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Schwarzes Echo. Michael ConnellyЧитать онлайн книгу.

Schwarzes Echo - Michael Connelly


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ein Muster aus vernarbter Haut an beiden Armen. Alte Einstichspuren, Krater von Abszessen und Infektionen. In der Beuge des linken Armes waren ein frischer Einstich und unter der Haut eine rötlichgelbe Blutung zu sehen.

      »Bingo«, sagte Sakai. »Ich würde sagen, der Typ hat sich die volle Dröhnung in den Arm geknallt und pfffft, das war’s. Wie gesagt, Sie haben hier einen Drogenfall, Bosch. Ihr Tag ist heute früh zu Ende. Holen Sie sich eine Karte für die Dodgers.«

      Bosch ging wieder in die Hocke, um genauer hinsehen zu können.

      »Das erzählt mir hier jeder«, sagte er.

      Und wahrscheinlich hat Sakai recht, dachte er. Aber noch wollte er diesen Fall nicht zu den Akten legen. Zuviel passte nicht zueinander. Die fehlenden Spuren im Rohr. Das Hemd über den Kopf gezogen. Der gebrochene Finger. Kein Messer.

      »Wie kommt es, dass sämtliche Einstiche alt sind, bis auf den einen?«, fragte er mehr sich selbst als Sakai.

      »Wer weiß?«, antwortete Sakai trotzdem. »Vielleicht war er eine Zeit lang nicht drauf und hat beschlossen, wieder anzufangen. Einmal Junkie, immer Junkie. Die brauchen keine Gründe.«

      Beim Betrachten der Einstiche im Arm des toten Mannes bemerkte Bosch kurz unter dem Ärmel, der am linken Bizeps zusammengerollt war, blaue Farbe auf der Haut. Er sah nicht genug, um erkennen zu können, was es war.

      »Ziehen Sie das hoch«, sagte er und zeigte darauf.

      Sakai schob den Ärmel bis zur Schulter und legte eine Tätowierung aus roter und blauer Tinte frei. Es war eine karikierte Ratte, die auf den Hinterbeinen hockte und mit großen Zähnen ordinär grinste. In der einen Hand hielt die Ratte eine Pistole, in der anderen eine Schnapsflasche mit der Aufschrift »XXX«. Die blaue Schrift über und unter dem Cartoon war vom Alter und der gespannten Haut verzogen. Sakai versuchte, sie zu lesen.

      »Da steht ›Force‹ … nein, ›First Infantry‹. Der Typ war in der Armee. Der untere Teil macht keinen … das ist eine andere Sprache. ›Non … Gratum … Anum … Ro …‹ Das kann ich nicht entziffern.«

      »Rodentum«, sagte Bosch.

      Sakai sah ihn an.

      »Küchenlatein«, erklärte Bosch. »Nicht mehr wert als ein Rattenschiss. Er war eine Tunnelratte. Vietnam.«

      »Wie auch immer«, sagte Sakai. Er warf einen prüfenden Blick auf die Leiche und das Rohr und sagte: »Na, in einem Tunnel ist er dann auch krepiert, nicht? In gewisser Weise.«

      Bosch berührte das Gesicht des toten Mannes und strich ihm das struppige, grauschwarze Haar aus der Stirn und den leeren Augen. Da er es ohne Handschuhe tat, unterbrachen die anderen ihre Arbeit und beobachteten dieses ungewöhnliche, höchst unhygienische Verhalten. Bosch kümmerte sich nicht darum. Lange Zeit starrte er in das Gesicht, sagte nichts, hörte nicht, ob etwas gesagt wurde. In dem Augenblick, als ihm klar wurde, dass er das Gesicht kannte, genau wie er die Tätowierung kannte, blitzte das Bild eines jungen Mannes vor seinem inneren Auge auf. Grobknochig und braun gebrannt, das Haar kurz geschoren. Lebendig, nicht tot. Er stand auf und wandte sich abrupt von dem Toten ab.

      Dabei stieß er mit Jerry Edgar zusammen, der endlich eingetroffen war und sich gerade über die Leiche beugen wollte. Beide traten einen Schritt zurück, einen Moment lang wie benommen. Bosch griff sich an die Stirn. Edgar, der wesentlich kleiner war, befühlte sein Kinn.

      »Scheiße, Harry«, sagte Edgar. »Bist du okay?«

      »Ja. Und du?«

      Edgar sah nach, ob an seiner Hand Blut war.

      »Ja. Tut mir leid. Wieso springst du hier so rum?«

      »Ich weiß nicht.«

      Edgar warf über Harrys Schulter einen Blick auf die Leiche, dann folgte er seinem Partner, fort von der Meute.

      »Tut mir leid, Harry«, sagte Edgar. »Ich musste eine Stunde warten, bis ich jemanden hatte, der meine Termine übernehmen konnte. Also, sag an, was haben wir hier?«

      Edgar rieb sich beim Sprechen noch immer das Kinn.

      »Weiß nicht genau«, sagte Bosch. »Ich möchte, dass du dich in einen von diesen Wagen mit MCT setzt. Eins, das funktioniert. Sieh nach, ob du irgendwas zu dem Namen Meadows, Billy, findest, oder besser zu William. Geburtsjahr dürfte 1950 sein. Seine Adresse müssten wir von der Verkehrsbehörde kriegen können.«

      »Ist das der Tote?«

      Bosch nickte.

      »Nichts, keine Adresse auf seinem Ausweis?«

      »Er hatte keinen Ausweis. Ich hab ihn erkannt. Also prüf das über Funk nach. Es müsste in den letzten paar Jahren einige Kontakte gegeben haben. Zumindest Drogengeschichten bei der Van Nuys Division.«

      Edgar schlenderte zu der Reihe von parkenden Streifenwagen hinüber, um einen mit mobilem Computerterminal zu finden. Da er ein stattlicher Mann war, wirkte sein Gang schwerfällig, aber Bosch wusste aus Erfahrung, dass es nicht immer leicht war, mit ihm Schritt zu halten. Edgars Kleidung war makellos. Er trug einen maßgeschneiderten, braunen Anzug mit dünnen Nadelstreifen. Sein Haar war kurz geschnitten und seine Haut beinahe so weich und schwarz wie eine Aubergine. Bosch sah Edgar hinterher und konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass er sein Eintreffen so hingedreht hatte, dass er gerade eben zu spät kam, um sein Ensemble nicht zerknittern zu müssen, indem er in einen Overall stieg und durch das Rohr kroch.

      Bosch trat an den Kofferraum seines Wagens und holte die Polaroidkamera heraus. Dann ging er zu der Leiche zurück, stellte sich breitbeinig darüber und beugte sich vor, um Fotos vom Gesicht zu machen. Drei würden genügen, sagte er sich und legte die Polaroids zum Entwickeln auf das Rohr. Er musste das Gesicht einfach anstarren, die Veränderungen, die die Zeit mit sich gebracht hatte. Er dachte an das Gesicht und das besoffene Grinsen an jenem Abend, als die Ratten der First Infantry geschlossen aus dem Tätowiersalon in Saigon gekommen waren. Es hatte die abgekämpften Amerikaner vier Stunden gekostet, aber sie waren zu Blutsbrüdern geworden, als sie sich alle dasselbe Brandzeichen verpassen ließen. Bosch erinnerte sich an Meadows’ Begeisterung über ihre Verbundenheit und die Angst, die sie gemeinsam teilten.

      Harry trat von der Leiche zurück, während Sakai und Osito einen schwarzen, schweren Plastiksack mit einem Reißverschluss in der Mitte entfalteten. Als der Leichensack offen war, hoben die Leute des Coroners Meadows an und legten ihn hinein.

      »Sieht aus wie dieser verdammte Rip Van Winkle«, sagte Edgar, als er näher kam.

      Sakai zog den Reißverschluss zu, und Bosch sah, dass ein paar von Meadows’ grauen Locken darin eingeklemmt waren. Meadows wäre es egal. Er hatte Bosch einmal gesagt, eines Tages würde er in einem Leichensack enden. Wie alle anderen auch, sagte er.

      Edgar hielt in einer Hand ein kleines Notizbuch, einen goldenen Füller in der anderen.

      »William Joseph Meadows, 21.7.50. Hört sich das gut an, Harry?«

      »Ja, das ist er.«

      »Na, du hattest recht, es gab mehrfach Kontakt. Aber nicht nur Junkiezeugs. Wir haben einen Bankraub, versuchten Raub, Besitz von Heroin. Wir haben Landstreicherei hier oben am Damm vor einem Jahr oder so. Und tatsächlich ein paar Verfahren wegen Drogen. Das eine in Van Nuys, von dem du gesprochen hast. Was war er, dein Informant?«

      »Nein. Hast du eine Adresse?«

      »Wohnt im Valley. Sepulveda, oben bei der Brauerei. Schwierig, in der Gegend ein Haus zu verkaufen. Wenn er also kein Informant war, woher kennst du den Mann?«

      »Ich kannte ihn nicht … jedenfalls nicht in letzter Zeit. Ich kannte ihn in einem anderen Leben.«

      »Was heißt das? Wann kanntest du ihn?«

      »Das letzte Mal hab ich Billy Meadows vor gut zwanzig Jahren gesehen. Er war … es war in Saigon.«

      »Tja, das dürfte etwa zwanzig Jahre her sein.« Edgar ging zu den Polaroids hinüber und sah sich die drei Aufnahmen von Billy Meadows’ Gesicht an. »Kanntest


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