Schwarzes Echo. Michael ConnellyЧитать онлайн книгу.
und du merkst, dass du die meisten von ihnen gar nicht gekannt hast. Ich hab ihn kein einziges Mal getroffen, nachdem ich wieder hier war. Letztes Jahr haben wir telefoniert, das war alles.«
»Wie hast du ihn erkannt?«
»Hab ich zuerst gar nicht. Bis ich die Tätowierung an seinem Arm gesehen habe. Da kam mir das Gesicht bekannt vor. Wahrscheinlich erinnert man sich an Leute wie ihn. Ich jedenfalls.«
»Wahrscheinlich …«
Sie ließen das Schweigen etwas wirken. Bosch versuchte, einen Entschluss zu fassen, wie es weitergehen sollte, konnte sich aber nur über den Zufall wundern, dass er an einen Tatort gerufen wurde, an dem er Meadows fand. Edgar störte seine Nachdenklichkeit.
»Würdest du mir erzählen, was deiner Meinung nach hier faul sein soll? Donovan da drüben sieht aus, als wenn er sich wegen der Arbeit, die du ihm aufhalst, gleich in die Hosen macht.«
Bosch erzählte Edgar von den Problemen, dem Fehlen erkennbarer Spuren im Rohr, dem Hemd, das über den Kopf gezogen war, dem gebrochenen Finger und dass kein Messer zu finden war.
»Kein Messer?«, sagte sein Partner.
»Er brauchte irgendwas, um die Dose in zwei Teile zu schneiden, damit er eine Pfanne hatte … falls die Pfanne seine war.«
»Er könnte sie mitgebracht haben. Möglich, dass jemand drinnen war und das Messer mitgenommen hat, als der Mann schon tot war. Falls da überhaupt ein Messer war.«
»Ja, könnte sein. Es gibt keine Spuren, die uns irgendwas verraten könnten.«
»Na ja, aus seiner Akte wissen wir, dass er ein ausgebrannter Junkie war. Als du ihn kanntest, war er da auch so?«
»Bis zu einem gewissen Grad. Konsument und Verkäufer.«
»Na, da hast du es doch, Langzeitabhängiger, man kann nie sagen, was sie als Nächstes tun, ob sie von dem Scheißzeug loskommen oder wieder anfangen. Das sind Verlorene, Harry.«
»Aber er war weg davon … wenigstens glaube ich das. Er hat nur einen einzigen frischen Einstich im Arm.«
»Harry, du hast gesagt, du hast diesen Mann seit Saigon nicht mehr gesehen. Woher willst du wissen, ob er drauf war oder nicht?«
»Ich hab ihn nicht gesehen, aber mit ihm gesprochen. Er hat mich einmal angerufen, irgendwann im letzten Jahr. Juli oder August, glaube ich. Eine Streife hatte ihn wegen seiner Einstichspuren aufgegriffen und nach Van Nuys geschafft. Irgendwoher, vielleicht aus der Zeitung oder so – es war etwa zur selben Zeit wie die Dollmaker-Sache – hat er erfahren, dass ich Bulle bin und rief mich im Morddezernat an. Rief aus dem Van-Nuys-Gefängnis an und fragte, ob ich ihm nicht helfen könnte. Er hätte nur etwa dreißig Tage absitzen müssen, aber er sagte, er wäre völlig fertig. Und er, hm, sagte, diesmal könne er seine Zeit nicht absitzen, allein könne er nicht runterkommen …«
Bosch brach ab, bevor er die Geschichte zu Ende gebracht hatte. Nach langer Zeit half ihm Edgar wieder auf die Sprünge.
»Und …? Komm schon, Harry, was hast du getan?«
»Und ich hab ihm geglaubt. Ich hab mit dem Cop geredet. Ich weiß noch, dass er Nuckles hieß. Guter Name für einen Streifenbullen, dachte ich. Und dann hab ich die Veteranenfürsorge oben in Sepulveda angerufen und Meadows in den Entzug gelotst. Nuckles hat mitgespielt. Er ist selbst Veteran. Er hat den Staatsanwalt dazu gebracht, den Richter um eine Verschiebung zu ersuchen. Also, jedenfalls hat die Klinik Meadows aufgenommen. Sechs Wochen später habe ich mich erkundigt, und sie sagten, er hätte es voll durchgezogen, wäre runter und es ginge ihm so weit ganz gut. Ich meine, das haben sie mir erzählt. Sie sagten, er wäre in der zweiten Betreuungsstufe. Gespräche mit einem Psychiater, Gruppentherapie … Seit dem ersten Anruf hab ich nie wieder mit Meadows gesprochen. Er hat nie mehr angerufen, und ich habe nicht versucht, ihn zu besuchen.«
Edgar sah auf seinen Block. Bosch merkte, dass die Seite, auf die er starrte, leer war.
»Hör mal, Harry«, sagte Edgar, »das ist fast ein Jahr her. Eine lange Zeit für einen Fixer, oder? Wer weiß? Er könnte seitdem dreimal schwach geworden und wieder von der Droge runtergekommen sein. Aber das ist hier nicht unser Problem. Die Frage ist: Was willst du mit dem anfangen, was wir hier haben? Was willst du wegen heute unternehmen?«
»Glaubst du an Zufälle?«, fragte Bosch.
»Ich weiß nicht. Ich …«
»Es gibt keine Zufälle.«
»Harry, ich weiß nicht, wovon du redest. Aber willst du meine Meinung hören? Ich sehe hier nichts Außergewöhnliches. Einer kriecht in eine Röhre, in der Dunkelheit kann er vielleicht nicht sehen, was er tut, er pumpt sich zu viel Stoff in den Arm und krepiert. Das ist alles. Vielleicht war jemand bei ihm und hat beim Abhauen die Spuren verwischt. Und das Messer mitgenommen. Es könnten hundert versch …«
»Manchmal ist es eben nicht so offensichtlich, Jerry. Das ist hier das Problem. Es ist Sonntag. Alle wollen nach Hause. Golf spielen. Häuser verkaufen. Sich das Match ansehen. Keinen kümmert es. Nur der Form halber. Siehst du nicht, dass es genau das ist, worauf sie bauen?«
»Wer ist ›sie‹, Harry?«
»Wer immer das getan hat.«
Einen Moment lang hielt er den Mund. Er überzeugte kaum sich selbst, von anderen ganz zu schweigen. Auf Edgars Einsatzfreude anzuspielen wäre ein Fehler. Er würde den Job hinschmeißen, sobald sich ihm die Gelegenheit bot. Dann würde er eine Anzeige von der Größe einer Visitenkarte in die Gewerkschaftszeitung setzen – Ehemaliger LAPD-Beamter gibt Kollegen Prozente – und dann eine Viertelmillion jährlich verdienen, indem er Häuser an Cops oder im Auftrag von Cops im San Fernando Valley oder dem Santa Clarita Valley oder dem Antelope Valley oder sonst einem Valley verkaufte, das die Bulldozer gerade ansteuerten.
»Was wollte er in dem Rohr?«, sagte Bosch dann endlich. »Du hast gesagt, er wohnt oben im Valley. Wieso sollte er hier runterkommen?«
»Harry, wer weiß? Der Typ war ein Junkie. Vielleicht hat seine Frau ihn rausgeworfen. Vielleicht ist er da oben krepiert, und seine Freunde haben seinen toten Arsch hier runtergeschleppt, weil sie das alles nicht erklären wollten.«
»Das ist immer noch ein Verbrechen.«
»Ja, es ist ein Verbrechen, aber sag mir Bescheid, wenn du einen Staatsanwalt gefunden hast, der daraus einen Fall macht.«
»Sein Besteck sah sauber aus. Neu. Die anderen Spuren an seinem Arm sehen alt aus. Ich glaube nicht, dass er wieder gedrückt hat. Nicht regelmäßig. Irgendwas stimmt da nicht.«
»Na, ich weiß nicht … Weißt du, wegen AIDS und so, sie sollen ihr Besteck sauber halten.«
Bosch starrte seinen Partner an, als wäre er ihm vollkommen fremd.
»Harry, hör auf mich. Ich will doch nur sagen, dass er vielleicht vor zwanzig Jahren im Schützengraben dein Kumpel war, aber noch im letzten Jahr war er ein Junkie. Du wirst niemals für alles, was er gemacht hat, eine Erklärung finden. Ich weiß nicht, was es mit dem Besteck und den Spuren auf sich hat, aber ich weiß, dass diese Sache nicht danach aussieht, dass wir uns daran alt und runzlig arbeiten sollten. Das hier ist reine Routine. Wochenenden und Urlaub sind da nicht eingeschlossen.«
Bosch gab auf … für den Augenblick.
»Ich fahre rauf nach Sepulveda«, sagte er. »Kommst du mit, oder willst du zurück zu deiner Immobilie?«
»Ich mach meinen Job«, sagte Edgar ruhig. »Nur weil wir nicht einer Meinung sind, heißt das nicht, dass ich nicht tue, wofür ich bezahlt werde. So ist es nie gewesen und wird es auch nie sein. Aber wenn es dir nicht passt, wie ich meine Geschäfte mache, gehen wir morgen früh zu Ninety-eight und bitten um einen Wechsel.«
Augenblicklich tat Bosch sein Schuss unter die Gürtellinie leid, aber er sagte es nicht. »Okay. Du fährst da rauf, siehst nach, ob jemand zu Hause ist. Wir treffen uns, wenn ich mit dem Tatort fertig bin.«
Edgar ging hinüber