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Die Reise um die Erde in achtzig Tagen. Jules VerneЧитать онлайн книгу.

Die Reise um die Erde in achtzig Tagen - Jules Verne


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ist dem Engländer zur zweiten Natur geworden. Es wurden nicht bloß von den verschiedenen Mitgliedern des Reform-Klubs beträchtliche Wetten für oder wider Phileas Fogg abgeschlossen, sondern die ganze städtische Bevölkerung nahm an diesen Wetten teil. Man setzte auf Phileas Fogg wie auf ein Rennpferd. Auch zum Börsenobjekt wurde er gemacht. Phileas Fogg wurde „gefragt“, Phileas Fogg wurde als „Brief“ oder als „Geld“ ausgeboten, und ganz ungeheure Geschäfte wurden auf seinen Namen geschlossen. Aber fünf Tage nach seiner Abreise, nachdem der betreffende Aufsatz im Berichte der Geographischen Gesellschaft erschienen war, fingen Angebot und Nachfrage flau zu werden an. Erst ging er noch fünffach, dann zehnfach ab, dann aber nahm man ihn bloß noch zwanzig-, fünfzig-, hundertfach!

      Ein einziger Parteigänger blieb ihm treu. Das war der alte, vom Schlage gelähmte Lord Albemarle. Dieser würdige, an seinen Sessel geschmiedete Ehrenmann Altenglands hätte sein ganzes Vermögen für eine Reise um die Erde hingegeben, und wenn sie auch zehn Jahre gedauert hätte! Viertausend Pfund setzte er für Phileas Fogg. Und wenn man ihm gegenüber neben der Dummheit des Unternehmens auch die Unnützlichkeit desselben auseinandersetzte, so hatte er immer nur die einzige Antwort darauf: „Wenn sich die Sache machen läßt, so ist es allemal gut, daß ein Engländer der erste ist, der sie macht!“

      Das änderte aber nichts an der Tatsache, daß Phileas Foggs Anhänger immer spärlicher wurden. Jedermann wurde ihm gram, und zwar nicht ohne Grund; man wollte ihn nur noch nehmen hundertfünfzigfach, zweihundertfach gegen eins. Da vollzog sich am siebenten Tage nach seiner Abfahrt ein Zwischenfall, der ganz England völlig unerwartet kam, und der es zuwege brachte, daß man gar nichts mehr von einem Finanzobjekt Phileas Fogg hören oder sehen wollte.

      An diesem Tage nämlich, um 9 Uhr abends, hatte der Londoner Polizeidirektor eine Drahtnachricht folgenden Inhalts bekommen:

      Linie Suez-London.

      Rowan, Polizeidirektor, Kriminalabteilung,

      Scotland Yard.

      Bankdieb Phileas Fogg wird von mir gejagt. Sendet ohne Aufschub Haftbefehl nach Bombay (Britisch-Indien).

      Detektiv Fix.

      Die Wirkung dieses Drahtberichtes kam einer Bombe gleich. Der ehrenwerte Kavalier verschwand, um dem Banknotendieb den Platz zu räumen. Seine im Album des Reform-Klubs befindliche Photographie wurde studiert. Sie stimmte Zug um Zug mit dem Signalement des Menschen überein, den die bisherige Untersuchung als den Verbrecher festgestellt hatte. Man rief sich ins Gedächtnis, daß Phileas Fogg immer ein höchst geheimnisvolles Leben geführt habe, daß er sich immer von allem abgeschlossen hätte, dazu kam seine plötzliche Abreise; kurz, es schien offenbar zu sein, daß dieser Mensch hinter dem Vorwande, eine Reise um die Erde zu machen, und hinter dem Abschluß einer hirnverbrannten Wette keine andere Absicht verfolgt hatte, als die Beamten der englischen Polizei auf eine andere Fährte zu locken.

      Sechstes Kapitel,

      worin Detektiv Fix eine wohlbegründete und auch rechtschaffene Ungeduld zeigt

      Wie sich die Umstände gefügt hatten, unter welchen der Drahtbericht, besagten Herrn Phileas Fogg betreffend, zur Abschickung gelangt war, wird man aus den nachstehenden Zeilen ersehen.

      Am Mittwoch, den 9. Oktober, wartete man seit elf Uhr morgens auf die Ankunft des Paketschiffes „Mongolia“ von der Ostindischen Handelsgesellschaft. Die „Mongolia“ war ein Schraubendampfer mit Spardeck, der 2800 Tonnen maß und über eine nominelle Kraft von 500 Pferden gebot. Die „Mongolia“ fuhr ständig zwischen Brindisi und Bombay die Route durch den Suez-Kanal. Sie war eines der geschwindesten Schiffe der Gesellschaft, und hatte die normale Fahrtgeschwindigkeit, also zehn Meilen in der Stunde zwischen Brindisi und Suez und neun Meilen dreiundfünfzig Hundertstel zwischen Suez und Bombay, immer überholt.

      Auf die Einfahrt der „Mongolia“ warteten mitten unter der Menschenmenge von Eingeborenen und Ausländern, die in diesem zur großen Stadt gewordenen Dorfe zusammenströmt, der das großartige Werk des Herrn von Lesseps eine bedeutende Rolle für alle Zeiten sichert, zwei Männer die auf dem Hafenkai hin und her gingen.

      Der eine dieser beiden Männer war der in Suez bestallte großbritannische Konsularagent, der tagtäglich britische Schiffe auf dieser Wasserstraße fahren sah, die den alten Kurs von England nach Indien ums Kap der guten Hoffnung um die Hälfte abkürzt.

      Der andere der beiden Männer war klein und mager, hatte ein ziemlich gescheites und energisches Gesicht und fiel dadurch auf, daß er mit einer merkwürdigen Ausdauer die Augenlider-Muskeln zusammenzog. Durch seine langen Wimpern leuchteten ein Paar höchst lebhafte Augen, deren Feuer er aber sehr geschickt zu dämpfen verstand. In diesem Augenblick gab er auf mehrfache Weise zu erkennen, daß ihn eine hochgradige Unruhe erfüllte. So ging er in einem fort hin und her und war nicht imstande, sich ruhig zu verhalten.

      Der Mann hieß Fix und war einer von den Detektiven oder englischen Polizisten, die nach den verschiedenen Hafenplätzen ausgesandt worden waren, sobald man den Diebstahl in der Bank von England entdeckt hatte. Dieser Herr Fix hatte die Weisung bekommen, alle auf der Tour nach Suez begriffenen Reisenden mit höchster Sorgfalt zu überwachen und jeden Verdächtigen bis zum Eintreffen eines Haftbefehles zu internieren.

      Genau zwei Tage darauf hatte Fix vom Londoner Polizeidirektor das Signalement des mutmaßlichen Diebes erhalten, welches auf jene vornehme und wohlangesehene Persönlichkeit paßte, die man an der Kassenstelle der Bank von England bemerkt hatte.

      Der durch die hohe Prämie, die für die Einlieferung des Diebes ausgesetzt war, offenbar schon stark animierte Polizist sah also der Ankunft der „Mongolia“ mit einer leicht begreiflichen Ungeduld entgegen.

      „Sie sagen also, Herr Konsul“, fragte er wenigstens schon zum zehntenmal, „daß das Schiff keine Verspätung haben kann?“

      „Nein, Herr Fix“, versetzte der Konsul. „Es ist gestern auf der Höhe von Port Said signalisiert worden, und die hundertsechzig Kilometer des Kanals zählen bei einem solchen Schnellfahrer nichts. Ich wiederhole Ihnen, die ,Mongolia’ hat immer die Prämie von fünfundzwanzig Pfund eingeheimst, die von der Regierung für jede Kürzung an der normalen Fahrzeit von achtzig Stunden ausgezahlt wird.“

      „Das Schiff kommt direkt aus Brindisi, wo és die ostindische Post eingenommen hat. Es ist am Sonnabend um fünf Uhr abends von Brindisi abgegangen. Fassen Sie sich also in Geduld, es kann gar keine Verspätung haben. Aber wie Sie mit dem Signalement, das Sie besitzen, Ihren Mann erkennen sollen, wenn er an Bord der ,Mongolia’ ist, das weiß ich allerdings nicht!“

      „Verehrter Herr Konsul“, gab Fix zur Antwort, „dergleichen Personen wittert man mehr, als daß man sie erkennt. Witterung muß man besitzen, und Witterung ist ein besonderer Sinn, zu dem sich Gehör, Gesicht und Geruch zusammenfinden. Ich habe in meinem Leben mehr als einen solchen Herrn zur Haft gebracht, und für den Fall, daß mein Spitzbube sich an Bord befindet, mache ich mich anheischig, daß er mir nicht durch die Finger gleiten soll.“

      „Ich wünsche es Ihnen, Herr Fix, denn es handelt sich ja um einen ganz ansehnlichen Diebstahl.“

      „Um einen großartigen Diebstahl“, gab der in Begeisterung versetzte Detektiv zur Antwort. „Um fünfundfünfzigtausend Pfund! Solche Objekte bekommen wir nicht oft unter die Hände! Die Spitzbuben sinken zu Kleppern herunter. Die Kerle lassen sich jetzt hängen für ein paar lumpige Schillinge!“

      „Lieber Herr Fix“, gab der Konsul zur Antwort, „Sie reden auf eine Weise, daß ich Ihnen tatsächlich von Herzen Glück zu Ihrem Beginnen wünsche. Aber ich wiederhole Ihnen: so wie Sie dem Falle gegenüber gestellt sind, wird es Ihnen, wie ich fürchte, schwer werden, Ihre Absicht zu erreichen. Lassen Sie, bitte, nicht außer Acht, daß nach dem Signalement, das Sie bekommen haben, dieser Spitzbube unbedingte Ähnlichkeit mit einem anständigen Menschen hat.“

      „Verehrter Herr Konsul“, erwiderte im Ton eines Lehrsatzes der Polizeikommissar, „die großen Spitzbuben sehen immer aus wie anständige Menschen. Sie begreifen doch wohl, daß Leuten, die ein Halunkengesicht haben, gar nichts anders übrig bleibt als die Maske des anständigen Menschen, wenn sie nicht ohne weiters


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