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Der Untertan. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Der Untertan - Heinrich Mann


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zu be­leuch­ten, das ihr ge­hört hat­te. Es reg­ne­te. Wie vie­le Stun­den hat­te sie ge­war­tet? Ge­wiss stand sie noch im­mer dort, mit ih­rer letz­ten Hoff­nung. Das war nicht aus­zu­hal­ten! Er woll­te das Fens­ter auf­rei­ßen – und wich zu­rück. Ein­mal fand er sich plötz­lich auf der Trep­pe, mit dem Haus­schlüs­sel in der Hand. Gera­de ge­lang es ihm noch, um­zu­keh­ren. Da­rauf schloss er ab und zog sich aus. »Mehr Hal­tung, mein Lie­ber!« Denn dies­mal wäre man aus der Sa­che nicht mehr leicht her­aus­ge­kom­men. Das Mä­del war zwei­fel­los zu be­dau­ern, aber schließ­lich hat­te sie es ge­wollt. »Vor al­lem habe ich Pf­lich­ten ge­gen mich selbst.« – Am Mor­gen, schlecht aus­ge­schla­fen, nahm er es ihr so­gar sehr übel, dass sie noch ein­mal ver­sucht hat­te, ihn aus sei­ner Bahn zu rei­ßen. Jetzt, da sie wuss­te, dass die Prü­fung be­vor­stand! Sol­che Ge­wis­sen­lo­sig­keit sah ihr ähn­lich. Und durch die nächt­li­che Sze­ne, die­se Bett­ler­rol­le im Re­gen, hat­te ihre Ge­stalt nach­träg­lich et­was Ver­däch­ti­ges und Un­heim­li­ches be­kom­men. Er be­trach­te­te sie als end­gül­tig ge­sun­ken. »Auf kei­nen Fall mehr das ge­rings­te!« be­teu­er­te er sich, und er be­schloss, noch für den kur­z­en Rest sei­nes Auf­ent­hal­tes die Woh­nung zu wech­seln: »selbst wenn es mit ei­nem Gel­dop­fer ver­bun­den sein soll­te.« Glück­li­cher­wei­se such­te ein Kol­le­ge ge­ra­de ein Zim­mer; Die­de­rich ver­lor nichts und zog so­fort um, weit hin­auf nach dem Nor­den. Kurz dar­auf be­stand er sein Ex­amen. Die Neu­teu­to­nia fei­er­te ihn mit ei­nem Früh­schop­pen, der bis ge­gen Abend dau­er­te. Zu Hau­se ward ihm ge­sagt, dass in sei­nem Zim­mer ein Herr auf ihn war­te. »Es wird Wie­bel sein«, dach­te Die­de­rich, »er muss mir doch Glück wün­schen.« Und von Hoff­nung ge­schwellt: »Vi­el­leicht ist es der As­ses­sor von Bar­nim?« Er öff­ne­te, und er prall­te zu­rück. Denn da stand Herr Göp­pel.

      Auch er fand nicht gleich Wor­te. »Nanu, im Frack?« sag­te er dann, und zö­gernd: »Wa­ren Sie viel­leicht bei mir?«

      »Nein«, sag­te Die­de­rich und er­schrak aufs neue. »Ich habe nur mei­ne Dok­tor­prü­fung ge­macht.«

      Göp­pel er­wi­der­te: »Ach so, ich gra­tu­lie­re.« Dann brach­te Die­de­rich her­vor: »Wie ha­ben Sie denn mei­ne neue Adres­se ge­fun­den?« Und Göp­pel ant­wor­te­te: »Ih­rer frü­he­ren Wir­tin ha­ben Sie sie al­ler­dings nicht ge­sagt. Aber es gibt ja auch sonst noch Mit­tel.« Da­rauf sa­hen sie ein­an­der an. Göp­pels Stim­me war ru­hig ge­we­sen, aber Die­de­rich fühl­te schreck­li­che Dro­hun­gen dar­in. Er hat­te den Ge­dan­ken an die Ka­ta­stro­phe im­mer hin­aus­ge­scho­ben, und jetzt war sie da. Er muss­te sich set­zen.

      »Näm­lich«, be­gann Göp­pel, »ich kom­me, weil es Ag­nes gar nicht gut geht.«

      »Oh!« mach­te Die­de­rich mit ver­zwei­fel­ter Heu­che­lei. »Was fehlt ihr denn?« Herr Göp­pel wieg­te be­küm­mert den Kopf. »Das Herz will nicht; aber es sind na­tür­lich nur die Ner­ven … Na­tür­lich«, wie­der­hol­te er, nach­dem er ver­geb­lich ge­war­tet hat­te, dass Die­de­rich es wie­der­ho­le. »Und nun wird sie mir me­lan­cho­lisch vor Lan­ge­wei­le, und ich möch­te sie auf­hei­tern. Aus­ge­hen darf sie nicht. Aber kom­men Sie doch mal wie­der zu uns, mor­gen ist Sonn­tag.«

      »Ge­ret­tet!« fühl­te Die­de­rich. »Er weiß nichts.« Vor Freu­de ward er zum Di­plo­ma­ten, er kratz­te sich den Kopf. »Ich hat­te es mir schon fest vor­ge­nom­men. Aber jetzt muss ich drin­gend nach Haus, un­ser al­ter Ge­schäfts­füh­rer ist krank. Nicht mal mei­nen Pro­fes­so­ren kann ich Ab­schieds­be­su­che ma­chen, mor­gen früh rei­se ich gleich ab.«

      Göp­pel leg­te ihm die Hand auf das Knie. »Sie soll­ten es sich über­le­gen, Herr Hess­ling. Sei­nen Freun­den schul­det man manch­mal auch was.«

      Er sprach lang­sam und hat­te einen so ein­dring­li­chen Blick, dass Die­de­rich weg­se­hen muss­te. »Wenn ich nur könn­te«, stam­mel­te er. Göp­pel sag­te:

      »Sie kön­nen. Über­haupt kön­nen Sie al­les, was hier in Fra­ge kommt.«

      »Wie­so?« Die­de­rich er­starr­te im In­nern. »Sie wis­sen wohl, wie­so«, sag­te der Va­ter; und nach­dem er sei­nen Stuhl ein Stück zu­rück­ge­scho­ben hat­te: »Sie den­ken doch hof­fent­lich nicht, dass Ag­nes mich her­ge­schickt hat? Im Ge­gen­teil, ich hab’ ihr ver­spre­chen müs­sen, dass ich gar nichts tue und Sie ganz in Ruhe las­se. Aber dann hab’ ich mir über­legt, dass es doch ei­gent­lich zu dumm wäre, wenn wir bei­de noch lan­ge um­ein­an­der her­um­ge­hen woll­ten, so wie wir uns ken­nen, und wie ich Ihren se­li­gen Va­ter ge­kannt habe, und bei un­se­rer Ge­schäfts­ver­bin­dung und so wei­ter.«

      Die­de­rich dach­te: »Die Ge­schäfts­ver­bin­dung ist ge­löst, mein Bes­ter.« Er wapp­ne­te sich.

      »Ich gehe gar nicht um Sie her­um, Herr Göp­pel.«

      »Na also. Dann ist ja al­les in Ord­nung. Ich ver­ste­he wohl: der Sprung in die Ehe, den tut kein jun­ger Mann, be­son­ders heu­te, ohne erst mal zu scheu­en. Aber wenn die Ge­schich­te so glatt liegt wie hier, nicht wahr? Un­se­re Bran­chen grei­fen in­ein­an­der, und wenn Sie Ihr vä­ter­li­ches Ge­schäft aus­deh­nen wol­len, kommt Ih­nen Ag­nes’ Mit­gift sehr ge­le­gen.« Und in ei­nem Atem wei­ter, in­des sei­ne Au­gen ab­irr­ten: »Mo­men­tan kann ich zwar nur zwölf­tau­send Mark flüs­sig ma­chen, aber Zel­lu­lo­se krie­gen Sie, so viel Sie wol­len.«

      »Siehst du wohl?« dach­te Die­de­rich. »Und die zwölf­tau­send müss­test du dir auch pum­pen – wenn du sie noch kriegst.« – »Sie ha­ben mich miss­ver­stan­den, Herr Göp­pel«, er­klär­te er. »Ich den­ke nicht ans Hei­ra­ten. Dazu wä­ren zu große Geld­mit­tel nö­tig.«

      Herr Göp­pel sag­te mit angst­vol­len Au­gen und lach­te da­bei: »Ich kann noch ein üb­ri­ges tun …«

      »Las­sen Sie nur«, sag­te Die­de­rich, vor­nehm ab­weh­rend.

      Göp­pel ward im­mer rat­lo­ser.

      »Ja, was wol­len Sie dann über­haupt?«

      »Ich? Gar nichts. Ich dach­te, Sie woll­ten was, weil Sie mich be­su­chen.«

      Göp­pel gab sich einen Ruck. »Das geht nicht, lie­ber Hess­ling. Nach dem, was nun mal vor­ge­fal­len ist. Und be­son­ders, da es schon so lan­ge dau­ert.«

      Die­de­rich maß den Va­ter, er zog die Mund­win­kel her­ab. »Sie wuss­ten es also?«

      »Nicht si­cher«, mur­mel­te Göp­pel. Und Die­de­rich, von oben:

      »Das hät­te ich auch merk­wür­dig ge­fun­den.«

      »Ich habe eben Ver­trau­en ge­habt zu mei­ner Toch­ter.«

      »So irrt man sich«, sag­te Die­de­rich, zu al­lem ent­schlos­sen, wo­mit er sich weh­ren konn­te. Göp­pels Stirn fing an, sich zu rö­ten. »Zu Ih­nen hab’ ich näm­lich auch Ver­trau­en ge­habt.«

      »Das heißt: Sie hiel­ten mich für naiv.« Die­de­rich schob die Hän­de in die Ho­sen­ta­schen und lehn­te sich zu­rück.

      Die­de­rich er­hob sich mit form­voller Ruhe. »Ge­ben Sie Sa­tis­fak­ti­on?« frag­te er. Göp­pel schrie:

      »Das möch­ten Sie wohl! Die Toch­ter ver­füh­ren und den Va­ter ab­schie­ßen! Dann


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