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im Schlaraffenland. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

im Schlaraffenland - Heinrich Mann


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sich mehrmals nach ihr umgesehen.

      „Der sollten Sie den Hof machen,“ sagte plötzlich Duschnitzki, der ihn teilnahmsvoll prüfend betrachtete.

      „Dem Fräulein Asta? Warum denn?“ fragte Andreas.

      „Um ihre wohlwollende Neutralität zu erlangen.“

      „Sehr richtig,“ bemerkte Klempner. „Sie wissen wohl nicht, dass Asta die Liebhaber ihrer Mutter als ihre persönlichen Feinde betrachtet? Dem Ratibohr hat sie einen Streich gespielt.“

      „Ein bösartiger Charakter, sage ich Ihnen!“ rief Süß mit Tränen in der Stimme. Der reichliche Sektgenuss machte ihn weich und melancholisch. Andreas erkundigte sich:

      „Ist Asta eifersüchtig auf ihre Mutter?“

      „I wo! Sie verachtet die Mama!“

      „So moralisch?“

      „Moralisch aus Snobismus,“ erklärte Klempner. „Asta fühlt das Bedürfnis, ihre soziale Stellung zu verbessern. Ihre Mutter könnte drei alte Grafen auf einmal haben, und sie würde sie ihr nicht übel nehmen. Aber gegen die jungen Talente hat sie nun mal ein Borurteil.“

      Andreas dachte an Kaflisch und sagte mit Betonung:

      „Sie ist eben ein modernes Weib, mehr intellektuell als Geschlechtswesen.“

      „Modern besonders im Geldausgeben,“ versetzte Duschnitzki. „Sie kostet Türkheimer gerade so viel wie seine Maitressen.“

      „Und das sollte eine Tochter doch nicht!“ fügte Süß aufs höchste bekümmert hinzu. Duschnitzki fuhr fort:

      „Und dabei verachtet sie auch Türkheimer mitsamt seinen Geschäften, und sie sagt es jedem der es hören will!“

      „Die Unglückliche! Sie ist aus der Art geschlagen!“ jammerte Süß,

      „Sie kauft sich einen Namen! Was ist denn so ’n abgetragener Name heute wert?“

      „Kunststück!“ meinte Klempner. „So ’nen Baron und gar ’nen Geheimrat vom Neuen Kurs kann sich doch jetzt schon der gute Mittelstand leisten, seit der Adel sich den Liberalismus anschafft, den wir abgelegt haben!“

      Es wurden Schalen mit Zigarren und Zigaretten auf den Tisch gestellt. Andreas, der Feuer brauchte, ließ sich den silbernen Kandelaber herüberschieben. Dieser bestand aus einer fein ziselierten Säule, an der Colombine lehnte, die sich von einem Herrn küssen ließ. Pulcinella stand dabei und hielt den Leuchter, den er auf den Rand der Säule schob. Andreas sah die Welt rosenfarbig und verspürte Lust, sich für irgendetwas zu begeistern, erinnerte sich aber noch rechtzeitig, dass dies für unpassend galt. Er sagte daher einfach:

      „Eine recht nette Arbeit!“

      Duschnitzki bestätigte dies:

      „Nichts dagegen einzuwenden!“

      Klempner begann sogleich seine weinselige Beredsamkeit über die Bedeutung zu verbreiten, die der Pulcinellafigur in der Geschichte der Menschheit zukam. Er sah in ihr den komisch aufgefassten Typus des reinen Naturkindes, das ohne moralisches Vorurteil an die Dinge herantritt, zu Niederträchtigkeiten in seiner Unschuld ebenso geneigt wie zu Heldentaten, und er verglich sie mit Parsifal und Siegfried, die denselben Charakter von der tragischen Seite darstellten. Sein Blick glitt verschleiert und unsicher zu Andreas hinüber, er schien plötzlich eine Entdeckung zu machen und rief aus:

      „Sie, mein Lieber, haben eigentlich was davon!“

      Andreas war zu versöhnlich gestimmt, um auf Klempners Anzüglichkeit einzugehen. Er fragte:

      „Wer ist der Künstler?“

      Süß belehrte ihn mit rührseliger Entrüstung.

      „Menschenkind, Sie kommen aus Gegenden, wo man Claudius Mertens nicht kennt? Blicken Sie mal dorthin, und Ihr Auge wird einem großen Manne begegnen!“

      In der bezeichneten Richtung entdeckte Andreas einen breitschultrigen Herrn mit gutmütigem Gesicht, blondem Vollbart und nachlässig gebundener Krawatte. Er hielt das Bein übergeschlagen und eine Hand daraufgelegt, die ungewöhnlich kräftig aussah und so breite gedrungene Finger hatte, dass Andreas zweifelnd das zerbrechliche Kunstwerk vor sich auf dem Tische betrachtete.

      „Wie hat er das gemacht?“ fragte er sich. Er äußerte:

      „Claudius Mertens? Ich habe den Namen nie gehört.“

      „Sie sind entschuldigt,“ erklärte Duschnitzki. „Claudius ist über einen gewissen Kreis hinaus fast unbekannt, und das ist sein Ruhm. Er stellt nichts aus und arbeitet nur für ein paar Häuser wie Türkheimers, die ihn kolossal dafür bezahlen, dass er die Modelle seiner Werke vernichtet.“

      „Merkwürdig!“ meinte Andreas.

      „Das ist das Feinste!“ jammerte Süß. „Was für ’n großer Mann!“

      „Wollen Sie das Claudius-Kabinett sehen?“ wurde Andreas von Klempner gefragt.

      Die Mittel mit denen man was wird

      Man stand vom Tische auf, der Tabaksrauch fing an, sich im Saale zu verbreiten. Alle Welt rauchte, am Nebentisch hatte die Fürstin Bouboukoff zwischen den Gerichten ihre Zigarette wieder angezündet.

      Duschnitzki und Süß verloren sich inmitten der Gäste, die über die Treppengalerie in die Salons zurückkehrten. Klempner führte Andreas seitwärts in ein kleines Spiegelkabinett. Durch eine Glastür betrat man von dort das geräumige Gewächshaus. Die fortwährend springende Beleuchtung setzte Andreas in Erstaunen, er beobachtete die Damen und Herren, die mit transportablen Drähten in der Hand, von einer Pflanzengruppe zur anderen gingen und hier und da das elektrische Licht aufblitzen ließen. Auf schlanken Sockeln, unter duftlosen Blumen halb versteckt, standen Bronzen, Terrakotten und silberne Statuetten, die alle einer Familie angehörten, einer Familie hagerer Faune und mondsüchtiger Sylphen, begehrlicher Ziegenböcke und rätselhaft lächelnder Knaben.

      Auf den Divans unter den Palmen verdauten eine Anzahl älterer Herren, die Wandelgänge waren voll lorgnettierender Damen. Die beiden jungen Leute, die am Eingang lehnten, konnten die Kunstwerke in den überall angebrachten Spiegeln betrachten. Eine zerbrechliche kleine Nymphe, die eine entfernte Ähnlichkeit mit Werda Bieratz hatte, neigte sich über die Quelle, die am Fuß einer Palme in ein gemeißeltes Becken floss. Sie hatte sich der burlesken Angriffe eines marmornen Silens zu erwehren, dessen Bauch und dessen feistes Lächeln Andreas heute Abend ebenfalls schon gesehen zu haben meinte. Zwei Knaben, süß und zart wie die Grazie, die nicht leben darf, scherzten unschuldig miteinander, indem sie bei einer privaten Verrichtung über den Wandelgang hinüber einander bewässerten.

      „Das ist Claudius Mertens’ Kunst!“ rief Klempner mit düsterer Feierlichkeit aus.

      Andreas nahm sich zusammen, um die Befangenheit zu verbergen, die ihm weniger Claudius Viertens' Schöpfungen einflößten als die Damen, die sie mit so vorurteilsloser Kennerschaft betrachteten.

      „Und was anderes macht der Künstler nicht?“ fragte er.

      Klempner lächelte schmerzlich.

      „Verurteilen Sie Claudius nicht, er ist auch einer, den die Welt erzogen hat!“ versetzte er, sich an die Brust schlagend.

      „Ich kann Ihnen sagen, dass Claudius in seinen jungen Jahren Marmorblöcke unter den Händen gehabt hat, mit denen sich Michelangelo begnügt hätte, als er nach ausreichendem Material für das Grabmal seines Herrn suchte. Was fängt aber die moderne Gesellschaft mit solchen Schwärmern an? Als Claudius noch der großen Kunst frönte, lebte er in einer Steinmetzbaracke von trocknem Brot. Seit er aber entdeckt hat, was die Zahlenden Kunstfreunde verlangen, hat er wöchentlich zehn Einladungen, man reicht ihn sich herum, beim Essen empfängt er Bestellungen und verdient während er verdaut.“

      Klempner


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