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Zwischen den Rassen. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Zwischen den Rassen - Heinrich Mann


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den lie­be­leers­ten ge­hal­ten, we­gen des­sen sie ihn fast ge­hasst hat­te! Jetzt lern­te sie, in die Wor­te hin­ein­zu­hor­chen. »Ich habe dich lieb«, sag­ten alle, wie einst Pais ers­te deut­sche Wor­te in sei­nem ers­ten Brief es Lola ge­sagt hat­ten.

      Pais schwe­ren, ru­hi­gen Schritt ver­nahm sie aus sei­nen Wor­ten, fühl­te sei­ne star­ke, gute Hand, sah die ver­hal­te­ne Emp­fin­dung in sei­nem erns­ten Ge­sicht. »Auf der Gro­ßen In­sel! Pai be­such­te mich; ich war ganz klein, er so groß und blond, viel grö­ßer als alle Men­schen. Alle be­wun­der­ten ihn und be­nei­de­ten mich, wenn ich an sei­ner Hand ging. Wie stolz war ich auf ihn!« Bei die­ser Erin­ne­rung warf Lola sich auf­schrei­end zu Bo­den.

      Er­nes­te kam und wag­te lan­ge nichts zu sa­gen. Lola lag da, reich­te Er­nes­te, ohne das mit den Ar­men ver­hüll­te Ge­sicht zu er­he­ben, den Brief hin, schüt­tel­te sich aber, so­bald Er­nes­te, über ih­ren Na­cken ge­beugt, nur flüs­ter­te. Plötz­lich fuhr sie em­por.

      »Ich bin eine schlech­te Toch­ter ge­we­sen!«

      »Wie magst du das sa­gen!« stam­mel­te Er­nes­te. »Seit frü­her Kind­heit hast du dei­nen gu­ten Va­ter nicht mehr ge­se­hen.«

      Lola stampf­te auf.

      »Ich habe ihn ge­hasst! Eine schlech­te Toch­ter!«

      »Der Schmerz ver­wirrt dich, Kind«; und Er­nes­te, die schluchz­te, um­arm­te Lo­las Kopf und drück­te ihn an sich. Lola woll­te sich los­rei­ßen; aber Er­nes­te nahm alle Kraft zu­sam­men, und all­mäh­lich ließ Lola sich schlaff wer­den, sin­ken und wei­nen.

      »Du musst an Mut­ter und Bru­der schrei­ben«, sag­te schließ­lich Er­nes­te im Ton der höchs­ten Eile, froh, eine Tä­tig­keit für Lola ge­fun­den zu ha­ben, die aus ih­rem Schmer­ze selbst her­vor­ging und in die er sich er­gie­ßen konn­te. Wie Lola dann ihre blu­ten­den Ge­dan­ken sam­mel­te, ka­men auch un­er­war­te­te. »Was soll ich ih­nen schrei­ben? Dass ich kom­men möch­te! Jetzt kann ich kom­men, denn Pai ist tot.« Mit Ent­set­zen: »Das ist ja, als ob ich mich freu­te! Nein! Nein! Ich wer­de nicht nach Hau­se rei­sen; er hat es nicht ge­wollt, und ich ver­die­ne es nicht.«

      Sie schrieb, sie müs­se hier noch ihre Aus­bil­dung be­en­den, und fühl­te sich, als sie auf­stand, ge­wach­sen.

      Nachts wein­te sie: über den da­hin­ge­gan­ge­nen Va­ter, über das Ver­bot, an das er sie noch als To­ter band, über die ver­lo­re­ne Hei­mat, über al­les wein­te sie die­sel­ben Trä­nen. Er­nes­te hör­te sie die gan­ze Nacht und lag ganz still. Am Tage aber tat die Buße, die sie sich auf­er­legt hat­te, Lola wohl. Die Schmer­zen und der Ver­zicht, um Pais wil­len er­dul­det, wa­ren et­was wie eine Fa­mi­lie, wa­ren ein Stück Hei­mat.

      Auf ein­mal stand sie wie­der ganz am An­fang, als sie mit Er­stau­nen den Trau­er­brief er­brach. »Es ist nicht mög­lich, dass er tot ist! Vor ein paar Ta­gen leb­te er doch. Auch noch, als der Brief schon un­ter­wegs war, leb­te er doch! Hät­te ich die­sen schwarz­ge­rän­der­ten Brief nicht ge­le­sen, er leb­te noch im­mer. Es wäre al­les wie sonst. Ich habe ihn nicht le­ben ge­se­hen und sah ihn auch nicht ster­ben. Was weiß ich? Pai! Pai!«

      Und da sah sie sich als Kind, wie sie auf ih­ren Irr­we­gen durch die Stadt, in­mit­ten ei­nes lee­ren Plat­zes, wo es weh­te, ste­hen­blieb und fle­hent­lich ihr »Pai!« rief. Auch da­mals hat­te er sie al­lein ge­las­sen, und sie hat­te es nicht glau­ben wol­len! Jetzt war er noch viel wei­ter fort­ge­gan­gen, und der Glau­be war noch schwe­rer. »Er woll­te doch her­kom­men!« Ja: auch da­mals hat­te er ge­ru­fen »noch einen Kuss, klei­ne Toch­ter«; und in­des sie ei­nem Schmet­ter­ling nach­lief, war er ver­schwun­den.

      »Wa­rum kommt auch kein Brief mehr! Ich habe sie noch so viel zu fra­gen!«

      Sie schrieb Brie­fe über Brie­fe, und in je­den woll­te sich die Bit­te hin­ein­drän­gen: »Darf ich zu euch?« »Nein, nein! Ich darf nicht. Am Ende wür­de auch Mai ster­ben. Pai ist ge­stor­ben, weil er zu mir woll­te. Auf mir ist ein Ver­häng­nis: ich soll al­lein blei­ben.« Und aus sol­chem fei­er­li­chen Schick­sal mach­te sie sich einen Halt für das Le­ben, das sie zu be­ste­hen hat­te. Gleich zu An­fang des Herbs­tes ver­trat sie den Wunsch, Kon­fir­ma­ti­ons­stun­den zu neh­men.

      »Schon?« frag­te Er­nes­te be­stürzt. »Ich wuss­te wohl, Kind, dass ich dich wür­de her­ge­ben müs­sen; aber so früh!«

      »Was willst du, ich bin sech­zehn«, ver­setz­te Lola, ohne Er­nes­tes Auf­re­gung zu be­ach­ten, kalt­blü­tig, wie je­mand, der sich mit al­lem Kom­men­den ab­ge­fun­den hat.

      »Und was willst du dann tun, Kind? Nach Hau­se rei­sen?«

      »Kei­nes­falls. Al­les muss sich fin­den.«

      Wie­der be­gann Lola Plä­ne zu ma­chen; und dies­mal hielt sie sie für un­an­greif­bar, denn sie rech­ne­te auf sich selbst al­lein. »Ich wer­de von nie­mand ab­hän­gen. Nie­mand kann mich ver­las­sen, kei­nem wer­de ich mehr nach­zu­trau­ern ha­ben. Al­lein wer­de ich mei­nes We­ges zie­hen.«

      An ei­nem Nach­mit­tag des nächs­ten Früh­lings saß Lola mit ei­ni­gen Al­ters­ge­nos­sin­nen beim Tee. Er­nes­te gab den Heran­ge­wach­se­nen die Er­laub­nis, sich Ka­me­ra­din­nen aus der Stadt ein­zu­la­den, und sie ließ die Mäd­chen un­ter sich. Schwarz und sehr ele­gant – denn die Schnei­de­rin der Pen­si­on be­stell­te ihr ge­gen Ver­gü­tung und ohne Er­nes­tes Wis­sen man­che Sa­chen aus Pa­ris – lag Lola im Schau­kel­stuhl und blies ih­ren Zi­ga­ret­ten­rauch, da­mit man ihn nach­her nicht rie­che, aus dem Fens­ter. Ein blü­hen­der Ap­fel­baum griff mit sei­nen Äs­ten her­ein; es war das­sel­be Zim­mer, worin einst die klei­ne Lola mit ih­rem Va­ter von Er­nes­te be­grüßt wor­den war.

      »Ja ja, wer weiß, was je­der be­vor­steht. Die meis­ten von euch wer­den zwei­fel­los im Ge­lei­se blei­ben und hei­ra­ten.«

      »Rede nur nicht, Lola. Als ob es bei dir nicht aufs sel­be hin­aus­käme.«

      »Schwer­lich. Ich kann mir nicht gut einen Mann den­ken, zu dem ich ge­hö­ren wür­de. Ich habe ein ei­gen­tüm­li­ches Schick­sal, mei­ne Lie­ben. Vor meh­re­ren Jah­ren – Gott, wir wa­ren noch hal­be Kin­der – nann­tet ihr mich mal aus Bos­heit in­ter­na­tio­nal. In eu­rer Bos­heit hat­tet ihr aber ganz recht. Ich ge­hö­re nicht hier­her, und an­ders­wo­hin ver­mut­lich auch nicht.«

      »Na, du bil­dest dir aber was ein!«

      »Ich den­ke mir die Sa­che an­zu­se­hen. Wenn ich hier glück­lich her­aus bin, gehe ich, ver­mut­lich mit ei­ner Ge­sell­schaf­te­rin, auf Rei­sen. Spa­ni­en und Por­tu­gal neh­me ich mir be­son­ders vor.«

      »Wie willst du als jun­ges Mäd­chen denn durch­kom­men? Schon die Spra­che!«

      »Mei­ne Mut­ter­spra­che ist Por­tu­gie­sisch!«

      »Du hast längst al­les ver­ges­sen.«

      »Ich kann schon noch et­was.«

      »Sprich mal!«

      Lola blies Rauch aus dem Fens­ter. Die Tür ward ge­öff­net, und Er­nes­tes Stim­me sag­te fran­zö­sisch:

      »Ein Be­such, mei­ne Da­men.«

      Sü­ßes Par­füm drang her­ein, und eine schö­ne Dame, schwarz und sehr ele­gant, noch jung, mit glän­zend weißem Ge­sicht und glän­zend schwar­zen Haar­ban­de­aus, trat rasch in den Kreis der jun­gen


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