Эротические рассказы

Die kleine Stadt. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Die kleine Stadt - Heinrich Mann


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glauben, ist schwer“, bemerkte der Cavaliere Giordano. „Beim Theater besonders.“

      „Meine Zukunft! Sie werden nicht wollen, daß alles umsonst war?“

      „Ich habe sie erlebt,“ — und der Bariton schlug sich auf die starke Brust. „In Pesaro verschwanden die Schminktöpfe, die man soeben noch in der Hand gehalten hatte, und in einer anderen Garderobe fand man sie wieder. Ich mußte die meinen mehrmals von der Primadonna zurückholen.“

      „Das soll deine Frau erfahren“, sagte Italia.

      „Werde ich denn niemals hier herauskommen?“ — und der Kapellmeister schlug hart auf seinen Stuhl auf und sah gebeugt seine Hände an, die in dürftigen, zu langen Ärmeln staken, geschwollene Adern hatten und schwitzten.

      Man erwiderte ihm mit Entrüstung:

      „Sie waren froh genug herzukommen. Uns scheint, daß hundertfünfzig —“

      Der Cavaliere Giordano bewog die Bürger mit einer Handbewegung zum Schweigen.

      „In Parma hat das Theater, wie viele selbst unter denen, die dort aufgetreten sind, nicht wissen, — aber es ist Tatsache, daß das Theater einen Geist hat. Ich habe ihn erblickt.“

      Er nickte allen nacheinander in die Augen.

      „Jener Geist war vor hundert Jahren eine Dame des Hofes und soll, obwohl ein religiöses Gelübde es ihr verbot, einen Tenor geliebt haben. Nun kommt sie, sooft ein junger, noch unbekannter Tenor singt, durch den Gang aus dem Schloß ins Theater. Immer in derselben Loge sitzt der Geist, die er bei Lebzeiten hatte, und wartet, ob der Fremde jenen Ton aushalten wird . . .“

      „Jenen Ton?“ wiederholte man.

      Der Kapellmeister war schon wieder aufgesprungen. Er tat einige Schritte, schob wütend einen schreienden Haufen Jungen auseinander, ging dem Brunnen zu.

      „Und meine Ouvertüre!“ sagte er immer wieder, nun dumpf, nun ausbrechend, nun knirschend. Er stützte die Hände auf die Brunnenschale und stöhnte laut.

      „Sie soll im Theater aufgeführt werden! Die Garlinda soll meine Arie ‚Trauriges Geschick‘ singen! Wozu ist sie da, wozu sind sie alle da! Ah! Sie wollen mir nicht ans Licht helfen, das ich verdiene? Sie wollen mich aufhalten?“

      Er griff sich ins Haar, er ballte die Faust.

      „Sie mögen sich hüten! Ich habe ihre Kontrakte, ich werde sie damit vernichten, ohne Gnade vernichten!“

      Und er spie in den Brunnen. Dann kehrte er zurück, etwas einwärts auf seinen gekrümmten Beinen; und da er fühlte, daß beim Näherkommen sein Gesicht, er mochte wollen oder nicht, einen bescheidenen Ausdruck bekam, zwang er es zu drohen.

      „Bei der Unmöglichkeit, dies genau zu wissen,“ sagte der Cavaliere Giordano, „werden Sie verstehen, meine Herren, wie schwierig meine Lage war.“

      „Teufel!“

      „Denken Sie sich: ahnungslos trifft man in Parma ein, singt fröhlich drauf los, — um in der letzten Pause von irgendeinem guten Herzen zufällig zu erfahren, daß in der dritten Loge rechts eine geisterhafte Dame sitzt, die darauf wartet, ob man jenen Ton aushält, bei dem vor hundert Jahren ihr Liebhaber gestorben ist. Hält man ihn aus, stirbt man auch, das steht fest. Man erstickt an ihm.“

      „Schönes Vergnügen!“

      „Und man weiß nicht, welcher es ist! Die Überlieferungen stimmen nicht überein. Es konnte auch das hohe d sein, meine Herren: das hohe d meiner großen Arie ‚O bleiche Sterne‘ im letzten Akt der ‚Galathea.‘ Aber soll ich auf mein hohes d verzichten? Mit ihm besiege ich jedes Publikum. Jetzt werde ich dafür vielleicht sterben, elend ersticken? Es handelt sich um die Wahl zwischen Leben und Ruhm . . . Meine Herren, ich war jung, ich nahm den Ruhm.“

      „Bravo! Bravo!“

      Der Advokat lachte keuchend dazwischen, ohne sich seiner Ungebühr bewußt zu sein, nur aus Aufregung, weil er unter dem Tisch auf einen Fuß gestoßen war, der, wenn nicht alles täuschte, Italia Molesin gehörte. Der Cavaliere Giordano sah ihn strafend an, und er riß, ertappt, die Brauen in die Höhe.

      „Freilich sagte ich mir auch; es wird nicht das d gewesen sein, an dem jener Charlatan erstickt ist; denn das hält niemand zwei Minuten lang aus, als nur ich. Gleichviel: wie ich nun vor dem Souffleurkasten stehe, das ganze Haus den Atem zurückdrängt und nur ich ihn hinausschmettere, lange, lange, lange: — o, ich sage die Wahrheit, mir war nicht wohl. Vielleicht war ich ein wenig feucht, vielleicht verschwamm es mir ein wenig vor den Augen. Es kann sogar sein, daß meine Kräfte nachließen. Da aber lenkt Gott meinen Blick, und ich sehe in der dritten Loge rechts eine Gestalt sich erheben und lautlos Beifall klatschen. Das Blut schießt mir zum Herzen, mit Macht breche ich ab, höre das Haus tausend Hände bewegen und fühle, daß ich gerettet bin. Ich verbeuge mich vor der dritten Loge rechts in dem Augenblick, da die Gestalt zurücktritt und verschwindet. Noch jetzt, scheint mir, habe ich sie vor Augen: sehr bleich ist sie und gekleidet wie eine Äbtissin.“

      „Wie eine —!“

      Nello Gennari stand auf einmal lang aufgereckt da, die Hand am Herzen und verstört und blutlos. Allmählich erlangte er Atem.

      „Wie eine Äbtissin: ja, das ist sie gewesen. Eine Nonne! — und jener Tenor starb für sie. Ihre Geschichte ist wahr, Cavaliere! Ich glaube an sie!“

      Er setzte sich. Noch waren alle erschüttert.

      „Cavaliere, ich muß Sie auffordern“, begann der Kapellmeister, schwach und atemlos. Der Advokat gab seinem Stuhl einen Stoß und machte sich, die Hände ausgestreckt, eilig drehend über den Platz.

      „Was hat er?“ fragte Italia enttäuscht. Denn unter dem Tisch war inzwischen auch ihr Knie dem des Advokaten begegnet. „Mit wem ist er?“

      „Das ist der Kaufmann Mancafede, der Vater jener Frau dort hinter dem Turm: nicht hinsehen, sie sieht uns.“

      „Er scheint nicht gefährlich.“

      „Meine Herren,“ begann wieder der Kapellmeister, „Sie haben wohl nicht bedacht, welche Folgen es haben würde —“

      Die beiden näherten sich. Der Advokat redete keuchend und die Luft schlagend am Ohr des andern. Plötzlich schob er ihn vor und ließ ihn los. Der Kaufmann dienerte und reichte seine trockene kühle Hand umher. Sein altes Hasenprofil mit dem gewölbten Auge wendete sich ruckweise.

      „Wenn die Herren es erlauben —“

      Jeder einzelne mußte genickt haben, bevor Mancafede sich setzte. Man betrachtete ihn milde, wie er sich in seiner dicken braunen Jacke, die aussah wie sein Fell, rund und klein machte.

      „Sie haben eine Tochter?“ fragte der Cavaliere herablassend. Mancafede schmunzelte bescheiden.

      „Meine Tochter hat von Ihnen gesprochen, Cavaliere.“

      „Es wäre nicht nötig gewesen.“

      „Nach Ihrem Belieben. Indessen, da sie viel allein ist, beschäftigt sie gern ihren Geist, und so scheint es, daß sie, mehr als wir andern, von der Welt weiß und von gewissen Dingen, die“ — mit der Hand auf dem Herzen — „uns andern zu groß sind. Ihr Ruhm, Cavaliere, hat meine Evangelina nicht schlafen lassen. Sie schläft sonst nach dem Mittagessen; gestern aber stand sie, nach einigem Seufzen, wieder auf und sagte: ‚Papa, jetzt ist er unterwegs hierher!‘ ‚Wer, Töchterchen?‘ ‚Er, der Cavaliere Giordano.‘ Und tatsächlich, bedenkt man es wohl, o meine Herren, soll man ihr dann nicht recht geben, und ist es nicht ein wahres Wunder, daß ein Mann, den sie in Paris und in London mit Angst erwarten, alles ausschlägt, um gerade uns zu erwählen? Kaum glaubt man es, daß er hier sitzt, mitten unter uns, wie einer von uns!“

      „Tatsächlich“, sagten die Bürger nachdenklich. Der Advokat meinte:

      „Dies wäre wirklich eine Gelegenheit, am Rathaus eine Gedenktafel anzubringen.“

      Der Sekretär Camuzzi verzog zweiflerisch das Gesicht,


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