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Die kleine Stadt. Heinrich MannЧитать онлайн книгу.

Die kleine Stadt - Heinrich Mann


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Wir spielten Domino, und ich besiegte Sie immer, Sie zahlten all meinen Punsch . . . Wie, Sie wissen's nicht mehr? Ach ja, das sind wohl dreißig Jahre her, und was haben Sie seitdem erlebt! Der Ruhm, die Frauen, die großen Reisen! Das nenne ich Leben. Hier in der kleinen Stadt: — nun, Sie werden uns kennen lernen; auch wir können lustig sein, auch wir wissen die Kunst zu schätzen. Meine Freunde werden glücklich sein, Sie kennen zu lernen.“

      Er winkte sie herbei.

      „Herr Acquistapace, unser Apotheker; Herr Polli, mit dem Sie die Reise gemacht haben; Herr Cantinelli, der brave Anführer unserer bewaffneten Macht . . .“

      Und um nicht seinen Gegner, den Gemeindesekretär, vorstellen zu müssen, griff er aus den Umstehenden einen andern heraus.

      „Herr Chiaralunzi, höchst geschickter Schneider, der im Orchester das Tenorhorn blasen wird.“

      „Und wie!“ meckerte das hämische Stimmchen des Barbiers Nonoggi.

      Aber der lange starkknochige Schneider trat vor, sah sich langsam und ehrlich die Fremden an, — und dann verbeugte er sich mit Wucht, dass die Spitzen seines hängenden, rostroten Schnurrbartes schaukelten vor dem kleinen unansehnlichen Wesen im schmutzfarbenen Mantel. Sie stand, indes ihre Kameraden zusammen flüsterten und lachten, ganz allein; durch die Taschenwände sah man, dass sie Fäuste machte; und ihre weit voneinander entfernten Augen gingen kalt über die wachsende Menge, als prüfte eine Macht die andere. Beim Anblick des vor ihr gekrümmten Schneiders bekam sie unvermutet ein Kinderlächeln und gab ihm eine kleine graue Hand.

      Darauf schüttelte er die Rechte des alten Tenors, der über die andern Sänger eine Gebärde beschrieb, ohne dass er dabei hinsah: wie ein Fürst, der sein Gefolge vorstellt.

      „Herr Virginio Gaddi, Bariton.“

      Der untersetzte Mann mit dem Cäsarenprofil mischte sich, eine Hand in der Hosentasche, unter die Bürger.

      „Fräulein Italia Molesin, Sopran.“

      Die derbe Schwarzhaarige lachte mit großen Zähnen allen zu und stieß dabei kokett mit den Schultern, um den Schal zurückzuwerfen; denn sie trug einen Schal, wie die Masse der Mädchen, und keinen Hut.

      „Herr Nello Gennari, lyrischer Tenor.“

      Da sahen die Frauen das mattbleiche Gesicht des jüngsten Mannes sich ihnen zuwenden. Weil es einfach und stark gemeißelt war, erkannten die am weitesten Entfernten es, reckten sich und sagten laut:

      „O! Ist er schön!“

      Seine Augen dankten ihnen allen, ohne Überraschung und ohne Eifer, mit ein wenig schwermütigem Spott.

      Nun aber wendete der Cavaliere Giordano sich nach dem Mädchen um, das für sich stand, beugte leicht vor ihr den Rumpf und sagte mit entzückter Stimme:

      „Und dies ist unsere Primadonna assoluta, das Fräulein Flora Garlinda, eine Künstlerin von unermesslicher Zukunft, die Hoffnung der lyrischen Bühne Italiens.“

      Dann sah er erwartungsvoll die Bürger an. Der Advokat, der ihr am nächsten stand, fuhr ein wenig zurück; und dann huldigte er der Primadonna umso ehrfurchtsvoller, je weniger er sie vorher beachtet hatte. Er fragte sie, ob sie schon in der Scala gesungen habe. Sie zuckte die Achseln und krümmte den Mund, als verachtete sie die Scala. Darauf machte er einen großen Kratzfuß.

      „Ein Fräulein wie Sie muss wohl Liebhaber haben, so viele es nur will.“

      Sie lachte auf und ließ ihn stehen. Er schielte nach rechts und nach links, ob man es gesehen habe; — aber in diesem Augenblick schwankte die Menge: jemand teilte sie, mit den Armen stürmisch über ihren Schultern rudernd.

      „Der Maestro!“

      Er war angelangt; er keuchte. Seine helle Gesichtshaut war unter seinem leichten blonden Bart ganz rosig bewölkt, sein verlegen ehrgeiziges Lächeln zerging manchmal, und dann sah man, dass er zornig war. Er setzte an:

      „Das ist aber . . . Ich denke doch, ich bin hier der Kapellmeister . . . Die von mir engagierten Künstler sind da, und niemand ruft mich? Herr Advokat, ich muss Sie . . .“

      Der Advokat klopfte ihn auf den Rücken.

      „Mein lieber Dorlenghi, alles geht gut, ich habe mich als Vorsitzender des Komitees mit diesen Herren bereits ins Einvernehmen gesetzt.“

      „Aber ich begreife nicht, wie man ohne mich . . . Dann führen doch Sie den Kapellmeisterstab!“

      „Seien Sie gut, Dorlenghi!“ sagte der Apotheker, und Polli, der Tabakhändler, meinte:

      „Das alles ist doch nicht der Mühe wert.“

      Der Musiker warf die Arme noch höher.

      „Nicht der Mühe wert! Ah! Cavaliere: denn ich irre mich nicht, Sie sind der Cavaliere Giordano, und ich heiße Enrico Dorlenghi und bin Dirigent einer Dorfkapelle, nichts weiter. Ich habe in meinem Zimmer gesessen, da hinten in einem Winkel der Stadt, wo man nichts hört, noch sieht, und habe an einer Messe geschrieben, die ich noch diesen Herbst in der Kirche aufführen soll. Inzwischen ernten diese Herren die Frucht meiner Bemühungen; denn ich bin stolz, Sie, Cavaliere, unserer Bühne gewonnen zu haben, Sie und Ihre Kollegen. Nicht der Mühe wert! Wenn Sie ahnten, welch ein Ereignis für einen Verbannten, Geopferten —“

      Er ging mit dem alten Sänger um den Postwagen herum; seine keuchende Stimme versank manchmal, denn das Volk schrie ihm zu. Viele schrien auf einmal „bravo Maestro!“ andere: „Seht, er ist verrückt geworden!“ Und die meisten wussten nicht, wer gemeint war, und riefen „he, Masetti!“ nach dem Kutscher, der, stimmlos vom Schelten, an den Pferden zerrte. Er saß mit ihnen fest; Jungen krochen zwischen den Beinen der Menge hervor und kniffen ihn. Er schlug aus . . . Inzwischen ward der Kapellmeister wieder sichtbar, noch immer fuchtelnd. Plötzlich stand er vor der Primadonna. Wie der Cavaliere sie nannte, sahen sie sich an. Der Musiker war auf einmal verstummt, die junge Sängerin sah aus, als gölte es: und die Hände, die sie sich hätten reichen sollen, noch in der Schwebe, traten beide ein wenig zurück. Dann begrüßten sie sich: er rosig von verlegenem Ehrgeiz, sie mit dem entschlossenen Blick von Macht zu Macht, den sie auch auf das Volk gerichtet hatte. Der Kapellmeister sagte:

      „Ich würde mich an die ‚Arme Tonietta‘ nicht heranwagen, hätte ich für die Hauptrolle nicht Sie gewonnen, Fräulein Flora Garlinda.“

      Sie lächelte gnädig.

      „Auch Ihr Name, Maestro, fängt an, sehr bekannt zu werden. Noch neulich in Sogliaco sagte der Direktor Cremonesi . . .“

      Er hatte ein Gesicht wie ein Hungernder. Aber ihre Worte gingen aus, wie er kaum anfing, sie zu verschlingen. Der Gastwirt Malandrini bot ihr eins seiner beiden Zimmer an. Der große beleibte Mann war lautlos, man wusste nicht wie, durch das Gedränge gelangt, lächelte breit und glatt und kannte schon jeden beim Namen.

      „Ihnen, Cavaliere, meinen Ehrensalon! Gerade muss ich den Handlungsreisenden haben, der immer herkommt; und zudem ist ein Fremder da, der nichts tut: sonst würde ich alle diese Damen und Herren zu mir einladen. Sie aber, Fräulein Flora Garlinda . . .“

      Die Primadonna lehnte ab; sie sei zu arm, um ins Gasthaus zu gehen.

      „Der Direktor Cremonesi“, sagte angstvoll der Maestro, „gilt für geschickt.“

      Der Perückenmacher Nonoggi kam dazwischen, dienerte auf einem Bein und empfahl sich den Künstlern. Er hielt einen Haubenstock und rief zärtlich:

      „O! welch schöne Perücke. Wie sollte einen Misserfolg haben, wer solche Perücke trägt!“

      „Was höre ich?“ sagte der Wirt, „der Herr Cavaliere hat schon bei dem Herrn Gemeindesekretär gemietet? Aber das Fräulein Italia Molesin? Verständigen wir uns, Fräulein! Sie sind die Schönste von allen . . .“

      „Sein Urteil zählt“, sagte der Kapellmeister; „ich glaube, dass er als Bühnenleiter heute —“

      „Und die Herren“, kreischte der kleine Barbier, „bitte ich, mir nur einmal


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