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Die Welfen. Barbara BeckЧитать онлайн книгу.

Die Welfen - Barbara Beck


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Augusts wichtigstes politisches Ziel war der Erwerb der Kurfürstenwürde für sein Haus. Diese würde nicht nur das Prestige seines Hauses steigern, sondern auch zahlreiche Rechte und Privilegien beinhalten und die reichspolitischen Mitwirkungsmöglichkeiten vergrößern. Das Kurkollegium stellte das mächtigste politische Gremium des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation dar. Spätestens seit 1682 verfolgte der Herzog die Erlangung des Kurhuts mit aller Konsequenz. Hinter diesem ambitionierten Projekt mussten persönliche Wünsche und Befindlichkeiten der davon betroffenen Familienmitglieder zurückstehen. Um sicherzustellen, dass das von seinem Bruder Georg Wilhelm regierte Fürstentum Lüneburg wirklich an seine Linie fiel, kam es im Dezember 1682 zur Heirat von Ernst Augusts ältestem Sohn Georg Ludwig mit Sophie Dorothea, der einzigen Tochter Georg Wilhelms. Wie Herzogin Sophie, Ernst Augusts Gemahlin, nüchtern feststellte, konnte man deshalb »in Zukunft Hannover und Celle als eines rechnen«.

      Um diesen Länderkomplex zusammenzuhalten, kam daher in logischer Konsequenz der Durchsetzung des Erstgeburtsrechts, der Primogenitur, höchste Priorität zu. Seit 1356 schrieb außerdem die Goldene Bulle, das Reichsgrundgesetz, diese Form der Erbfolgeregelung für die Kurhäuser vor. In den Landen der jüngeren welfischen Linie bestimmte hingegen das Testament von Herzog Georg aus dem Jahr 1641, dass die Landesteile Lüneburg und Calenberg unter den beiden ältesten Söhnen zu teilen seien. In seinem Testament von 1682 legte Herzog Ernst August darum die Unteilbarkeit seiner Lande und die Erbfolge seines ältesten Sohnes Georg Ludwig und dessen männlicher Nachkommen fest. Verfasst hatte das Testament, das den Charakter eines Hausgesetzes trägt und in dem sich eine neuzeitliche Staatsauffassung artikuliert, vermutlich der Jurist und herzogliche Vizekanzler Ludolph Hugo. Nachdem im Juli 1683 die kaiserliche Bestätigung des Testaments erfolgt war, musste als nächster Schritt die Zustimmung der jüngeren Söhne zu dieser Gesetzesänderung eingeholt werden. Dies löste einen fast 20 Jahre dauernden bitteren Familienstreit aus, da sich die Prinzen diskriminiert fühlten und mit der für sie vorgesehenen Abfindung durch Apanagen keineswegs einverstanden waren. Zeitweise unterstützte das Wolfenbütteler Herzogshaus aus wohlverstandenem Eigeninteresse die opponierenden Prinzen gegen ihren Vater. Der sogenannte Prinzenstreit nahm seinen Anfang, als der herzogliche Minister Otto Grote zu Schauen Anfang 1685 den Auftrag erhielt, den nächstjüngeren Sohn des Herzogs, Prinz Friedrich August, über die Einführung der Primogenitur zu informieren. In Ernst Augusts Instruktion für Grote hieß es, dass der Herzog die »Fürstenthümer undt Lande nicht alß eine Erbschaft eines privati tractiren undt sie also unter unsern Söhnen theilen könten«. Er müsse vielmehr »den Maximen vernunftiger Regenten folgen und was hierunter die (…) Wollfahrt gesagter Lande (…) erforderte, verordnen.« Ernst August ließ sich von dem familiären Widerstand gegen seine testamentarische Verfügung nicht beeindrucken, sondern bekräftigte die Primogeniturregelung nochmals in der Neufassung seines Testaments von 1688. Ohne zu zögern, schritt er im Dezember 1691 rigoros gegen die von seinem Sohn Maximilian Wilhelm angezettelte Verschwörung ein. Die weit fortgeschrittenen Verhandlungen um die Kurwürde durften nicht gefährdet werden. Der Prinzenstreit entzündete sich nach Ernst Augusts Tod abermals in aller Heftigkeit, als die Prinzen Maximilian Wilhelm und Christian Heinrich sich weigerten, das väterliche Testament anzuerkennen. Zeitweise schien sogar ein Erbfolgekrieg zu drohen. Erst 1703 erledigte sich das Thema endgültig mit dem Tod von Christian Heinrich.

      Zum Maßnahmenkatalog beim Streben nach der Kurwürde gehörte ein weiteres Eheprojekt. Zur Absicherung der vom Kurfürsten von Brandenburg bereits grundsätzlich zugesagten Unterstützung von Hannovers Vorhaben wurde Ernst Augusts einzige Tochter Sophie Charlotte im Herbst 1684 mit dem brandenburgischen Kurprinzen Friedrich vermählt. Geschickt wusste der politisch wendige Herzog Ernst August auch seine gut ausgerüsteten Truppen vor dem Hintergrund der Türkenkriege und der kaiserlichen Feldzüge gegen Frankreich zu nutzen. Zwischen König Ludwig XIV. von Frankreich und Kaiser Leopold I. als Bündnispartner hin und her lavierend, bezog er, als die Verhandlungen um die Kurwürde in die entscheidende Phase eintraten, Position für Kaiser und Reich. Der Einsatz großzügig bemessener Bestechungsgelder tat ein Übriges.

      Nachdem Ernst August im Dezember 1691 einen Kurvergleich mit seinem älteren Bruder Georg Wilhelm geschlossen hatte, in dem er die Belehnung mit der künftigen Kurwürde für sich gegen die Überlassung des 1689 erworbenen Herzogtums Sachsen-Lauenburg durchsetzte, stand einem erfolgreichen Verhandlungsabschluss kein bedeutendes Hemmnis mehr im Weg. 1692 erreichte Herzog Ernst August sein Ziel – für sein Haus wurde eine neue Kurwürde im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation geschaffen. Im März 1692 schloss er den »Kurkontrakt« mit Kaiser Leopold I., in dem er als Gegenleistung für die neunte Kur die Stellung von Truppen, eine Zahlung von 500 000 Gulden, freie Religionsausübung für die Katholiken im zukünftigen Kurfürstentum und seine Unterstützung bei der Wiedereinführung der böhmischen Kurstimme zusagte. In einem weiteren Vertrag gingen die Häuser Habsburg und Lüneburg eine »Ewige Union« ein. Die Welfen versicherten, dass sie bei allen kommenden Kaiserwahlen ihre Stimme dem habsburgischen Kandidaten geben würden. Am 19. Dezember 1692 fand die Belehnung mit der Kurwürde statt. Minister Grote konnte in Wien den Kurhut für seinen Herzog in Empfang nehmen.

      Mit der Verleihung der Kurwürde an Ernst August waren keineswegs alle Reichsstände einverstanden. Zur vollen Anerkennung gehörte die Einführung des neuen Kurfürsten in das Kurkolleg, was an der ablehnenden Haltung einiger Kurfürsten scheiterte. Noch mehr Widerspruch formierte sich im Reichsfürstenstand, dem nach den Kurfürsten wesentlichen politischen Faktor in der Reichspolitik. Einige der Reichsfürsten strebten selbst nach der Kurwürde und stimmten dem eigenmächtigen Handeln des Kaisers in dieser Sache nicht zu. Den härtesten Widerstand gegen diese Erhebung leisteten die Herzöge von Braunschweig-Wolfenbüttel. Sie vertraten die Auffassung, dass die Kur der älteren Linie des Hauses Braunschweig-Lüneburg zustehe. Erst 1708 gelang Ernst Augusts Nachfolger Georg Ludwig die Einführung in das Kurfürstenkolleg. Für den offiziell als »Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg« bezeichneten neuen Kurstaat bürgerte sich bald die Benennung »Kurfürstentum Hannover« bzw. »Kurhannover« ein. Mit dem Frieden von Utrecht, der den Spanischen Erbfolgekrieg beendete, erfolgte 1713 die Anerkennung durch die europäischen Mächte.

      Kurfürst Georg Ludwig hatte nach dem Tod seines Onkels Georg Wilhelm 1705 dessen Fürstentum Lüneburg geerbt. Abgesehen vom Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel waren nun alle welfischen Territorien in seiner Hand zusammengeführt. Das hannoversche Kurfürstentum umfasste damit das Fürstentum Calenberg-Göttingen, das Fürstentum Grubenhagen, die Grafschaft Hoya, das Herzogtum Sachsen-Lauenburg und das Fürstentum Lüneburg. 1715 kamen noch die Herzogtümer Bremen und Verden hinzu. Neben Kurbrandenburg war Kurhannover zur führenden Macht im Norden des Deutschen Reichs aufgestiegen. Nach der Erledigung der Kurangelegenheit wurde die englische Sukzession die beherrschende Frage für das Haus Hannover. Als Georg Ludwig 1714 nach dem Tod der Stuart-Königin Anna von Großbritannien als nächster protestantischer Verwandter die britische Königskrone erbte, änderten sich die Wertungen fundamental. Die hannoverschen Welfen erlangten dadurch weltpolitische Bedeutung.

      Ernst August

      * 1629 in Herzberg am Harz

      † 1698 in Herrenhausen bei Hannover

      Fürstbischof von Osnabrück,

      Kurfürst von Hannover

      Als jüngster von vier Söhnen des Herzogs Georg von Calenberg und dessen Gemahlin Anna Eleonore von Hessen-Darmstadt am 20. November 1629 geboren, besaß Ernst August keine Ansprüche auf ein eigenes Territorium. Dank seines unbeugsamen Machtwillens und Ehrgeizes sowie einer Portion Glück gelang ihm allerdings eine bemerkenswerte Karriere unter den Fürsten seiner Zeit.

      Eine erste Versorgung sicherte dem nachgeborenen Prinzen 1646 die Wahl zum Koadjutor des Erzstifts Magdeburg, die jedoch nicht von Dauer war. Das Haus Braunschweig-Lüneburg verlor auf dem Westfälischen Friedenskongress in Osnabrück neben Magdeburg auch die Koadjutorien von Bremen, Halberstadt und Ratzeburg. Für Ernst August eröffnete sich hingegen durch den Westfälischen Friedensvertrag von 1648 die Aussicht auf eine eigenständige Herrschaft. Da nun im Hochstift Osnabrück gemäß dieses Vertrags ein katholischer Bischof im Wechsel mit einem protestantischen Prinzen aus der jüngeren Linie des Hauses


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