Monsieur Violet's Reisen und Abenteuer in Californien, Sonora und dem Westen von Texas. Фредерик МарриетЧитать онлайн книгу.
jahrelanger Kummer lastete schwer auf ihm und er fühlte sich elend. Ehe er sich der Abgeschiedenheit des mönchischen Lebens hingab, verbrachte er seine Zeit in der Gesellschaft eines jüngern Bruders, den er sehr liebte. Der junge Mann, welcher Medicin studirte, besass schöne Anlagen und verband mit denselben einen Fleiss, der ihn in seinem Berufe vorwärts zu bringen versprach. Als Marini in’s Kloster ging, begab sich sein Bruder nach der Türkei, wo Aerzte stets eine gute Aufnahme zu finden hoffen dürfen, und liess lange nichts von sich hören. Der Mönch war eben im Begriffe, nach einem fernen Missionsposten abzugehen, als er endlich die Kunde erhielt, welche so zerstörend auf seinen Seelenfrieden wirkte.
Sein Bruder war nämlich von Konstantinopel aus nach Persien gegangen, wo er in sehr angenehmen Verhältnissen lebte; der Ehrgeiz hatte ihn jedoch veranlasst, den Glauben seiner Väter abzuschwören und ein Anhänger Mohameds zu werden. Das war eine sehr traurige Nachricht, über welche der Mönch viele Thränen vergoss. Im ersten Jahre seines Aufenthalts zu Hurdwar traf er mit einem jüdischen Kaufmann zusammen, der eine persische Karavane begleitet hatte. Dieser Mann kannte seinen abtrünnigen Bruder, und theilte dem Padre mit, derselbe sey in Ungnade gefallen und führe nun zur Strafe für seine Apostasie ein Leben voll Elend und Entbehrungen.
Der Mönch schickte nun innige und glühende Gebete zum Himmel, flehte um Vergebung für seinen Bruder und opferte für dessen Seelenheil seine Bussübungen auf. Der arme Mann! er dachte, wenn er ihn nur sehen und sprechen könnte, so würde es ihm gelingen, ihn in den Schooss der Kirche zurückzuführen; aber ach! sein Beruf fesselte ihn an Hurdwar, das er nicht verlassen durfte. Eines Tages — es war zur Zeit der Messe — wandelte er fern von dem Flusse hin, um die Verblendung des Heidenthums nicht ansehen zu müssen, und sein Geist war im Gebete vertieft. Da schlugen mit einemmale ungewöhnliche Tone an seine Ohr — wohlbekannte Töne, die ihn an seine Heimath, an das schöne Italien erinnerten. Sie kamen aus einer kleinen Hütte, die nur zehn Schritte von ihm entlegen war. Die Scenen vergangener Tage tauchten in seiner Erinnerung auf, und sein Herz fing an ungestüm zu pochen. Der Mönch erkannte eine Barcarole, die er oft in jüngeren Tagen gesungen hatte; aber obgleich die Weise lebhaft war, klang doch die Stimme traurig und wehmüthig. Er trat leise näher und stellte sich an den Eingang der Hütte. Der Fremde fuhr zusammen und erhob sich! Die Trennung hatte lange gewährt; aber weder die gefurchten Wangen und das blasse Antlitz des Einen, noch der Turban des Andern konnte sie täuschen — die beiden Brüder sanken sich in die Arme.
Bei ihrer Rückkehr zählte die persische Karavane einen Treiber weniger, denn der Renegat lag auf seinem Sterbebette in der bescheidenen Wohnung seines Bruders. Abermals ein Christ und auf’s Neue versöhnt mit seinem Gotte, harrte er ruhig der Abberufung nach einer besseren Welt. Während einer zweiwöchigen Krankheit bereute er seine Verirrung und flehte um Erbarmen. Nach seinem Tode begrub der Mönch in derselben kleinen Schasminlaube, wo er den Muselmann gefunden hatte, den zum Christenthum zurückgekehrten Bruder, setzte ein Kreuz auf sein Grab und trauerte lange um ihn; aber eine schwere Last war von seiner Brust genommen und seit der Zeit hatte er sich wieder glücklich gefühlt, denn jetzt bedrückte nichts mehr seinen Geist, was ihn in der Ausübung seines heiligen Dienstes hätte hindern können.
Nachdem mir der Padre Marini diesen Abschnitt aus seiner Lebensgeschichte erzählt hatte, wünschte er mir gute Nacht und wir schickten uns zur Ruhe an. Ich ging nach dem Boote, in welchem ich mich ausstreckte, das Gesicht dem funkelnden Gewölbe über mir zugekehrt, und stellte Betrachtungen über die Erzählung des Mönchs an, bis ich endlich einschlief.
Sechstes Kapitel.
Es fröstelte mich und ich erwachte. Es war bereits Tag. Ich stand auf und blickte umher, musste aber finden, dass ich in hoher See schwamm, weit ab von der Küste, deren Umrisse von den goldenen Farben des Morgens gesäumt wurden. Das Tau und der Pfahl, an welchem ich das Boot festgemacht hatte, schleppte im Wasser hinten nach, während mich der sanfte Landwind mehr und mehr von dem Gestade entfernte. Eine Weile war ich ziemlich verschüchtert; die Ruder lagen am Lande, und ich hatte kein Hülfsmittel, meinem kleinen Nachen eine erwünschte Richtung zu geben.
Vergeblich ruderte ich mit den Händen und mit dem Pfahle, den ich an Bord genommen hatte. Ich wandte mich um und um, nach allen Richtungen des Kompasses, aber vergeblich. Endlich begann ich nachzudenken. Die See war glatt und ruhig, folglich keine unmittelbare Gefahr vorhanden. Wenn der Padre am Morgen erwachte, so musste er natürlich meinen Unfall entdecken und sah auch vielleicht das Boot; er eilte dann nach der Stadt, konnte aber freilich nicht vor Abend dort anlangen, denn er war ein alter Mann, und der Weg betrug ungefähr fünfundzwanzig Meilen. Dann wurden mir Boote nachgeschickt, vielleicht sogar der mexikanische Schooner, der in der Bay war. Am nächsten Morgen durfte ich zuversichtlich auf Rettung hoffen, und das grösste Unglück, das mir somit begegnen konnte, bestand in dem Fasten und in der Einsamkeit eines Tages. Dies schlug ich übrigens nicht hoch an; ich fügte mich deshalb in mein Schicksal und machte aus der Noth eine Tugend. Zum Glück für mich gehörte das Boot einem Amerikaner, der ein grosser Freund von Fischen war, und enthielt daher viele Gegenstände, die ich zuvor übersehen hatte. Zwischen dem vordersten Dost und dem Bug befand sich eine halb mit Asche gefüllte Tonne, daneben lagen einige Stücke Steinkohlen und etwas, dürres Holz; unter den Sternschoten stand ein kleiner Schrank, in welchem ich eine Bratpfanne, eine Salzbüchse, einen zinnernen Napf, einen Topf mit Honig und einen zweiten mit Bärenfett, endlich einige Kräuter fand, die von den Californiern statt des Thees benützt werden. Zum Glück waren der Wasserkrug, meine Fangleinen und die Köder von rothem Flanell und weisser Baumwolle gleichfalls an Bord. Ich warf die letzteren aus und schickte mich, an, mein Cigarito zu rauchen. In diesen Gegenden führt nämlich Jedermann Stein, Stahl, Schwamm und Tabak bei sich.
So entschwanden mir die Stunden. Da meine Fischerei gut von Statten ging, so zündete ich ein Feuer an und briet mir einige schöne Makrelen; aber nachgerade erreichte die Sonne ihre höchste Höhe und die Hitze wurde so unerträglich, dass ich weine Kleider, sogar auch mein Hemde ausziehen und über die Bänke breiten musste, um Schutz zu erhalten. Mittlerweile hatte ich das Land ganz aus dem Gesichte verloren und konnte nur hin und wieder einige kleine schwarze Punkte, die Spitzen der hohen Fichten, bemerken.
Sobald mein Mahl beendigt war, machte ich ein Schläfchen; ich weiss indess nicht, wie es kam, denn statt der anständigen zwei Siesta-Stunden, die der Spanier zu Verdauung seines Diners als Tonicum braucht, wachte ich erst um Sonnenuntergang wieder auf, und auch da nur deshalb, weil ich eine Bewegung zu fühlen begann, die nichts weniger als angenehm war. In der That begannen auch die Wellen sich in scharfen, schaumbedeckten Zacken zu heben, und die milde Landbrise hatte sich in einen kühlen, scharfen Westwind umgewandelt.
Die günstige Richtung des Windes war indess ein Trost, und während ich meine Kleider anlegte, begann ich zu erwägen, dass unter einem zweckmässigen Gebrauch des Steuers und durch meine aufrechte Stellung im Boote mein Körper gewissermassen als ein kleines Segel dienen könnte. Da hörte ich auf der Backbordseite meines Bootes wohl zwanzig Stimmen ein „Hi, hi, hi!“ brüllen. Wie man sich denken kann, fuhr ich erstaunt zusammen, und als ich mich umwandte, bemerkte ich fünfzig Ellen vor mir ein grosses, von zehn Rudern bewegtes Boot vor den Wellen treiben. Es war mit Leuten, Fässern und Tonnen ungefüllt, und Einer am Steuer gab Signale, augenscheinlich, um mich zum Haltmachen einzuladen. Ein paar Minuten später waren wir dicht neben einander, und ich darf wohl behaupten, dass unser Erstaunen gegenseitig war — das ihrige, weil sie mich allein und ohne Ruder sahen, das meinige, weil ich ein so jammervolles Schauspiel erblicken musste. Sie bildeten augenscheinlich die Mannschaft eines gescheiterten Schiffes und mussten, ihrem Aussehen nach, furchtbare Anstrengungen und Entbehrungen durchgemacht haben. Mein steinerner Krug war voll; ich händigte ihn dem Manne am Ruder ein, welcher der Kapitän zu seyn schien; aber die biedere, wohlwollende Seele goss ein wenig Wasser in den Napf und reichte ihn zuerst allen seinen Begleitern, ehe er selbst kosten wollte. Der Krug mochte ein paar Gallonen enthalten, war aber natürlich bald geleert.
Ich gab ihnen eine gebratene Makrele, die ich für mein Nachtessen aufbewahrt hatte, und die Leute händigten sie dem Kapitän ein, der sie, trotz seiner edelmüthigen Weigerung, sogleich essen musste. Dies bemerkend, zeigte ich ihnen neun oder zehn andere frische Fische, von denen ein paar sehr gross waren, und bedeutete ihnen, sie sollten dieselben kochen. Sie sangen und lachten: ja wohl da, Fisch kochen! Nein, es bedarf einer