred Bodenheimer


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Sonntag. Und gegen 22 Uhr machte er sich auf den Heimweg. Das würde zeitlich noch hinkommen, dann wäre er kurz nach 23 Uhr in Inzlingen gewesen, und Viktor wurde irgendwann zwischen 22 Uhr und Mitternacht umgebracht. Aber Herr Moser hatte 1,9 Promille intus und fuhr schon gleich nach Hinterzarten in einen Pfosten. Auto futsch, Ausweis futsch, mindestens eine hohe Ordnungsbuße, die auf ihn wartet. Ich möchte in seiner Haut nicht stecken. Aber die Nacht hat er nachweislich in einer Ausnüchterungszelle verbracht. Dieses Alibi ist nicht zu toppen. Das weiß übrigens Frau Ehrenreich inzwischen auch.«

      Dagegen gab es nichts einzuwenden, musste Klein zugeben. Dennoch hatte er Zweifel an der Professionalität, mit der hier vorgegangen wurde.

      »Ich habe gehört, Sie schließen ein antisemitisches Hassverbrechen praktisch aus. Weil es nie Drohungen in der Art und keine Form von Bekennerschaft gab. Aber kann man das einfach ausschließen, wenn der einzige jüdische Bewohner eines Dorfes umgebracht wird?«

      »Herr Rabbiner«, übernahm Unmüßig wieder, und der Respekt in seiner Stimme klang irgendwie schmierig. »Wir ermitteln in alle Richtungen. Aber bevor wir es dazu kommen lassen, dass die Weltpresse den Blumenacker in Inzlingen belagert, arbeiten wir mit Wahrscheinlichkeiten. In der Pressemitteilung über den Mord haben wir erklärt, dass ungeachtet der Zugehörigkeit des Toten zum Judentum ein antisemitisches Motiv kaum in Betracht kommt, sondern im privaten Umfeld ermittelt wird. Das hat mir vom Landeskriminalamt einen kräftigen Rüffel eingebracht, weil es angeblich Tatsachen vorwegnimmt, die überhaupt nicht gesichert seien. Aber genau deshalb will ich, dass wir hier in Lörrach diesen Fall bearbeiten. Denen in Freiburg oder gar in Stuttgart ist es egal, wenn unsere Stadt plötzlich in Israel und den USA als Nazi- oder Islamistennest präsentiert wird, ohne dass es dafür auch nur irgendeinen Hinweis gibt. Solcher Druck verkompliziert nur die Ermittlungen, und die sind schon schwierig genug. Aber«, sagte er unvermittelt, »zurück zu Frau Ehrenreich. Wie Sie wissen, war sie verreist, als der Mord geschah.«

      »Ja«, sagte Klein. »Genau deshalb verstehe ich nicht, warum Sie dauernd nur von ihr sprechen.«

      »Sie wissen womöglich auch, wo sie war.«

      »Vietnam, sagte sie mir.«

      »Sie sind wirklich ausgezeichnet informiert, Herr Rabbiner.«

      Wieder ein geräuschvoller Schluck aus der dampfenden Tasse.

      »Womöglich wissen Sie auch, warum sie nach Vietnam gefahren ist.«

      »Nein. Keine Ahnung. Ehrlich.«

      Warum hatte er »ehrlich« gesagt?, fragte er sich im selben Moment. Fühlte er sich schon so in die Ecke gedrängt, dass er Angst hatte davor, man würde ihm nicht glauben, wenn er etwas verneinte?

      »Sie haben sie nicht gefragt?«

      »Ich bin schließlich nicht die Polizei. Ich fuhr zwei Tage nach ihrer Rückkehr zu ihr, um ihr etwas seelsorgerlichen Halt zu geben, nicht um sie auszufragen.«

      »Nachvollziehbar«, sagte Anke Frowein, und ihr Chef nickte bedeutungsschwer.

      Es herrschte ein Moment Schweigen.

      »Ja, und warum ist sie hingefahren?«, fragte nun Klein ungeduldig.

      »Fragen Sie sie«, sagte Unmüßig.

      Klein war stinksauer, aber er spürte eine starke Hemmung, sich weiter mit Unmüßig anzulegen.

      »Das Einzige, was ich weiß, ist, dass sie früher als geplant zurückkam.«

      Unmüßig rutschte ruckartig auf seinem Stuhl nach vorne und stützte die Ellbogen auf den Tisch.

      »Das ist interessant. Das wissen Sie also. Wissen Sie auch, wie viel früher?«

      »Nein. Sie sagte, sie sei etwas früher als geplant zurückgekommen. Aber nicht, wann sie die Rückkehr ursprünglich geplant hatte.«

      »Auch gut.«

      »Was heißt, auch gut? Das alles klingt für mich danach, dass Sie da einen monströsen Verdacht gegen Sonja Ehrenreich aufbauen, ohne auch nur im Geringsten Anhaltspunkte dafür zu benennen.«

      »Ein Verdacht ist nie monströs. Monströs ist allenfalls die Tat«, erklärte Unmüßig in belehrendem Ton und lehnte sich wieder in seinem Stuhl zurück. »Wir bauen auch gar nichts auf. Aber es gibt Ungereimtheiten, Unklarheiten. Wir werden dafür bezahlt, ihnen nachzugehen. Und dass wir nicht alle unsere Erkenntnisse mit Ihnen teilen, das muss ich Sie freundlich bitten zu akzeptieren.«

      »Aber Sie können sich doch nicht im Ernst vorstellen, dass jemand wie Frau Ehrenreich mit einer Pistole nach Hause kommt und ihren Mann niederstreckt. Bleiben da nicht überhaupt Partikel auf der Haut, wenn jemand geschossen hat? Das müsste man doch als Erstes untersuchen.«

      »Sie meinen Schmauchspuren. Glauben Sie, das LKA hätte daran nicht gedacht? Aber wie Sie vielleicht wissen, trägt Frau Ehrenreich seit Jahren durchgehend Handschuhe, zu Hause, bei der Arbeit, überall. Und lange Ärmel. Angeblich eine Kontaktallergie oder so was. Jedenfalls, Handschuhe lassen sich, im Gegensatz zur Haut, leicht entsorgen. Und glauben Sie mir: Jeder, absolut jeder ist in bestimmten Situationen zu so etwas fähig. Aber wenn Sie jetzt meinen, dass vielleicht eine Verhaftung von Frau Ehrenreich kurz bevorstünde, dann irren Sie sich. Es gibt eben … Ungereimtheiten. Und wir haben gedacht, vielleicht können Sie uns da ein bisschen weiterhelfen.«

      »Was offenbar nicht der Fall war«, sagte Klein gereizt.

      »Noch nicht«, sagte Unmüßig. »Aber wir würden Sie gerne bitten, künftig ein bisschen genauer hinzuhören, wenn Sie mit Frau Ehrenreich zu tun haben. Da Sie nun wissen, dass es Ungereimtheiten gibt, und Frau Ehrenreich vermutlich indirekt darauf ansprechen werden, fallen Ihnen vielleicht Dinge auf, die uns noch nicht aufgefallen sind.«

      »Ich soll Frau Ehrenreich aushorchen?«

      »Wieso aushorchen? Sie sollen darauf achten, falls sich das aus den Gesprächen mit ihr ergibt, ob die Ungereimtheiten sich verdichten. Und uns das melden. Wir haben den gesetzlichen Auftrag, Viktor Ehrenreichs Ermordung aufzuklären. Das ist doch unser aller Ziel und Aufgabe, nicht wahr?«

      Unmüßig griff in eine Schublade und schob eine Visitenkarte über den Tisch. Klein steckte sie zögernd ein.

      Sofort änderte Unmüßig wieder den Ton, wurde leutselig wie vor Beginn des Gesprächs und begann einen ziemlich langen Sermon darüber, welcher Kampf es gewesen sei, denen da in Freiburg Paroli zu bieten und in dieser Mordsache nicht von den Technofuzzis in der Zentrale, sondern hier vor Ort, natürlich mit der notwendigen Unterstützung aus dem Hauptquartier, ermitteln zu lassen. Das sei wohl vor seiner Pensionierung noch die letzte große Kiste, und er werde alles tun, um es denen zu zeigen, den Großkopfeten, die sie hier in Lörrach zu Bußzettelverteilern degradieren wollten. Man würde dem Landeskriminalamt schon noch zeigen, dass Kenntnis von Ort und Leuten mindestens so wichtig seien wie irgendwelche hypermodernen Laboratorien. Natürlich, die nähmen sie auch in Anspruch, aber alles in Maßen. Er habe in Freiburg hingegen schon Verhören beigewohnt, dass sich Gott erbarme …

      »Herr Unmüßig, ich muss«, sagte Klein und tippte leicht auf seine Uhr.

      »Oh natürlich, ich halte Sie schon viel zu lange auf. Tut mir übrigens wirklich leid, dass ich Ihnen die Rückfahrt im Jaguar Ihres Bekannten vermasselt habe. Frau Frowein bringt Sie zum Lift. Und auch wenn es selbstverständlich ist: Über den Inhalt dieses Gesprächs bewahren Sie bitte unbedingt Stillschweigen.«

      Klein wollte sagen, er finde allein hinaus, rückte aber davon ab, da er das Gefühl hatte, Frau Frowein damit zu beleidigen.

      »So, diesmal schaff ich’s«, sagte sie denn auch, bevor er in den Lift trat, und streckte ihm mit einiger Anstrengung ihre Hand entgegen.

       Weil unser Land so voller Reichtümer ist, sind wir so arm.

       Wer hat das gesagt?

       Jemand, den ich im Kongo kennengelernt habe. Einer, der zu kämpfen versucht. Vor allem für die Kinder.

       Man hört


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