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Aufregend war es immer. Hugo PortischЧитать онлайн книгу.

Aufregend war es immer - Hugo Portisch


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Gibt es dann Krieg? Oder muss der Westen nachgeben, was wohl hieße, Westberlin aufzugeben?

      Die Blockade wird am 24. Juni 1948 verhängt. Einen Tag später befiehlt der amerikanische Oberbefehlshaber in Deutschland, General Lucius D. Clay, die Errichtung einer Luftbrücke, zunächst von Frankfurt am Main nach dem im amerikanischen Sektor Berlins gelegenen Flughafen Tempelhof. Wir fragen uns: Das wollen die Amerikaner wirklich versuchen? Über zwei Millionen Berliner mit Flugzeugen aus der Luft zu versorgen? Mit Lebensmitteln, mit Kohle für die E-Werke, mit Treibstoff und allen Gebrauchsgütern?

      Das kaum für möglich Gehaltene aber geschieht. Amerikanische Versorgungsflugzeuge starten nun bald im Fünfzehnminutentakt, landen in Tempelhof, werden blitzschnell entladen und rollen zurück auf die Startbahn. Großbritannien und Frankreich helfen mit. Die Briten landen auf dem Berliner Flughafen Gatow, der sich in ihrem Sektor befindet, die Franzosen in Tegel im französischen Sektor. Was kaum jemand für möglich gehalten hätte, der Westen hält diese gewaltige Versorgungsoperation fast ein ganzes Jahr – bis zum 12. Mai 1949 – aufrecht. Insgesamt sind das 280.000 Versorgungsflüge. Dabei gibt es mehrere tödliche Unfälle. 39 Briten, 31 Amerikaner und 13 Deutsche kommen ums Leben.

      Die Sowjets aber müssen erkennen, dass der Westen nicht nachgeben wird. Ihr Vorhaben, die Westmächte aus Berlin zu vertreiben, ist gescheitert. Das von den Westdeutschen erhoffte und von den Westmächten angestrebte Ziel, die drei Westzonen Deutschlands zu vereinen und eine eigene Bundesrepublik Deutschland zu schaffen, ist durch die Sowjetblockade gegen Berlin nur beschleunigt worden – gerade das, was Moskau verhindern wollte.

      In Österreich nimmt die Auseinandersetzung zwischen Ost und West, der Kalte Krieg, zunächst andere Formen an und wir in der »Tageszeitung« haben das fast jeden Tag zu kommentieren. Die Währungsreform haben sich die Sowjets für einen günstigeren Umtauschkurs abkaufen lassen. Aber die von den Sowjets gleich nach ihrem Einmarsch in Österreich als sogenanntes »Deutsches Eigentum« beschlagnahmten Industrien und Betriebe, darunter auch die Erdölfelder rund um Zistersdorf und die Donaudampfschifffahrtsgesellschaft, werden mit einem einzigen Befehl des Oberkommandierenden Sowjet-Marschalls Iwan Konjew zum Eigentum der Sowjetunion erklärt und der direkten Verwaltung in Moskau unterstellt. Diese zentrale Verwaltung des sowjetisch gewordenen »Deutschen Eigentums« wird mit den Anfangsbuchstaben ihres russischen Namens »USIA« genannt.

      Was die neue österreichische Währung wert ist, haben die Sowjets schnell begriffen. So gründet die USIA in Ostösterreich eine eigene Kaufhauskette und beginnt zu verkaufen, was in den USIA-Betrieben hergestellt wird. Bis jetzt sind diese Produkte nach dem Osten geliefert worden. Nun aber ist es für die Sowjets lukrativer, viele dieser Produkte in Österreich selbst anzubieten und sie für neue harte Schillinge zu verkaufen. Es dauert nicht lange, da verkauft die USIA auch Waren aus den benachbarten kommunistischen »Volksdemokratien« in ihren österreichischen Läden – unter dem normalen Preis, denn die USIA als Unternehmen der Besatzungsmacht zahlt keine Zölle und keine Steuern. Aus Bulgarien werden Zigaretten und aus Ungarn Lebensmittel angeboten. Schließlich beginnt die USIA sogar Waren aus dem Westen einzuführen, ebenfalls zoll- und steuerfrei, um sie zu reduzierten Preisen auf den Markt zu werfen.

      Für die österreichische Wirtschaft hat das schlimme Auswirkungen. Denn die USIA-Läden werden von vielen Österreichern der Preise wegen gerne besucht. Die »Tageszeitung«, der Wirtschaft verbunden, nimmt den Kampf gegen die Schmutzkonkurrenz der USIA auf. Ich habe damals einen Kommentar nach dem anderen gegen die USIA geschrieben. Wir betrachteten das Vorgehen der Sowjets nicht nur in Berlin, sondern auch bei uns in Österreich als Teil des Kalten Krieges.

      Just in dieser Zeit kam Hans Dichand in die Redaktion mit der Nachricht, dass er die Zeitung nun bald, wenn es geht sogar gleich, verlassen werde. Er habe das Angebot erhalten, in der Steiermark die Chefredaktion des »Murtaler Boten« zu übernehmen. Zunächst wusste keiner von uns, was der »Murtaler Bote« war. Aber Dichand fand dieses Angebot verlockend. Wie sich später herausstellte, war es für Dichand und in einem gewissen Sinn auch für mich sogar schicksalhaft. Denn den »Murtaler Boten«, ein Wochenblatt, so klein es auch war, brachte Dichand zu einer erstaunlichen Auflage, und dieser Erfolg führte zum nächsten Angebot an ihn, nämlich die »Kleine Zeitung« in Graz, damals auch noch ein Wochenblatt, als Chefredakteur zu übernehmen. Dichand machte die »Kleine Zeitung« zu einer erfolgreichen Tageszeitung, und dieser Erfolg brachte ihm die Berufung zum »Neuen Kurier« ein. Was wieder zum Angebot Dichands an mich führte, mit ihm den »Kurier« zu gestalten.

      Zur Mitgestaltung hatte mich Dichand auch schon eingeladen, als er zum »Murtaler Boten« ging. Er bat mich, jede Woche für den »Murtaler Boten« einen Bericht zu schreiben, genau genommen einen Leitartikel zur Weltpolitik. Und das tat ich auch. Nebenbei und ohne es meinem Chefredakteur zu sagen, nahm ich doch nicht an, dass Dichand diese Berichte unter meinem Namen erscheinen lassen würde.

      Als die Sowjetblockade gegen Berlin begann, gab es in Wien große Sorge, die Sowjets könnten auch Wien blockieren. Wie ernst die Regierung und die Westmächte das nahmen und wie sehr sie sich für diesen Fall vorzubereiten suchten, das wurde mir erst bewusst, als wir diese Vorgänge für die Fernsehdokumentation »Österreich II« recherchierten. Amerikaner und Briten legten in Wien große Vorräte an und planten, zwei Flugplätze innerhalb der Stadt zu bauen, um auch Wien über eine Luftbrücke versorgen zu können.

      Aber damals glaubte ich, es noch besser zu wissen. Ich hatte Lenin gelesen und mir einen von ihm genannten Grundsatz gemerkt: Die Sowjetmacht (zu seiner Zeit noch ganz jung) dürfe in keinen Krieg gehen, dessen Ausgang ungewiss sei, denn einen verlorenen Krieg würde sie nicht überleben. Jetzt dachte ich, ein Krieg wegen Berlin wäre zumindest ein Krieg mit ungewissem Ausgang, wenn nicht von vornherein für die Sowjetunion schon verloren bei der atomaren Übermacht der USA. Und so schrieb ich für den »Murtaler Boten« einen Kommentar, in dem ich auf die Befürchtungen Bezug nahm, auch Wien könnte wie Berlin von den Sowjets blockiert werden. Aber in Wien, so meinte ich, wäre es für die Westmächte nicht möglich, ihre Sektoren aus der Luft zu versorgen. Der Flughafen der Amerikaner befand sich in Langenlebarn bei Tulln, also mitten in der Sowjetzone, und der Flughafen für die Briten und Franzosen war Schwechat, ebenfalls umgeben von der Sowjetzone. Würden die Sowjets Wien blockieren, so hätten die Westmächte nur die Wahl, den Rückzug anzutreten oder den militärischen Durchbruch zu versuchen. Dann berief ich mich auf Lenin: Die Sowjetmacht dürfe keinen Krieg riskieren, dessen Ausgang ungewiss sei – also werde es keine Blockade gegen Wien geben, hier sei das Kriegsrisiko viel größer, weil es die Alternative einer Luftbrücke nicht gebe. Der gewagte Gedanke eines jungen Journalisten. Trotz allem aber sehr beruhigend, keine Angst, es werde keine Blockade geben.

      Einige Tage später erhielt ich einen eingeschriebenen Brief. Die Staatsanwaltschaft habe gegen mich Klage eingebracht – wegen Volksverhetzung, und auch schon den ersten Verhandlungstag vor Gericht festgelegt. Jetzt musste ich zu meinem Chefredakteur gehen, um ihm zu beichten. Der Chefredakteur hieß Hans Kronhuber, war ein großartiger Mensch und Chef. Er verstand mein Motiv der Kollegenhilfe für Dichand und trug mir die Berichte für den »Murtaler Boten« nicht nach. Mehr noch, er sagte mir zu, den offensichtlichen Irrtum der Justizbehörde, ich hätte mit diesem Artikel Volksverhetzung betrieben, aufzuklären. Für mich, so meinte ich, war damit die Sache erledigt.

      Dann standen eines Morgens zwei Kriminalbeamte vor der Tür der Wohnung, in der ich zur Untermiete wohnte. Sie seien gekommen, um mich vorzuführen, denn ich hätte den für heute vorgesehenen Gerichtstermin nicht eingehalten. Sie nahmen mich mit und wir fuhren mit der Straßenbahn Nr. 13 zum Wiener Landesgericht. Vorher ließen mich die beiden Beamten noch telefonieren. Ich verständigte Kronhuber und auch meine künftige Frau Gertraude, hatte ich doch keine Ahnung, wie das nun weitergehen würde.

      In den Gerichtssaal geführt, stand ich gleich vor dem Staatsanwalt und dem Richter, die den Prozess schon eröffnet und auf mich gewartet hatten. Ehe ich mich versah, rief der Staatsanwalt dem Richter zu: »Herr Rat!« Der rief zurück: »Herr Staatsanwalt«, und der: »Ich beantrage eine Haftstrafe von 48 Stunden.« Der Richter: »Angeklagter, wollen Sie sich nicht entschuldigen?« Darauf ich: »Wofür, Herr Rat?« – »Für die Beleidigung des Gerichts.« Ja, ich hätte das Gericht beleidigt, weil ich so dastünde, wie ich dastand, nämlich, so begründete es der Richter, mit beiden Händen in den Taschen meines


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