Virginia und der ehescheue Graf. Barbara CartlandЧитать онлайн книгу.
ich weiß. Du bist ein unverbesserlicher Asket und ein Muster an Tugendhaftigkeit!«
»Vorhin wolltest du mir noch einreden, ich sei ein Schlemmer und Genießer, hast mir Übersättigung und Übertreibung vorgeworfen«, entgegnete der Earl und verzog spöttisch die Lippen.
»Nicht was Essen und Trinken angeht. Wohl aber in anderer Beziehung«, gab Lord Yaxley zurück.
»Gut, wenn es also nicht der Wein ist, müssen es Weib und Gesang sein«, sagte der Earl. »Raus mit der Sprache, alter Junge. Mach aus deinem Herzen keine Mördergrube! Ich bin gespannt, was du mir zu sagen hast, obwohl ich mich gleichzeitig frage, warum ausgerechnet du mir eine Lektion erteilen willst!«
»Ganz einfach, Osric, weil ich dich mag«, antwortete Lord Yaxley. »Und weil wir alte Freunde sind. Ich kann es einfach nicht mehr länger mit ansehen, wie du von Jahr zu Jahr gelangweilter und gleichgültiger wirst.«
»Wer behauptet, ich sei gelangweilt?« fragte der Earl.
»Das muß niemand behaupten, denn es ist ganz offenkundig«, entgegnete Lord Yaxley. »Ich habe heute auf dem Rennplatz dein Gesicht beobachtet. Nicht einmal die leiseste Spur von Genugtuung war in deinen Augen zu erkennen, als Delos Arkries Pferd auf den zweiten Platz verwies. Das ist doch unnatürlich, Osric, wie du zugeben mußt.«
Der Earl antwortete nicht. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und starrte sinnend in die Kaminflammen.
»Was ist los mit dir?« fragte Lord Yaxley mit veränderter Stimme. »Hat es etwas mit Genevieve zu tun?«
»Vielleicht.«
»Denkst du daran, sie zu heiraten?«
»Warum sollte ich!«
»Sie erinnert mich ein wenig an Arkrie und sein Gerede. Überall und zu jedermann spricht sie darüber, wie verliebt sie in dich ist.«
»Ich kann sie nicht daran hindern, sich selbst lächerlich zu machen«, erklärte der Earl, »aber ich kann dir versichern, daß von meiner Seite aus nichts geschehen ist, was sie zu irgendwelchen Hoffnungen in Bezug auf meine Person ermutigen könnte.«
»Sie würde keine schlechte Figur am Familientisch der Helstones abgeben. Und mit dem berühmten Helstone-Schmuck müßte sie einfach hinreißend aussehen.«
Der Earl schaute still vor sich hin, dann sagte er: »Ich habe nicht den Wunsch, Genevieve zu heiraten.«
Lord Yaxley stieß einen Seufzer aus, der irgendwie erleichtert klang.
»Ganz offen, Osric, mir fällt ein Stein vom Herzen. Ich war mir nicht im Klaren darüber, ob du Feuer gefangen hattest oder nicht. Aber Genevieve würde dir gewiß schon nach kurzer Zeit nichts mehr bedeuten. Sie würde dich anöden wie alle ihre hübschen Vorgängerinnen, die du, eine nach der anderen, abgeschoben hast.«
Er lachte und fügte hinzu: »Ist dir schon aufgefallen, daß sie sich immer so setzt, daß man ihr Profil bewundern, muß? Sie verriet mir, jemand - ich habe vergessen, wer es war - habe ihr gesagt, wenn Frances Stewart nicht für die Britannia Modell gestanden hätte, würde man sie dazu ausgewählt haben.«
»Wenn ich mich recht erinnere«, sagte der Earl mit einem Beiklang von Sarkasmus in der Stimme, »war Frances Stewart diejenige, die Charles II. zurückwies, weil er sie nicht mehr liebte, als ihr Gesicht zeitweilig von Blattern entstellt wurde.«
Lord Yaxley lachte kurz auf, dann fuhr er fort: »So weit ich mich erinnere, hat dich eigentlich nie eine Frau zurückgewiesen, Osric. Und ich frage mich langsam, ob es nicht die Tatsache ist, die deine Gleichgültigkeit bewirkt.«
»Was willst du damit sagen?«
»Nun, jetzt, wo ich mir das Ganze so richtig durch den Kopf gehen lasse, wird es mir klar: Es muß auf die Dauer äußerst langweilig für einen Mann werden, wenn er weiß, daß er immer die besten Karten zieht, immer den Vogel abschießt und in allem der Erste ist. Das kann ja nur zu Überdruß führen.«
»Noch mehr Schmeicheleien?«
»Das kannst du nehmen, wie du willst. Jedenfalls spreche ich die Wahrheit«, sagte Lord Yaxley. »Du kannst mir sagen, was du willst, Osric. Die Langeweile tötet dich.«
»Und was rätst du mir?« fragte der Earl.
»Ich wünschte, ich könnte dir darauf eine Antwort geben. Es müßte irgendwo einen Preis geben, den du noch nicht errungen, einen Gipfel, den du noch nicht bestiegen, eine Schlacht, die du noch nicht gewonnen hast.«
»Vielleicht wäre ein Krieg die Lösung«, bemerkte der Earl. »Dann wäre man wenigstens auf sehr einfache Weise damit beschäftigt, am Leben zu bleiben.«
»Manchmal glaube ich, das Beste für dich wäre es, zu heiraten«, sagte Lord Yaxley gedankenverloren. »Aber ich bin mir da nicht sicher. Jedenfalls könnte eine Ehe erreichen, daß du ein wenig sesshafter würdest und mehr Zeit in England verbrächtest. Kein Wunder, daß es dich immer wieder in fremde Länder treibt, wenn man bedenkt, daß du mutterseelenallein in diesem riesigen Haus lebst. Deine Vorfahren mögen ehrenwerte und wohl achtbare Menschen gewesen sein, aber die Aussicht, ständig nur in der Gesellschaft ihrer Konterfeis zu leben, ist nicht besonders erheiternd, würde ich sagen.«
»Du bist also tatsächlich der Überzeugung, eine Heirat würde die Lösung bringen?«
»Ja, vielleicht. Aber nicht mit Genevieve. Im Grunde taugt sie nicht für die Ehe. Auch dann nicht, wenn du genug für sie empfinden würdest, um ein ganzes Leben mit ihr zu verbringen.« Lord Yaxley schwieg, dann schlug er mit der Rechten auf die Lehne des Sessels. »Aber, zum Teufel noch mal, irgendwo müßte es doch eine Frau geben, die dir das Wasser reichen kann, oder die wenigstens so interessant ist, daß sie dich nicht zu Tode langweilt!« sagte er heftig.
»Davon gibt es eine ganze Menge, mein Lieber.«
»Das weiß ich auch, du Idiot«, rief Lord Yaxley verärgert.
»Aber ich denke jetzt nicht an die Sorte von Frauen, mit denen du irgendwelche längeren oder kürzeren Liebesabenteuer hattest. Ich rede von der Ehe mit einer hübschen, achtbaren, jungen Lady, die dir einige Kinder schenkt. Vor allem einen Sohn und Stammhalter. Jedenfalls wäre das etwas, das du bisher noch nicht ausprobiert hast. Unter Umständen kämst du sogar auf den Geschmack und fändest Spaß an deiner Rolle als Ehemann und Vater.«
»Einen Sohn zu haben, wäre nicht übel. Aber welchen Tribut müßte ich dafür zahlen! Ich müßte mir unablässig das einfältige, banale Geschwätz dieses achtbaren, jungen Mädchens anhören«, gab der Earl zu bedenken. »Ich versichere dir, Yaxley, allein der Gedanke daran ist mir unerträglich. Wenn ich schon gezwungen bin, mich mit einer Frau zu unterhalten, ziehe ich die Unterhaltung mit Genevieve der mit jeder anderen vor.«
»Du hast ja recht, Osric«, gab Lord Yaxley widerwillig zu. »In der vergangenen Woche bin ich auf dem diesjährigen Debütantinnenball gewesen. Ich mußte mich da sehen lassen, weil eine meiner Nichten daran teilnahm. Noch nie im Leben habe ich etwas so Trauriges gesehen.«
»Na schön, damit hast du auch die Antwort auf deinen Vorschlag.«
»Eine Debütantin wäre ohnehin zu jung für dich«, meinte Lord Yaxley. »Wir werden beide im nächsten Jahr dreißig.«
»Und was ist die Alternative nach deiner Meinung?« fragte der Earl.
»Die Alternative? Ich denke da an eine charmante, attraktive und zugleich intelligente junge Witwe«, erklärte Lord Yaxley.
»Aha! Und damit wären wir dann wieder bei Genevieve angelangt.«
Zwischen den beiden Männern breitete sich ein längeres Schweigen aus. Jeder von ihnen dachte an die verführerische, temperamentvolle und manchmal recht strapaziöse Lady Genevieve Rodney.
Vor zwei Jahren war sie Witwe geworden. Kaum war die Trauerzeit verstrichen, hatte sie die feine Gesellschaft Londons durch ihre unbekümmerte Art, sich über die herrschenden Konventionen hinwegzusetzen, regelrecht vor den Kopf gestoßen.
Die