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Zwischen den Rassen. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Zwischen den Rassen - Heinrich Mann


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Heran­ge­wach­se­ne sich los: so leicht, als habe sie sich in­ner­lich nie bei Er­nes­te ge­fühlt! Zwar durf­te man nicht un­ge­recht wer­den: sie hat­te das Le­ben vor sich und wand­te sich ihm zu; und dann war wirk­lich viel Frem­des in ihr, das man nicht be­griff und das ei­nem Sor­ge ma­chen konn­te. Schon im­mer war Er­nes­te ängst­lich be­rührt, bei­na­he ein­ge­schüch­tert wor­den durch die An­zei­chen der frem­den Her­kunft bei Lola. Die auf­fal­len­den Äu­ße­run­gen des Kin­des zu­erst, sei­ne ei­gen­ar­ti­gen Ver­ge­hen und dass es ei­gent­lich nie­mals Ka­me­ra­den ge­habt hat­te. Dann sei­ne et­was frü­hen klei­nen Ver­liebt­hei­ten; nun, sie wa­ren schwär­me­risch und rein und moch­ten hin­ge­hen. End­lich aber die­se schlim­me Lust nach dem Thea­ter: oh, et­was ganz Schlim­mes war da in Lola ent­stan­den, aus Kei­men, die Er­nes­te trotz al­ler Pfle­ge die­ser See­le nicht hat­te er­sti­cken kön­nen. Wie un­heim­lich ih­r’s da­mals zu Mut ge­we­sen war, und wie kum­mer­schwer sie nun die Ent­frem­dung zwi­schen ih­nen bei­den wach­sen und die Tren­nung sich nä­hern sah!

      »Wa­rum ist sie so? Was hat sie mir vor­zu­wer­fen? Denkt sie doch noch ans Thea­ter?« Auch an­de­re Mäd­chen in Lo­las Al­ter, und ge­ra­de die Bes­se­ren, wuss­te Er­nes­te, hat­ten ihre scheu­en und ei­gen­wil­li­gen Zei­ten, stan­den im­mer im Be­griff, in Ohn­macht zu fal­len – dies ge­sch­ah Lola nie – wa­ren schwach, er­reg­bar und tief. Lola aber war gar zu un­er­gründ­lich, und in ih­rer Ver­schlos­sen­heit spür­te man et­was Bit­te­res, Feind­se­li­ges. Hat­te sie zu kla­gen: warum er­öff­ne­te sie sich nicht ih­rer al­ten Freun­din? »Früh ge­nug blei­ben wir al­lein im Le­ben. Noch hat sie eine, der sie al­les ist. Aber die Ju­gend trumpft auf ihre Selbst­stän­dig­keit. Spä­ter wird sie an mich den­ken.« Ge­reizt vom ein­sa­men Grü­beln, war Er­nes­te nahe dar­an, Lola ein recht schlim­mes Spä­ter zu wün­schen, da­mit sie an sie den­ke. Dann wur­den Lo­las Schrit­te ver­nehm­lich, und noch be­vor sie in der Tür stand, hat­te Er­nes­te ihr al­les ab­ge­be­ten.

      »Bist du nun ge­nug um­her­ge­lau­fen?« frag­te sie mun­ter. »Setzt du dich nun ge­müt­lich zur al­ten Er­nes­te?«

      Da­bei stell­te sie sich ganz mit ih­rer Hä­ke­lei be­schäf­tigt und sprach nur in Pau­sen.

      »Weißt du wohl, wor­an ich eben er­in­nert wur­de? An das sei­de­ne Kleid­chen, in dem du da­mals aus Ame­ri­ka kamst. Dies da hat eine ähn­li­che Far­be, und die Är­mel sind auch wie­der so. Was al­les zwi­schen den bei­den Klei­dern liegt, nicht?«

      Lola sah mit ei­ner Fal­te zwi­schen den Au­gen vom Buch auf, war­te­te, was sie sol­le, und las wei­ter.

      »Du kamst zu ei­ner Zeit, als ich sehr ein­sam und trau­rig war«, sag­te Er­nes­te nach ei­ner Wei­le.

      »Be­liebt?« frag­te Lola; und Er­nes­te sprach, trotz ih­rer Scham, den Satz noch ein­mal.

      »So?« mach­te Lola, un­ge­dul­dig, weil sie einen Au­gen­blick von sich selbst fort und über je­mand an­de­ren nach­den­ken muss­te.

      »Ach ja, du warst das ers­te Jahr im­mer in Trau­er.«

      Sie sah noch in die Luft, ob sie wei­ter­fra­gen müs­se. Wozu? Und sie kehr­te zum Buch zu­rück.

      »Wenn man so al­lein ge­blie­ben ist, wie ich da­mals, dann ist das Herz vor­be­rei­tet. Drum ge­wann ich dich, die du auch al­lein warst, gleich sehr lieb«, sag­te Er­nes­te ein­fach. Nach ei­ner Pau­se, da Lola sich nicht reg­te:

      »Nun, ganz ver­ges­sen wirst du die alte Er­nes­te wohl nie­mals.«

      Ein sto­cken­des Selbst­ge­spräch.

      »Soll­test du einst ein Kind zu er­zie­hen ha­ben, ja, dann denkst du ge­wiss an mich … Du musst es selbst er­zie­hen … Bei Rous­seau – hier den Emi­le wol­len wir zu­sam­men le­sen – steht fol­gen­des: ›Wenn ein Va­ter Kin­der zeugt und er­nährt, leis­tet er da­mit erst ein Drit­tel sei­ner Auf­ga­be … Wer die Va­ter­pflich­ten nicht er­fül­len kann, hat kein Recht, Va­ter zu wer­den. We­der Ar­mut noch Ar­bei­ten noch mensch­li­che Rück­sich­ten ent­he­ben ihn der Pf­licht, sei­ne Kin­der selbst zu er­näh­ren und zu er­zie­hen. Le­ser, ihr könnt mir glau­ben, je­dem, der ein Herz hat und so hei­li­ge Pf­lich­ten ver­säumt, sage ich vor­aus, dass er über sei­nen Feh­ler lan­ge Zeit bit­te­re Trä­nen ver­gie­ßen und sich nie trös­ten wird.‹«

      Er­nes­te sah vom Buch auf. Lola saß blass da und sah sie durch­drin­gend an. Plötz­lich, klar, rasch und ein­tö­nig:

      »Meinst du etwa mei­nen Va­ter?«

      Er­nes­te öff­ne­te er­schreckt den Mund und konn­te nicht spre­chen. Sie wehr­te mit der Hand ab.

      »Meinst du etwa mei­nen Va­ter?« wie­der­hol­te Lola. Ro­sig bis über die Stirn brach­te Er­nes­te her­vor:

      »Um Got­tes wil­len, Kind, was fällt dir ein! Ich habe von uns ge­spro­chen, von dir und mir. Ich hal­te dich in mei­nen Ge­dan­ken ja im­mer für mein ei­gen!«

      Lola prüf­te sie noch im­mer. Nein, Er­nes­te hat­te wohl nicht an Pai ge­dacht. Wie sie sich auf­reg­te! Welch selt­sa­mer Ton: ich hal­te dich für mein ei­gen. Lola stutz­te; aber dann ver­glich sie un­will­kür­lich das an Er­nes­tes ver­wach­se­nem Kör­per schlechts­it­zen­de Kleid mit ih­rem ei­ge­nen, das sie auch im­mer ver­geb­lich zu­recht­zog, und sie sah weg.

      Er­nes­te beug­te sich über ihre Hä­ke­lei und sann er­schüt­tert: »Sie kann glau­ben, dass ich ihr wehe tun will? Ar­mes Kind! Ar­mes Kind!«

      Et­was spä­ter stell­te sie eine Fra­ge, und als Lola nicht ver­stan­den hat­te, klopf­te Er­nes­te auf den Tisch und be­merk­te streng:

      »Wenn du beim Le­sen die Fin­ger in die Ohren steckst, kannst du mich al­ler­dings nicht ver­ste­hen. Sprich üb­ri­gens fran­zö­sisch!«

      Und sie führ­ten zur Übung ein lan­ges, gleich­gül­ti­ges Ge­spräch.

      Nein, wahr­haft lie­bens­wer­te We­sen gab es nur auf an­de­ren Ster­nen; in ih­rer Nähe such­te Lola sie nicht. Ei­nes Ta­ges aber fand sie einen jun­gen Vo­gel, der ver­geb­lich ins Ge­büsch zu flat­tern ver­such­te, und nahm den aus dem Nest Ge­fal­le­nen mit nach Hau­se.

      »Was ist das über­haupt für ein Tier?« sag­te Er­nes­te.

      »Das ist ganz gleich«, er­klär­te Lola. »Ich habe ihn gern.«

      »In der Stadt wol­len wir gleich im Buch nach­se­hen.«

      »Nein, bit­te nicht! Von wel­cher Gat­tung er ist und al­les üb­ri­ge küm­mert mich nicht. Vi­el­leicht ist er ein klei­ner Frem­der: ich habe ihn gern.«

      »Kind, du bist son­der­bar; aber wie du willst.«

      Nun saß Lola hal­be Tage mit dem Vo­gel in ih­rem Zim­mer, ließ ihn über ihre Fin­ger stei­gen, auf ihre Schul­ter flat­tern und bot ihm, mit ei­nem Körn­chen zum Pi­cken, ihre Lip­pen. Als er zu flie­gen an­fing, schloss sie das Fens­ter, setz­te ihn vor sich hin auf den Tisch, be­trach­te­te ihn, den Kopf in der Hand, wie er pick­te, eckig den Kopf rück­te, sie an­sah und einen klei­nen hel­len, ein­sa­men Laut aus­stieß, und stell­te sich vor, dies sei ein Kä­fig und sie bei­de sei­en dar­in ein­ge­sperrt.

      Zu­rück in der Pen­si­on, sehn­te sie sich kei­nen Au­gen­blick nach ih­rem Wal­de, nach den Ge­wit­tern und der Holz­fäl­ler­hüt­te; sie hat­te ih­ren klei­nen Ge­nos­sen, der zwi­schen den Stä­ben sei­nes


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