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Gegendiagnose II. Группа авторовЧитать онлайн книгу.

Gegendiagnose II - Группа авторов


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Warum macht mich ein Wunsch nach körperlicher Veränderung weniger queer? Warum wird impliziert, dass ›richtige‹ Queers keine Hormone nehmen? Wer hat hier die Definitionsmacht darüber, was queer (nicht) ist?« Aber zu dieser Konfrontation kommt es nie und ich fühle mich ohnmächtig in einer machtdurchtränkten Beziehung, in welcher ich der cis-geschlechtliche Therapeutin als trans* Person und Patient_in doppelt unterlegen bin.

      Als ich darüber nachdachte, Verantwortung für ein Kind zu übernehmen, beschlichen mich immer wieder Zweifel und Ängste. In jener Zeit litt ich sehr stark unter meiner Queerness, fühlte mich allein, einsam und verängstigt. Ich wollte nicht, dass ein Kind von Anfang an ein schweres Leben hätte. Ich wollte nicht, dass es mich mit meinen inneren und äußern Kämpfen als Elternteil hätte und wegen mir ausgeschlossen würde. So entschied ich mich unter anderem deswegen erst einmal dagegen, Verantwortung für ein Kind zu übernehmen.

      Das ist ganz und gar nicht »proud to be trans*_queer«. Ich weiß. Ich dachte lange, dass andere trans* Personen oder Menschen, die aufgrund anderer Identitätsbausteine diskriminiert werden, nie abwertenden Gedanken haben. Dann fand ich heraus, dass es sehr wohl so ist. Diskriminierte Personen leiden nicht nur unter den kleinen stetigen Stichen von Außen, sondern sie setzen sich auch selbst herab, weil sie den Außenblick verinnerlichen.

      Diese (Selbst-)Abwertungen stressen mich! Sie machen mich krank!

      Nach der Bewilligung meines Therapieantrags durch die Krankenkasse treffen wir uns erneut in einem nicht-sagend eingerichteten Raum. Die Therapeutin beginnt die Sitzung, indem sie mir eröffnet, dass nur eine Kurzzeittherapie bewilligt wurde. Der Sachbearbeiter, der für die Bearbeitung meines Antrags zuständig war, zweifelt meine Geschlechtsidentität an, weil ich in meinem Leben noch keiner langfristigen Lohnarbeit nachgegangen bin. Seine Argumentation ist einfach, wenig kapitalismuskritisch und in meinen Ohren trans*feindlich. Ohne eine berufliche Identität könne ich meine Geschlechtsidentität nicht finden. Ich müsse erst beruflich oder lohnarbeitstechnisch Orientierung finden, um glaubwürdig trans* sein zu können. Wo kommt dieser Gedanke her, dass berufliche und geschlechtliche Identität in irgendeiner Form zusammenhängen?

      Die Gewalt der Argumentationsweise wird mir auf dem Nachhauseweg bewusst. Wieder einmal wird meine Geschlechtsidentität angezweifelt. Wieder einmal behauptet eine Person mit Cis-Privilegien und Entscheidungsgewalt besser zu wissen, wer ich bin. Ich stehe neben mir, bin wie weggetreten und merke erst am Ostkreuz, dass ich eigentlich schon eine Station vorher hätte aussteigen wollen.

      Und hier in Berlin ist die Situation relativ gut. Es gibt Listen von trans*freundlichen oder einigermaßen trans*freundlichen Therapeut_innen. Doch die Hürde bleibt groß, vor allem wenn ich immer wieder sehe, wie Freund_innen keine guten Therapeut_innen finden und daran verzweifeln. Andere machen immer und immer wieder Erfahrungen mit Therapeut_innen, die sich mit queeren oder speziell nicht-binären Themen nicht auskennen. Dann stürze ich mich doch lieber in Berge von Arbeit und lenke mich von diesem Thema ab.

      Anfang August breche ich die Therapie ab. Das anfängliche Gefühl von Erleichterung, dass ich nun endlich einen Schlussstrich gezogen und diese kraftzehrende Beziehung beendet habe, ist schnell verflogen. In mir kommt Ohnmacht auf. Ich habe im Moment keine Energie für eine neue Therapeut_innen-Suche. Eine Liste von trans*freundlichen Therapeut_innen arbeitete ich im März bereits ab. Auf einer anderen Liste entdecke ich nur wenige neue Namen. Die Namen auf den Listen verraten mir nicht, ob eine Person für nicht-binäre trans* Personen offen ist oder sich mit diesem Thema überhaupt schon einmal auseinandergesetzt hat. Ich beschließe die Suche erst einmal auf Eis zu legen.

      Im Herbst schaffe ich es zu einer queeren Beratungsstelle und bekomme eine weitere Liste. Mit einem Freund, der gerade ebenfalls auf Therapeut_innenSuche ist, gehen wir gemeinsam die Namen durch und erzählen uns, wen wir schon einmal angeschrieben haben, welche Namen uns schon empfohlen wurden und von welchen Personen uns eher abgeraten wurde. Ich nehme meine Energie zusammen und schreibe eine Handvoll Therapeut_innen an. Daraus ergibt sich ein Vorgespräch, dass ich mit einem ambivalenten ersten Eindruck verlasse. Dieser Therapeut hier kann sich zumindest vorstellen, mich mit nichtbinären Pronomen und ohne binäre Anrede anzusprechen. Trotzdem spüre ich nur ein halbes Ja in mir. Nach meiner letzten Erfahrung bin ich vorsichtig und gebe die Rückmeldung, dass ich noch andere Therapeut_innen kennenlernen möchte.

      Ich entscheide, dass es keiner Person hilft, wenn ich mich allen Regeln dieses trans*feindlichen Systems unterwerfe, und vereinbare einen Termin mit dem Therapeuten. In den zwei Sitzungen mit ihm beantworte ich viele Fragen. Ich sammele Trans*punkte, wenn ich von meinem aktuellen Namen, dem Unwohlsein mit dem Pronomen ›sie‹ und meinem Wunsch nach körperlicher Veränderung erzähle. Ja, ich bin mir sicher, dass ich Testo nehmen möchte. Für mich ist die Vorstellung einen Bart, eine tiefere Stimme und veränderte Gesichtszüge zu haben stimmig. Ich will das jetzt. Und ja, ich habe diesen Wunsch schon länger. Und noch einmal ja, ich nehme auch Stimmungsveränderungen durch Hormone in Kauf. Während ich auf all diese Fragen eingehe, bleibt mein Blick an der Tür hinter dem Therapeuten hängen. Gatekeeping. Egal wie sympathisch mir dieser Therapeut gerade erscheint, er und andere Therapeut_innen haben doch so viel Macht darüber, mir den Zugang zu Testo und anderen geschlechtsangleichenden Maßnahmen zu ermöglichen oder zu verwehren.

      Wann müssen sich Cis-Personen eigentlich einmal für ihre Geschlechtsidentität erklären? Warum wird nur bei trans* Personen angenommen, dass die Entscheidung Testosteron oder Östrogene zu nehmen durch eine ›Expert_in‹ abgesegnet werden muss? Warum dieses große Aufheben um die sogenannten ›Geschlechtshormone‹? Als ich vor Jahren Schilddrüsenhormone verschrieben bekam, war es doch auch keine große Sache.

      Ich bestehe den Trans*test. Meine Antworten haben den Therapeuten so weit zufriedengestellt, dass er mir das gewünschte Schreiben ausstellt: „Bei dem Patienten kann von einer ausreichenden stabilen Stimmigkeit und Konstanz seines männlichen Identitätserlebens ausgegangen werden.“ Von Nicht-Binarität ist schon lange keine Rede mehr.

      Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Was ich mir gewünscht hätte, ist nicht mehr und nicht weniger als Respekt für meine Identität. Ob ich trans* bin oder nicht, ob ich nicht-binär bin oder nicht, kann ich am besten selbst sagen. Und trotzdem war ich in der Auseinandersetzung mit Therapeut_innen damit konfrontiert, dass eine andere Person, die meine Erfahrung nicht teilen kann, zugestanden wird, das besser beurteilen zu können als ich selbst. Für mich gibt es keine akzeptable, nicht-trans*feindliche Begründung, um dieses Misstrauen an meiner Selbstverortung zu rechtfertigen.

      Ich hätte mir gewünscht, dass mein Pronomen und meine Präferenz für eine nicht-gegenderte Anrede akzeptiert wird. Im Alltag ist es für mich anstrengend genug, immer wieder mit dem binären Geschlechtersystem konfrontiert zu sein, wenn mir Personen ein Geschlecht zuschreiben und mich dann auf eine unerwünschte Weise ansprechen. Therapie konnte mir nicht einmal so viel Abstand von der Zweigeschlechtlichkeit bieten, dass zumindest mein Pronomen und meine Identität respektiert wurde. Das empfinde ich als besonders bitter, weil ich mir gerade dort einen Raum wünschte, um den Schmerz über mangelnden Respekt für meine Identität, meinen Namen und mein Pronomen zu thematisieren.

      Nachdem ich mich vorübergehend vom therapeutischen System verabschiedet hatte, verlegte ich mich auf das Träumen von einer anderen, nicht allzu fernen Welt. Alle Personen hätten selbstbestimmt und pathologisierungsfrei Zugang zu geschlechtsangleichenden Maßnahmen. Auch könnten Personen, egal wie nah sie binären Vorstellungen wären, durch einen simplen, bürokratischen


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