Monsieur Violet's Reisen und Abenteuer in Californien, Sonora und dem Westen von Texas. Фредерик МарриетЧитать онлайн книгу.
der Indianer, um nicht mit Bewunderung aufgenommen zu werden. Der alte Mann setzte sich nieder, worauf sich ein Anderer erhob, um gleichfalls zu sprechen:
„Der grosse Häuptling hat gesprochen; sein Haar ist weiss wie der Flaum des Schwans; seiner Winter sind viele gewesen; er ist weise. Warum sollte ich nach ihm sprechen, da seine Worte wahr sind? Der Manitou hat meine Ohren und meine Augen berührt, als er redete (und er redete wie ein Krieger); ich hörte sein Kriegsgeschrei. Ich sah die Umbiquas in die Sümpfe eilen und wie schwarze Schlangen sich unter das Gebüsch verkriechen. Ich erspähte dreissig Skalps an seinem Gürtel; seine Beinkleider und Moccassins waren genäht mit dem Haar der Wallah Wallahs.1)
„Ich sollte nicht sprechen; ich bin noch jung und habe keine Weisheit; meine Worte sind wenig, ich sollte nicht sprechen. Aber in meinem Gesichte hörte ich einen Geist; er kam herauf mit den Lüften und drang in mein Inneres.
„Nanawa ist mein Vater, der Vater von uns Allen; er liebt uns, wir sind seine Kinder. Er hat einen grossen Krieger der Blassgesichter mit sich gebracht, der ein mächtiger Häuptling war in seinem Stamme; er hat uns einen jungen Häuptling gegeben, der ein grosser Jäger ist; in wenigen Jahren wird er ein grosser Krieger seyn und unsere Jünglinge in den Kriegspfad führen auf die Ebenen der Wachinangoes.2) Der Owato Wanisha3) ist ein Shoshone, obgleich seine Haut blässer ist, als die Blüthe der Magnolie.
„Nanawa hat uns auch zwei Makota Konayas4) gegeben, unsere Jünglinge Weisheit zu lehren; ihre Worte sind süss, sie sprechen zum Herzen; sie wissen Alles und machen die Menschen besser.
„Nanawa ist ein grosser Häuptling und sehr weise; was er sagt, ist recht — was er wünscht, muss geschehen, denn er ist unser Vater und gab uns Kraft, unsere Feinde zu bekämpfen.
„Er hat Recht: die Shoshonen müssen ihre Wohnungen gefüllt haben mit Mais und Tabak. Die Shoshonen müssen stets bleiben, was sie sind und was sie waren — ein grosses Volk. Doch der Häuptling von vielen Wintern hat es gesagt; die Igel und die Füchse mögen die Erde aufwühlen, aber die Augen der Shoshonen sind immer ihren Feinden zugekehrt in den Wäldern oder den Büffeln in den Ebenen.
„Dennoch soll der Wille von Nanawa geschehen, aber nicht durch einen Shoshonen. Wir wollen ihm geben genug Weiber und Hunde; wir wollen ihm Sklaven bringen von den Umbiquas, den Cayusen und den Wallah Wallahs. Sie sollen den Mais und den Tabak pflegen, während wir jagen oder weitere Sklaven holen, sogar bis in den grossen Gebirgen, oder bei den Hunden des Südens, den Wachinangoes. Ich will die Cochenille5) schicken meinen jungen Kriegern; sie werden ihr Gesicht bemalen und mir folgen auf den Kriegspfad. Ich habe gesprochen!“
Ein solches Ende hatten die Hoffnungen, das wilde Volk, unter dem wir lebten, zum Ackerbau heranzubilden; es nahm mich übrigens nicht Wunder; denn so, wie sie waren, fühlten sie sich glücklich. Was hatten sie auch sonst noch nöthig ausser ihren reinlichen, kegelförmigen Hütten aus Fellen, ihrem guten, gemächlichen und hübschen Anzug, und ihren hübschen, tugendhaften und treuen Weibern? Hattten sie nicht ein unbegränztes Feld auf den Prairieen vor sich? Waren sie nicht die Herren über Millionen von Elendthieren und Büffeln? — Sie bedurften nichts, als Tabak. Und doch war es Schade, dass es uns nicht gelang, ihnen Geschmack an der Civilisation beizubringen. Sie waren von Natur Gentlemen — wie überhaupt fast alle Indianer, wenn sie nicht dem Trinken ergeben sind, hatten eine sehr gute Erziehung und trugen das unzweideutige Siegel des Adels auf ihrer Stirne.
Die Berathung wurde abgebrochen, da sowohl die christlichen als politischen Grundsätze des Fürsten Seravalle unmöglich dem Gedanken Raum geben konnten, die Sklaverei auszudehnen. Er beugte sich demüthig unter den Willen der Vorsehung und bemühte sich, durch andere Mittel das hohe Ziel zu erreichen, den Geist dieser reinen, edlen Wilden zu erleuchten.
Drittes Kapitel.
Diese zeitweilige Auflösung unserer landwirtschaftlichen Niederlassung fiel in’s Jahr 1838. Bis dahin hatte ich, die letzten paar Monate ausgenommen, meine Zeit ausschliesslich unter meine civilisirten und uncivilisirten Lehrer getheilt. Trotz meiner besseren Bildung war ich aber doch ein Indianer, nicht nur in meinem Anzuge, sondern auch in meinem Herzen.
Ich habe bereits erwähnt, dass ich bei der von dem Fürsten zusammenberufenen Berathung anwesend war, da ich bereits unter die Häuplinge gehörte, obgleich ich erst siebenzehn Jahre zählte. Meine Aufnahme wurde durch folgenden Fall veranlasst.
Als wir Kunde von der Ermordung oder dem Verschwinden der sieben Weissen erhielten, welche der Fürst zu Beischaffung von Vieh nach Monterey geschickt hatte, wurde ein Haufen abgesandt, um der Spur der Vermissten zu folgen und auszukundschaften, was aus ihnen geworden sey. Auf meine Bitte wurde der Befehl über diesen Streifzug mir anvertraut.
Wir setzten über die Buona-Ventura und verfolgten die Fährte unserer Weissen zweihundert Meilen weit aufwärts; nun aber verloren wir dieselbe und fanden mit einemmale unser nur aus fünfzehn Mann bestehendes Häuflein von ungefähr achtzig Krähen, unsern unversöhnlichen Feinden, umringt.
Durch List gelang es uns, nicht nur durchzubrechen, sondern auch sieben der Gegner zu überrumpeln. Meine Begleiter wollten sie auf der Stelle tödten, was ich aber nicht zugab; wir banden sie daher auf ihre eigenen Pferde fest und beeilten uns, so gut wir konnten, obschon die Krähen uns entdeckt hatten und Jagd auf uns machten. Wir hatten fünfzehn Tage zu reisen, bis wir wieder in der Heimath anlangten, und wurden von einem Feinde verfolgt, der uns an Zahl sieben- oder achtmal überlegen war. Durch listige Wendungen, bei denen ich nicht verweilen will, und die Güte unserer Pferde gelang es uns, ihnen zu entwischen und unsere Gefangenen wohlbehalten in die Ansiedelung zu bringen. Zum Kampfe war es nun allerdings nicht gekommen, aber Gewandtheit gilt gleichfalls als eine gute Eigenschaft. Ich wurde daher bei meiner Rückkehr unter die Häuptlinge aufgenommen und erhielt den indianischen Namen Owato Wanisha oder Geist des Bibers, durch den meine Schlauheit und Hurtigkeit angedeutet werden sollte. Damit jedoch der Rang eines Kriegerhäuptlings auf mich übertragen werden könne, war es durchaus nöthig, dass ich mich auf dem Schlachtfelde ausgezeichnet hatte.
Ehe ich in meiner Erzählung fortfahre, muss ich Einiges über meine Lehrer, die Missionäre, bemerken. Der Jüngste davon, Polidori, ging mit der Esmeralda zu Grunde, als er von Monterey Vieh holen wollte; die Anderen waren der Padre Marini und Padre Antonio — beide sehr talentvolle und gelehrte Männer. In den asiatischen Sprachen waren sie ungemein bewandert, und mit Entzücken folgte ich ihren Untersuchungen und den verschiedenen Theorien, welche sie in Betreff einer frühen Auswanderung der Indianer über das stille Weltmeer aufstellten.
Beide waren geborene Italiener. Sie hatten viele Jahre unter den westlich vom Ganges wohnenden Völkern zugebracht und waren in ihrem vorgerückten Lebensalter nach dem sonnigen Italien zurückgekommen, um in der Nähe des Ortes zu sterben, wo sie einst als Kinder spielten. Als sie jedoch mit dem Fürsten Seravalle zusammentrafen und von den wilden Stämmen hörten, unter denen er gelebt hatte, so hielten sie es für ihre Pflicht, denselben das Evangelium zu bringen und sie zu unterrichten.
So traten diese edlen Männer — alt, hinfällig und mit einem Fusse schon im Grabe — auf’s Neue der Mühesal und Gefahr entgegen, um unter den Indianern die Religien der Liebe und des Erbarmens zu verbreiten, deren Dienste sie sich geweiht hatten.
Bei den Shoshonen waren jedoch ihre Bekehrungsversuche vergeblich, denn die Indianer haben einen ganz eigenen Charakter. Falls sie nicht leidend sind oder unterdrückt werden, mögen sie auf das nicht hören, was sie „die glatten Honigworte der Blassgesichtweisen“ nennen, und wenn es doch einmal geschieht, so fechten sie jedes Dogma, jeden Glaubenspunkt an und bleiben unüberzeugt. Die Missionäre beschränkten sich deshalb mit der Zeit darauf, Werke der Barmherzigkeit zu üben, indem sie durch ihre ärztlichen Kenntnisse den Kranken Beistand leisteten und durch moralische Lehren den ungestümen, bisweilen grausamen Charakter dieses wilden, ununterrichteten Volkes milderten.
Zu den Vortheilen, welche die Shoshonen unseren Missionären verdankten, gehörte auch die Einführung der Vaccination. Anfangs waren sie freilich sehr misstrauisch dagegen und leisteten sogar heftigen Widerstand; endlich gewann aber doch die Einsicht der Indianer die Oberhand, und ich glaube nicht, dass nach unserer Ansiedelung auch nur Ein Shoshone