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Professor Unrat. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Professor Unrat - Heinrich Mann


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das ist es an­de­rer­seits frei­lich nicht, wes­halb ich kom­me«, er­klär­te Un­rat.

      »Herr Pro­fes­ser, ’na­bend, Herr Pro­fes­ser«, sag­te die Frau von der Schwel­le her und knicks­te. »Was stehst du da in ’n Schum­mern mit Herrn Pro­fes­ser, Jo­han­nes, lass ihm doch rein. Herr Pro­fes­ser, wenn Sie es man nich übel­neh­men, dass wir uns’ Mett­wuß es­sen.«

      »Das liegt mir ganz und gar fern, gute Frau.«

      Un­rat ent­schloss sich zu ei­nem Op­fer.

      »Meis­ter Rind­fleisch, ich un­ter­bre­che un­gern Ihr Mahl, aber ich ging gra­de vor­bei, und da kam mir der Ge­dan­ke, dass Sie mir – auf­ge­merkt nun also! – ein Paar Stie­fel an­mes­sen sol­len.«

      »Zu die­nen, Herr Pro­fes­ser«, und die Frau knicks­te, »zu die­nen.«

      Rind­fleisch be­dach­te sich; dann ver­lang­te er die Lam­pe.

      »Denn sit­ten wi jä all’ in’n Dus­tern bi’n Ee­ten«, be­merk­te die Frau hei­ter. »Nöh, Herr Pro­fes­ser, kom­men Sie man rein, ich mach Licht für Ih­nen in der blau­en Stu­be.«

      Un­rat war­te­te, bis Frau Rind­fleisch hin­aus war. Als er den Schuh­ma­cher hin­ter ge­schlos­se­ner Tür und recht in sei­ner Ge­walt hat­te, setz­te er ein.

      »Vor­wärts denn also, Meis­ter, jetzt heißt es zei­gen, dass Sie, der Sie ei­ni­ge klei­ne­re Ar­bei­ten zur Zufrie­den­heit des Leh… – zu mei­ner Zufrie­den­heit be­werk­stel­lig­ten, auch ein recht bra­ves Paar Stie­fel schaf­fen kön­nen.«

      »O ja, Herr Pro­fes­ser, o o oh ja«, er­wi­der­te Rind­fleisch de­mü­tig und be­flis­sen wie ein Pri­mus.

      »Mag ich im­mer­hin schon im Be­sitz zwei­er Paa­re sein, so kann bei der jetzt vor­wal­ten­den Näs­se doch nie­mand sich ge­nug­tun an gu­ter, war­mer Fuß­be­klei­dung.«

      Rind­fleisch knie­te und maß. Er hat­te den Blei­stift zwi­schen den Zäh­nen und grunz­te nur.

      »An­de­rer­seits ist dies die Jah­res­zeit, die ge­wöhn­lich et­was Neu­es in die Stadt bringt, ein we­nig – si­cher­lich doch – geis­ti­ge Er­ho­lung. Die ist es denn wohl auch, die dem Men­schen not­tut.«

      Rind­fleisch sah auf.

      »Sa­gen Sie das man noch mal, Herr Pro­fes­ser. Ja ja jah, die tu­het dem Men­schen not. Und das weiß un­se­re Brü­der­ge­mei­hen­de auch.«

      »So so«, mach­te Un­rat. »Aber ich den­ke an den Be­such aus­ge­zeich­ne­ter, un­ter den Men­schen her­vor­ra­gen­der Per­sön­lich­kei­ten.«

      »Da denk’ ich auch an, Herr Pro­fes­ser, und da denkt auch die Ge­mei­hen­de an und ver­sam­me­let uns Brü­der am mor­gi­gen Aben­de zum Ge­bet mit ei­nem be­rühm­ten Mis­sio­nar. Ja, o jah.«

      Un­rat fand es schwie­rig, zur Künst­le­rin Fröh­lich zu ge­lan­gen. Er such­te eine Wei­le, und als er kei­nen Um­weg mehr fand, ging er grad­aus.

      »Auch in der Ge­sell­schaft für Ge­mein­sinn zeigt sich uns nächs­tens – im­mer mal wie­der – eine Berühmt­heit. Eine Künst­le­rin – Sie wer­den ja, so gut wie je­der­mann, von ihr ge­hört ha­ben, Meis­ter.«

      »Sie tanzt, Meis­ter. In der Ge­sell­schaft für Ge­mein­sinn tanzt sie. Ei, da wer­den nun die Leu­te hin­lau­fen.«

      Rind­fleisch nick­te.

      »Die Leu­te ma­chen es sich woll nich klar, Herr Pro­fes­ser, wo sie hin­lau­fen«, sag­te er ge­dämpft und be­deu­tungs­voll.

      »Sie tanzt ja bar­fuß, das ist doch eine selt­sa­me Fer­tig­keit, Meis­ter.«

      Un­rat wuss­te nicht, wie er den Mann noch an­feu­ern sol­le.

      »Den­ken Sie nur: bar­fuß!«

      »Bar­fuß«, wie­der­hol­te der Schus­ter. »O o oh! Also tan­ze­ten auch die Wei­ber der Ama­le­ki­ter, die vor dem Göt­zen tan­ze­ten.«

      Und er stieß ein lee­res Ge­läch­ter aus, nur aus De­mut, weil er, der un­ge­lehr­te Mann, sich mit Wor­ten der Schrift zu schmücken wag­te.

      Un­rat rück­te ge­pei­nigt hin und her, wie bei der Über­set­zung ei­nes Schü­lers, der stock­te und gleich fest­zu­sit­zen droh­te. Er hieb mit den Knö­cheln auf die Stuhl­leh­ne und sprang auf.

      »So las­sen Sie’s nun gut sein mit dem Maß­neh­men, Meis­ter, und sa­gen Sie mir – vor­wärts denn also! – ob die Bar­fußtän­ze­rin Fröh­lich schon ein­ge­trof­fen ist! Das soll­ten Sie wohl wis­sen!«

      »Ich, Herr Pro­fes­ser?« Und Rind­fleisch stand be­stürzt, »ich – eine Tän­ze­rin?«

      »Da­durch wer­den Sie auch nicht schlech­ter«, be­haup­te­te Un­rat un­ge­dul­dig.

      »O o oh, fer­ne von mir sei der geis­ti­ge Hoch­mut und die Selbst­ge­rech­tig­keit. Und Lie­be im Herrn, Herr Pro­fes­ser, will ich denn auch ha­ben für mei­ne bar­fü­ßi­ge Schwes­ter, o jah, und will bit­ten, dass der Herr an ihr tuhe, was er an der Sün­de­rin Mag­da­le­na ge­tan hat.«

      »Sün­de­rin?« frag­te Un­rat über­le­gen. »Wa­rum hal­ten Sie denn die Künst­le­rin Fröh­lich für eine Sün­de­rin?«

      Der Schuh­ma­cher blick­te keusch auf den ge­öl­ten Fuß­bo­den.

      »Ei ja«, ver­setz­te Un­rat, im­mer un­zu­frie­de­ner mit dem Meis­ter, »wenn Ihre Frau oder Ihre Toch­ter einen Le­bens­wan­del be­gin­nen woll­ten wie eine Künst­le­rin, das stän­de ih­nen – frei­lich denn wohl – nicht an. Hin­ge­gen gibt es Le­bens­krei­se und Sit­ten­ge­set­ze: – doch mag’s denn ge­nug sein.«

      Und er mach­te eine Hand­be­we­gung, die sag­te, dass hier ein Ge­gen­stand in Ter­tia be­rührt ward, der höchs­tens nach Pri­ma ge­hör­te.

      »Auch mein Weib ist eine Sün­de­rin«, sag­te der Schus­ter lei­se, schob die Fin­ger über dem Ma­gen durch­ein­an­der und sah auf, mit ei­nem Be­ken­ner­blick.

      »Und ich selbs­t­en muss spre­chen: Herr Her­re. Denn Flei­sches­sün­der sind wir all­zu mal.«

      Nun er­staun­te Un­rat.


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