Kubinke und die Killer: Kriminalroman. Alfred BekkerЧитать онлайн книгу.
um die Waffe besser einstecken zu können.
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„Der Schädel ist aufgespalten”, sagte Dr. Gerold M. Wildenbacher, der Gerichtsmediziner unseres Ermittlungsteams Erkennungsdienst. Rudi und ich befanden uns in einem der Sektionsräume der Bundesakademie in Quardenburg, Gerold erläuterte uns gerade anhand einer Leiche ein paar Fakten darüber, was zum Tod dieses Mannes geführt hatte.
„Schon mal was von Canoeing gehört?”, fuhr der hemdsärmelige Gerold in seinem unnachahmlichen bayerischen Akzent fort.
„Ich nehme an, das hat nichts mit irgendwelchen Freizeitaktivitäten in der kanadischen Wildnis zu tun”, sagte Rudi.
„In diesem Fall nicht. Wenn man jemandem, der am Boden liegt, einen Kopfschuss verpasst, spaltet das meistens den Schädel auf eine ganz bestimmte Weise. Das zugegebenermaßen etwas unappetitliche Ergebnis sehen Sie hier. Von der Form her erinnert es an ein Kanu. Daher die Bezeichnung Canoeing.”
„Ja, ich denke, wir verstehen, was Sie meinen”, sagte ich.
„Wenn jemand am Boden liegt, ist die Wirkung eines solchen Schusses eine andere, als wenn Sie vor jemandem stehen”, erklärte Gerold. „Letzteren Fall habe ich häufiger hier auf dem Tisch des Hauses. Jemand bekommt eine Kugel aus nächster Nähe in die Stirn. Dann ist die Eintrittswunde nicht sehr groß. Die größere Wunde entsteht dann am Hinterkopf. So etwas dürfte Ihnen ja vertraut sein ...”
„Gehört leider zu unserem Job”, sagte Rudi.
„Aber hier liegt der Fall anders. Wenn jemand auf dem Boden liegt, insbesondere auf dem Rücken, und jemand aus der Standhöhe auf die Stirn schießt, wird der Schädel auf diese Weise gespalten. Das hängt damit zusammen, dass der Untergrund in der Regel hart und für das Projektil undurchdringlich ist. Ein Betonboden zum Beispiel. Die Kugel kann nicht einfach aus dem Hinterkopf austreten. Die Kraft muss irgendwohin. Darum dieses erschreckende Ergebnis. Unser Fischkopp kann Ihnen die physikalischen Gesetze, die dazu führen, vielleicht bei Gelegenheit mal in aller Ausführlichkeit darlegen.”
Mit Fischkopp meinte Gerold seinen hamburgisch-stämmigen Kollegen Friedrich G. Förnheim, von uns allen meistens FGF genannt. Der hemdsärmelige Gerold machte sich über den allein schon wegen seines Akzents leicht etwas abgehoben wirkenden Naturwissenschaftler und Ballistiker immer gerne mal etwas lustig. Bezeichnungen wie Fischkopp musste Friedrich da schon mal über sich ergehen lassen. Allerdings wusste der Norddeutsche da auf seine Weise durchaus zu kontern.
„Wir stellen Ihre Untersuchungsergebnisse und die daraus abgeleiteten Hypothesen nicht in Frage, Gerold”, versicherte ich.
„FGF hat mir fast die Ohren abgequatscht, als er mir das erläutert hat”, meinte Gerold. „Eigentlich nicht richtig, dass Sie weniger leiden brauchen als ich.”
„Lassen Sie das FGF nicht hören!”, sagte ich.
„Das kann er ruhig wissen - und ich bin überzeugt davon, das weiß er auch. Aber da ist noch eine Sache, die ich jetzt beinahe vergessen hätte.”
„Und die wäre?”, fragte ich.
„Dieses Canoeing ist typisch für die Vorgehensweise von Einsatzkräften des KSK, etwa wenn die einen Terroristen ausschalten.”
„Also noch mal in den Kopf schießen, damit man sicher ist, dass der Betreffende tot ist”, fasste ich es zusammen.
„Eigentlich ist das eine unerwünschte Vorgehensweise, die sich aber bei den Scharfschützen immer mehr verbreitet hat, genauso wie das Sammeln von Souvenirs und Trophäen bei den Einsätzen.” Gerold deutete auf den Toten. „Ich bin kein liberales Weichei, aber so was ist widerlich. Soweit ich weiß, versucht man das einzudämmen, indem man die Einsätze umfassender per Video dokumentieren lässt.”
„Dann schließen Sie daraus, dass der Täter ein Soldat des KSK war”, stellte ich fest.
„So wie er selbst.”
Der Mann, dessen zerstörten Schädel uns Gerold erläutert hatte, war Klaus Deggemann, ehemaliges Mitglied beim KSK und zuletzt Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma in Nördendorf. Zwei weitere Männer waren auf dieselbe Art und Weise gestorben wie Deggemann. Es handelte sich um zwei Kriminalhauptkommissare: Gieselher Denner aus Hannover und Pascal Barkow aus Frankfurt. Was die drei Fälle letztlich miteinander verband, wussten wir zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht. Aber es stand auf Grund der ballistischen Untersuchungen an den verwendeten Projektilen fest, dass alle drei Männer mit derselben Waffe und daher mutmaßlich auch von demselben Täter ermordet worden waren. Die Vorgehensweise war jedes Mal dieselbe gewesen.
Alle drei Opfer hatten am Boden liegend und zu einem Zeitpunkt, da sie sehr wahrscheinlich nicht mehr gelebt hatten, noch einen weiteren Schuss aus nächster Nähe bekommen. Eine Schuss, der ihnen den Schädel gespalten hatte.
An einen Zufall glaubte da niemand von uns.
Seit ein paar Tagen hatten wir nun diesen Fall auf dem Tisch. Und irgendwie schien daran nichts zusammenzupassen. Drei Männer waren auf die gleiche Art und Weise umgebracht worden. Darunter zwei Kommissare aus völlig unterschiedlichen Städten. Rudi und ich hatten schon die Hoffnung gehabt, hier einen Ansatzpunkt in diesem Fall zu finden. Aber dann kam Opfer Nummer drei, ein ehemaliger Soldat des KSK, der zuletzt in einen Job in der privaten Sicherheitsbranche gehabt hatte und mit den Opfern Nummer eins und zwei überhaupt nichts zu tun zu haben schien.
Irgendeinen Zusammenhang musste es natürlich geben. Wir kannten ihn nur noch nicht.
Etwas später erläuterte uns Dr. Dr. Friedrich G. Förnheim noch den ballistischen Bericht.
„Soll ich Ihnen die Wirkungsweise eines Projektils beim sogenannten Canoeing anhand eines Simulationsprogramms demonstrieren, das mir Lin-Tai entwickelt hat?”, erkundigte sich der Norddeutsche, als wir uns in seinem Labor unterhielten. Lin-Tai Gansenbrink war die IT-Spezialistin und Mathematikerin des Teams.
„Interessante Sichtweise”, sagte ich.
Er hob die Augenbrauen.
„Inwiefern?”
„Dass Lin-Tai Ihnen bei der Entwicklung des Programms geholfen hat und nicht umgekehrt.”
„Vielleicht unterschätzen Sie einfach meine Fähigkeiten auf Gebieten, die zwar nicht zu meinem Fachbereich gehören, aber daran eng angrenzen. Und Informatik gehört genauso dazu wie Mathematik und die Fähigkeit, irgendetwas mit Programmcodes anzufangen.”
„Das hat uns Gerold bereits ausreichend erklärt”, sagte ich.
Friedrich hob die Augenbrauen.
„Kann es sein, dass ich bei Ihnen eine geradezu besorgniserregende Geringschätzung des wissenschaftlichen Details konstatieren muss?”, sagte er.
„Ganz gewiss nicht. Es ist nur so, dass wir vorrangig darauf fokussiert sind, einen Mörder daran zu hindern, weiter sein Unwesen zu treiben.”
„Wer sagt, dass das eine das andere ausschließen muss?”, gab Friedrich zurück. „Sie haben den vollständigen Bericht wahrscheinlich schon in Ihren Mailfächern gefunden. Die Waffe, die der Täter benutzt hat, ist eine ganz gewöhnliche Automatik. Er verwendet außerdem einen Schalldämpfer, der sich auch anhand der Spuren auf dem