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Schiff der Versuchung. Barbara CartlandЧитать онлайн книгу.

Schiff der Versuchung - Barbara Cartland


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Lord Rosebery.

      Der Marquis wollte gerade einwenden, das sei das letzte, was er sich wünsche, und er komme sehr gut ohne zurecht, da fiel ihm ein, daß Lord Rosebery erst vor vier Jahren seine Frau verloren hatte; alle seine Freunde wußten, was für ein einsamer und unglücklicher Mann er seither gewesen war.

      Er besann sich daher anders und bemerkte nur leichthin: »Mir hat man immer gesagt, daß der am schnellsten reist, der allein reist.«

      »Eine etwas abgedroschene Bemerkung für Sie, Vivien«, sagte Lord Rosebery trocken, »obwohl es natürlich darauf ankommt, auf welcher Art von Reise Sie sich befinden.«

      Der Marquis würdigte die feinsinnige Anspielung der Bemerkung, da der Außenminister ihn oft genug gebeten hatte, seine ungewöhnlichen und glänzenden Gaben auf seriösere Weise zu benutzen als in seinen augenblicklichen Amouren.

      Nach einem kurzen Schweigen griff der Außenminister das vorige Thema auf: »Wenn Sie zurückkommen, habe ich einen ernsthafteren Vorschlag mit Ihnen zu besprechen.«

      Der Marquis hob fragend die Brauen: »Was kann das sein?«

      »Das werde ich Ihnen jetzt nicht erläutern«, antwortete Lord Rosebery, »aber ich habe es bereits Seiner Majestät gegenüber erwähnt, und ihm gefällt der Vorschlag sehr.«

      »Ich vermute«, sagte der Marquis langsam, »daß Sie an einen Gouverneurs Posten denken?«

      »Vielleicht etwas Höheres. Kommen Sie auf jeden Fall rasch zurück - ich möchte nicht, daß Sie zu lange draußen in der Wildnis sind.«

      Der Marquis erhob sich.

      »Ich werde morgen mit Ihnen zu Mittag essen, Archibald«, sagte er, »und Sie täten gut daran, mich zu überzeugen, daß meine Reise wirklich notwendig ist, sonst bin ich durchaus imstande, noch im letzten Moment abzusagen.«

      »Sie haben mich noch nie im Stich gelassen«, antwortete der Außenminister, »und ich wünschte mir wirklich, ich hätte die Zeit, Sie zu begleiten. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich nicht zögern, auf eine Entdeckungsreise zu gehen, die mich vielleicht zu meinem Goldenen Vlies führen könnte.«

      Beim Durchqueren des Arbeitszimmers legte Lord Rosebery die Hand auf die Schulter des jüngeren Mannes.

      »Ich bin ganz sicher, Vivien, sie wird Ihre Einladung begierig annehmen - tatsächlich nur zu begierig! Hoffen wir nur, daß sie Sie zumindest so lange zu unterhalten versteht, bis Sie zurückkommen.«

      »Ihre Unverfrorenheit verblüfft mich!« rief der Marquis aus.

      Beide Männer lachten, als sie aus dem Büro des Außenministers in den Flur traten.

      Tarina Worthington läutete die Glocke am Haus von Belgrave Square und wartete etwas nervös, bis die Tür von einem Lakaien in Livree geöffnet wurde.

      Ein Butler trat vom hinteren Ende der Eingangshalle heran, als sie sagte: »Ich bin gekommen, um Lady Bradwell zu besuchen.«

      »Haben Sie eine Verabredung mit ihr, Madam?«

      »Leider nicht«, antwortete Tarina, »aber würden Sie ihr ausrichten, daß ihre Kusine, Miss Tarina Worthington, sie sehen möchte?«

      »Natürlich, Miss.«

      Das beinahe feindselige Verhalten des Butlers änderte sich, als Tarina das Wort »Kusine« aussprach; er schritt langsam auf das Morgenzimmer zu, öffnete die Tür und ließ sie eintreten.

      »Ich werde meiner Herrin mitteilen, daß Sie hier sind, Miss«, sagte er.

      Tarina sah sich in dem rechteckigen, hohen Raum um, der auf eine Art ausgestattet war, die mehr Wohlstand als guten Geschmack verriet, und erblickte ihre eigene Erscheinung in einem großen Spiegel.

      Dabei wurde ihr bewußt, warum der Butler sie zuerst hatte abweisen wollen, statt sie einzulassen.

      Das schwarze Kleid, das sie anläßlich des Todes ihres Vaters gekauft hatte, war damals schon sehr billig gewesen und sah jetzt in der Wintersonne schäbig aus.

      Ihr Mantel, leider unentbehrlich bei einer Temperatur nur wenig über null Grad, war bereits fadenscheinig und hatte viele Jahre lang ihrer Mutter gehört.

      Mit einem traurigen Lächeln gestand sie sich ein, daß ihre Erscheinung völlig heruntergekommen sei.

      Sie hatte einfach nicht gewagt, viel Geld für Trauerkleidung auszugeben, weil all der Besitz, der über das nackte Überleben hinausging, aus der sehr kleinen Summe bestand, die nach der Beerdigung ihres Vaters auf der Bank noch übrigblieb.

      »Wie hätte Papa auch überhaupt je etwas sparen können?« fragte Tarina sich verzweifelt.

      Schon bevor sie alles verkaufte, was im Pfarrhaus ihr gehörte, hatte sie geahnt, daß sie nicht mehr als ein paar Pfund dafür bekommen würde.

      Sie war nervös wegen des Besuchs bei ihrer Kusine, die sie seit zwei Jahren nicht gesehen hatte, und versuchte, ihren Hut zur besseren Wirkung in etwas anderer Weise aufzusetzen.

      Weil sie während der ganzen Woche nicht die Zeit gehabt hatte, es zu waschen, hatte ihr Haar etwas von dem roten Glanz verloren, der, wie ihre Mutter zu sagen pflegte, von einer österreichischen Vorfahrin stammte.

      »Es ist merkwürdig, Tarina«, hatte sie oftmals geäußert, »doch das rote Haar der Wienerin, das immer so sehr bewundert wurde, scheint in meiner Familie zwei Generationen zu überspringen und erst bei dir wieder aufzutauchen.«

      »War meine Urgroßmutter sehr schön?« hatte Tarina gefragt.

      »Das hat man immer erzählt«, antwortete ihre Mutter. »Und sie war außerordentlich begabt. Sie hatte eine herrliche Stimme; ihre Tagebücher verraten, daß sie bei Festen in Wien sehr gefragt war. Zweimal hat sie im Palast von Schönbrunn vor dem Kaiser Franz Joseph und der Kaiserin Elisabeth gesungen, die ebenfalls rotblondes Haar hatte.«

      »Glaubst du, ich bekäme eine gute Stimme - wenn sie ausgebildet wäre?« fragte Tarina.

      Ihre Mutter lächelte.

      »Ich habe keine Ahnung, mein Liebling«, sagte sie. »In der Kirche singst du zwar zauberhaft, aber wir beide wissen, daß das nicht dasselbe ist wie die Fähigkeit, ein Publikum zu faszinieren.« Sie hielt inne, ehe sie fortfuhr: »Aber einer Sache kannst du ganz sicher sein: Papa und ich müssen uns einschränken und sparen, um die Stunden zu bezahlen, die du im Augenblick bekommst; weitere können wir uns gewiß nicht leisten.«

      Tarina wußte, daß ihr rotes Haar, wenn sie glücklich war, zu strahlen schien; wenn sie sich dagegen unwohl oder bekümmert fühlte, verblaßte das Rot, und der Glanz sah stumpf aus, als spiegele er die Gefühle ihres Herzens wieder.

      Im Augenblick sah man nur einen Hauch von Rot, aber ihre Haut war so schneeweiß wie immer, und im Sonnenlicht hatte sie fast etwas Durchscheinendes.

      Ihre Augen in einer Tönung von Grün und Grau wirkten im Augenblick nur dunkel vor Angst und Sorge.

      »Und falls Kusine Betty ... mich nicht empfängt?« flüsterte sie zu sich selbst. »Was . .. soll ich . .. tun? Wohin ... soll ich ... mich wenden?«

      Die Tür öffnete sich.

      »Die Lady wird Sie empfangen, Miss«, verkündete der Butler.

      »Danke«, antwortete Tarina.

      Sie folgte ihm durch die Halle und die Treppe hinauf zu einem geräumigen Treppenabsatz.

      Dort konnte sie durch eine offene Tür ein riesiges Empfangszimmer mit Stühlen und Sofas als Imitation der Mode zur Zeit des Sonnenkönigs, einen dunkelfarbigen Teppich und mehrere ziemlich formstrenge Leuchter erblicken.

      Sie hatte indes nur Zeit für einen raschen Blick, ehe der Butler weiterging.

      Am Ende des Korridors öffnete er die Tür zu dem, was, wie Tarina wußte, ein Boudoir war.

      Ein Boudoir stellte etwas dar, das ihre Mutter ihr beschrieben hatte und das sie immer gern hatte sehen


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