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Der Untertan. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Der Untertan - Heinrich Mann


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und so­gar von dem Ge­bet »aus dem Her­zen«. Ag­nes hör­te zu, ganz ver­sun­ken. End­lich seufz­te sie auf. »Dei­ne Mut­ter möch­te ich ken­nen­ler­nen. Mei­ne hab’ ich nicht ge­kannt.« Er küss­te sie, mit­lei­dig, ach­tungs­voll und mit ei­ner dunklen Emp­fin­dung von schlech­tem Ge­wis­sen. Er fühl­te: jetzt hat­te er ein Wort zu spre­chen, das sie ganz und gar für im­mer trös­ten muss­te. Aber er schob es hin­aus, er konn­te nicht. Ag­nes sah ihn tief an. »Ich weiß«, sag­te sie lang­sam, »dass du im Her­zen ein gu­ter Mensch bist. Du musst nur manch­mal an­ders tun.« Dar­über er­schrak er. Dann sag­te sie, als ent­schul­dig­te sie sich: »Heu­te habe ich gar kei­ne Furcht vor dir.«

      »Hast du denn sonst Furcht?« frag­te er reu­mü­tig. Sie sag­te:

      »Ich habe mich im­mer ge­fürch­tet, wenn die Leu­te recht hoch­ge­mut und lus­tig wa­ren. Bei mei­nen Freun­din­nen frü­her war es mir oft, als könn­te ich mit ih­nen nicht Schritt hal­ten, und sie müss­ten es mer­ken und mich ver­ach­ten. Sie merk­ten es aber nicht. Schon als Kind: ich hat­te eine Pup­pe mit großen blau­en Glasau­gen, und als mei­ne Mut­ter ge­stor­ben war, muss­te ich ne­ben­an bei der Pup­pe sit­zen. Sie sah mich im­mer starr an mit ih­ren auf­ge­ris­se­nen har­ten Au­gen, die sag­ten mir: Dei­ne Mut­ter ist tot, jetzt wer­den dich alle so an­se­hen wie ich. Ger­ne hät­te ich sie auf den Rücken ge­legt, da­mit sie die Au­gen schloss. Aber ich wag­te es nicht. Hät­te ich denn auch die Men­schen auf den Rücken le­gen kön­nen? Alle ha­ben sol­che Au­gen, und manch­mal –« sie ver­barg ihr Ge­sicht an sei­ner Schul­ter, »manch­mal so­gar du.«

      Der Hals war ihm zu­ge­schnürt, er tas­te­te über ih­ren Na­cken, und sei­ne Stim­me schwank­te. »Ag­nes! Süße Ag­nes, du weißt gar nicht, wie ich dich lieb­ha­be … Ich hab’ Furcht vor dir ge­habt, ja, ich! Drei Jah­re lang hab’ ich mich nach dir ge­sehnt, aber du warst zu schön für mich, zu fein, zu gut …« Sein gan­zes Herz schmolz; er sag­te al­les, was er ihr nach ih­rem ers­ten Be­such ge­schrie­ben hat­te, in dem Brief, der noch in sei­nem Schreib­tisch lag. Sie hat­te sich auf­ge­rich­tet und hör­te ihm zu, ent­zückt, die Lip­pen ge­öff­net. Sie ju­bel­te lei­se: »Ich wuss­te es, so bist du, du bist wie ich!«

      »Wir ge­hö­ren zu­sam­men!« sag­te Die­de­rich und press­te sie an sich; aber er war er­schro­cken über sei­nen Aus­ruf: »Jetzt war­tet sie«, dach­te er, »jetzt soll ich spre­chen.« Er woll­te es, aber er fühl­te sich ge­lähmt. Der Druck sei­ner Arme auf ih­rem Rücken ward im­mer kraft­lo­ser … Sie be­weg­te sich: er wuss­te, nun war­te­te sie nicht mehr. Und sie lös­ten sich von­ein­an­der, ohne sich an­zu­se­hen. Die­de­rich schlug plötz­lich die Hän­de vor das Ge­sicht und schluchz­te. Sie frag­te nicht, wes­halb; sie strich ihm trös­tend über das Haar. Das währ­te lan­ge.

      Über ihn hin­weg, ins Lee­re, sag­te Ag­nes: »Hab’ ich denn ge­glaubt, dass es dau­ern wür­de? Es muss­te schlimm en­den, weil es so schön war.«

      Er fuhr auf, ver­zwei­felt. »Es ist doch nicht aus!« Sie frag­te:

      »Glaubst du an das Glück?«

      »Wenn ich dich ver­lie­ren soll, nicht mehr!«

      Sie mur­mel­te: »Du wirst fort­ge­hen, hin­aus in das Le­ben, und mich ver­ges­sen.«

      »Lie­ber ster­ben!« – und er zog sie an sich. Sie flüs­ter­te an sei­ner Wan­ge:

      »Sieh, wie breit hier das Was­ser ist, ein See. Un­ser Boot hat sich von selbst los­ge­macht und uns hin­aus­ge­führt. Weißt du noch, je­nes Bild? Und der See, auf dem wir schon ein­mal im Traum fuh­ren? Wo­hin wohl?« Und noch lei­ser: »Wo­hin mit uns?«

      Er ant­wor­te­te nicht mehr. Ganz um­schlun­gen und die Lip­pen auf­ein­an­der, senk­ten sie sich rück­wärts im­mer tiefer über das Was­ser. Dräng­te sie ihn? Zog er sie? Nie­mals wa­ren sie so sehr eins ge­we­sen. Die­de­rich fühl­te: nun war es gut. Er war, mit Ag­nes zu le­ben, nicht edel ge­nug ge­we­sen, nicht gläu­big, nicht tap­fer ge­nug. Jetzt hat­te er sie ein­ge­holt, nun war es gut.

      Plötz­lich, ein Stoß: sie schnell­ten in die Höhe. Die­de­rich hat­te so viel Kraft ge­braucht, dass Ag­nes von ihm fort und zu Bo­den fiel. Er strich sich über die Stirn. »Was ha­ben wir denn da?« – Noch kalt vom Schre­cken und als sei er be­lei­digt, sah er weg von ihr. »So un­vor­sich­tig darf man nicht sein beim Boot­fah­ren.« Er ließ sie al­lein auf­ste­hen, griff so­gleich nach den Ru­dern und fuhr zu­rück. Ag­nes hielt das Ge­sicht nach dem Ufer ge­wen­det. Ein­mal woll­te sie zu ihm hin­se­hen; aber sein Blick traf sie so miss­trau­isch und hart, dass sie zu­sam­men­fuhr.

      In der sin­ken­den Däm­me­rung gin­gen sie, im­mer schnel­ler, die Land­stra­ße zu­rück. Zu­letzt lie­fen sie fast. Und erst als es dun­kel ge­nug war, dass sie ihre Ge­sich­ter nicht mehr deut­lich er­kann­ten, spra­chen sie. Mor­gen früh kam Herr Göp­pel viel­leicht heim. Ag­nes muss­te heim … Wie sie beim Wirts­haus an­ka­men, pfiff in der Fer­ne schon der Zug. »Nicht mal mehr es­sen kann man!« sag­te Die­de­rich mit künst­li­cher Un­zu­frie­den­heit. Hals über Kopf die Sa­chen ho­len, zah­len und fort. Der Zug fuhr ab, kaum dass sie drin wa­ren. Ein Glück, dass sie Atem zu schöp­fen und die ei­li­gen Ge­schäf­te der letz­ten Vier­tel­stun­de zu be­spre­chen hat­ten. Das letz­te Wort dar­über war ge­fal­len, und nun saß je­der da, al­lein bei trüber Lam­pe und be­täubt wie nach ei­nem großen Mis­ser­folg. Das dunkle Land da drau­ßen, hat­te es ein­mal ge­lockt und Gu­tes ver­spro­chen? Das soll­te erst ges­tern ge­we­sen sein? Man fand nicht zu­rück. Ka­men nicht end­lich die Lich­ter der Stadt und be­frei­ten einen?

      Bei der An­kunft wa­ren sie dar­über ei­nig, dass es sich nicht ver­loh­ne, in den­sel­ben Wa­gen zu stei­gen. Die­de­rich nahm die Tram­bahn. Hän­de und Au­gen streif­ten sich nur.

      *

      »Uff!« mach­te Die­de­rich, als er al­lein war. »Das wäre er­le­digt.« Er sag­te sich: »Es hät­te eben­so gut schief­ge­hen kön­nen.« Und mit Em­pö­rung: »So eine hys­te­ri­sche Per­son!« Sich selbst wür­de sie si­cher am Boot fest­ge­hal­ten ha­ben. Er hät­te das Bad al­lein neh­men müs­sen. Auf den gan­zen Trick war sie doch nur ver­fal­len, weil sie durch­aus ge­hei­ra­tet wer­den woll­te! »Die Wei­ber sind zu ge­ris­sen, und sie ha­ben kei­ne Hem­mun­gen, da kommt un­serei­ner nun mal nicht mit. Dies­mal hat sie mich, weiß Gott, noch är­ger an der Nase her­um­ge­führt als da­mals mit Mahl­mann. Na, mir soll es eine Leh­re für das Le­ben sein. Nun aber Schluss!« Und fes­ten Schrit­tes ging er zu den Neu­teu­to­nen. Fort­an ver­brach­te er je­den Abend dort, und am Tage büf­fel­te er für das münd­li­che Ex­amen, aber zur Vor­sicht nicht zu Hau­se, son­dern im La­bo­ra­to­ri­um. Wenn er dann heim­kam, ward ihm das Stei­gen der Stock­wer­ke schwer, er muss­te sich ge­ste­hen, dass er Herz­klop­fen habe. Zö­gernd öff­ne­te er die Zim­mer­tür: – nichts; und nach­dem ihm an­fangs leich­ter ge­wor­den war, kam es schließ­lich doch je­des Mal dazu, dass er die Wir­tin frag­te, ob je­mand da­ge­we­sen sei. Nie­mand war da­ge­we­sen.

      Nach vier­zehn Ta­gen aber kam ein Brief. Er hat­te ihn ge­öff­net, be­vor er es be­dach­te. Dann woll­te er ihn un­ge­le­sen in den Schreib­tisch wer­fen – zog ihn aber wie­der her­vor und hielt ihn weit fort vom Ge­sicht. Has­tig, mit miss­traui­schen Au­gen, griff er hie und da eine Zei­le her­aus. »Ich bin so un­glück­lich …« – »Ken­nen wir!« ant­wor­te­te Die­de­rich. »Ich wage mich nicht zu Dir …« – »Dein Glück!« – »Es ist schreck­lich, dass wir uns fremd ge­wor­den sind …« – »We­nigs­tens siehst du es ein.« – »Ver­zeih


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