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Allmächd, scho widder a Mord!. Werner RosenzweigЧитать онлайн книгу.

Allmächd, scho widder a Mord! - Werner Rosenzweig


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Eltern noch Lehrer hatten große Freude mit ihr. Nach dem Abitur beschloss sie, sich ein Jahr Auszeit zu nehmen. Sie zog von Zuhause aus und mietete sich in einem der Hochhäuser am Rhein-Main-Donau-Kanal in Alterlangen eine Zweizimmerwohnung. Seit drei Monaten hauste sie nun dort, mit ihrem derzeitigen Freund Tom. Die Miete und die Lebenshaltungskosten teilten sich die beiden. Tom war Gitarrist in einer Rockband und verdiente mit seiner Musik, insbesondere an den Wochenenden, ordentlich Kohle. Kathie jobbte mal hier mal da. Zurzeit half sie im Zentrallager des Schuhhauses Mengin aus. Dreimal die Woche bediente sie im Irish-Pub.

      Nelli hörte, wie draußen im Flur ihr Vater, Franz Bieber, mit einer Klientin telefonierte: „ … nein, machen Sie sich keine Sorgen, Frau Wolf, wir werden Ihren Noch-Ehemann ausnehmen wie die berühmte Weihnachtsgans. Dem werden die Augen tropfen, wenn er erfährt, was er monatlich an Unterhaltszahlungen für Sie und Ihre beiden Kinder zu berappen hat.“

      Nellis Vater war Anwalt, spezialisiert auf Ehescheidungen und betrieb in dem kleinen mittelfränkischen Kaff Röttenbach eine eigene Anwaltskanzlei. Für ihn war es selbstverständlich, dass seine Tochter eines Tages die Kanzlei übernimmt.

      Nellis Mutter Theresa hingegen hatte noch viel weitreichendere Pläne. Sie wollte ihre Tochter gerne mit dem jungen Justus von Weihersbach verkuppeln, dem 26-jährigen Sohn des alten Germanicus von Weihersbach, der im Nachbarort Hemhofen die bekannte Anwaltskanzlei Weihersbach & Partner führte. Leider reagierte die Tochter bisher nicht so, wie die Mutter sich das vorstellte. Justus war ein Langweiler, wie er im Buche steht. Alleine sein äußeres Erscheinungsbild sprach Bände. Stets trug er maßgeschneiderte Anzüge aus Italien mit rasiermesserscharfen Bügelfalten. Nie ging er ohne Fliege und dem passenden Einstecktuch aus. Aber das war noch nicht alles. Wer ihm die Hand zum Gruß reichte, hatte immer das Gefühl, in einen Eimer schwitzenden Puddings zu greifen. Justus von Weihersbach war nicht nur ein Langweiler, nein, er war zudem auch noch hässlich wie ein Grottenmolch. Sein teigig weißes Gesicht passte ebenso zu ihm, wie seine pomadige Frisur, deren Scheitel immer wie mit dem Lineal gezogen war. Mit seinen sechsundzwanzig Jahren schien er der Pubertät noch immer nicht entwachsen zu sein. Aus seinem Gesicht leuchteten dunkelrote Pickel, die meisten mit ekligen Eiterkronen. Nelli graute es jedes Mal, wenn sie – aus gesellschaftlichen Verpflichtungen, welche ihre Eltern organisiert hatten – an Events teilnehmen musste und dabei auf Justus von Weihersbach traf. „Kümmere dich um Justus“, trug ihr ihre Mutter stets auf. „Er ist so ein netter junger Mann und so fleißig. Sicherlich würde er dir gerne bei deiner Facharbeit helfen. Du weißt, mit seiner Expertise Die alten Ägypter – Vorboten des modernen Rechtssystems war er Bester seines Seminarjahrgangs.“

      Widerwillig und nur ihrer Mutter zuliebe hatte sich Nelli ein, zwei Mal mit Justus unterhalten. Es waren jedes Mal die gleichen grauenhaften Erfahrungen, die sie sammelte. Der junge Mann kannte nur zwei Themen: Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch und Präzedenzfälle. Andere Themen interessierten ihn nicht. Er hörte keine Musik, fuhr nicht in den Urlaub, las ausschließlich Fachbücher, und politische Themen hasste er sowieso grundsätzlich. Am liebsten saß er zuhause, von Rechtsliteratur umgeben. In ihren wenigen, holprigen Gesprächen mit ihm fiel Nelli auf, dass er mit der Zunge immer wieder an seinen weit auseinanderstehenden Schneidezähnen anstieß und dabei fürchterlich lispelte. Auch das noch.

      Nellis Gedanken schweiften wieder in die Gegenwart zurück. Noch immer hielt sie das Bürgerliche Gesetzbuch in den Händen, um sich auf die nächste Klausurarbeit vorzubereiten. Sie klappte das Buch zu und schmiss es in die Ecke, stand auf und betrachtete sich in ihrem hohen Wandspiegel. Es gefiel ihr, was sie sah: eine junge, hochgewachsene, schlanke Frau, mit ebenen Gesichtszügen, eingehüllt in lockige, naturblonde Haare, welche ihr wie eine Löwenmähne bis auf die Schultern fielen. Ihr Busen war gut ausgebildet, aber nicht zu dominant. Gerade richtig. Viel zu schade für einen pickeligen, langweiligen Juristen. Nur mit ihren hellblauen Augen war sie nicht zufrieden. Irgendetwas fehlte. Sie hatten keinen Glanz, keine Lebensfreude. Sie waren da, aber sie wirkten stumpf. Trostlos eben, irgendwie von Hoffnungslosigkeit geprägt. Ihr graute vor den bevorstehenden Feiertagen. Sie fühlte sich wie eingesperrt. ‚Raus, raus hier. Einfach mal ausbrechen‘. Panische Gedanken purzelten ihr durch den Kopf. Abrupt griff sie sich ihr iPhone und wählte die Nummer ihrer Freundin Kathie. Das Freizeichen ertönte.

      •

      „Kathie Schreiber hier“, meldete sich nach geraumer Zeit eine schwer atmende Stimme.

      „Hallo Kathie, ich bin‘s, Nelli. Störe ich gerade?“

      „Hi Nelli. Wie würdest du es bezeichnen, wenn du beim Bumsen angerufen wirst und der Anrufer hartnäckig in der Leitung bleibt?“

      „Oh, Entschuldigung, ich wusste nicht, dass …, tut mir leid, das war nicht meine Absicht, dich zu …“

      „Ist schon okay, nicht so schlimm. Schön, dass du dich mal wieder meldest. Was gibt es denn?“

      Nelli druckste herum und war sich in keinster Weise mehr sicher, ob es der richtige Zeitpunkt war, Kathie jetzt mit ihrem Frust und ihren Sorgen zu belasten.

      „Na komm, raus mit der Sprache“, forderte Kathie sie auf. „Da bringst du mich mit deinem Anruf um meinen wohlverdienten Orgasmus, und dann bist du stumm wie ein Fisch! So geht das nicht. Also, nun sprich endlich mit mir!“

      Nelli konnte ihre Gefühle nicht mehr zurückhalten. Sie weinte und sie ließ ihren Frust ab. Kathie hörte aufmerksam zu und unterbrach sie kein einziges Mal. Eine Stunde telefonierten die beiden Freundinnen miteinander. „Du musst einfach mal raus aus deinem Alltagstrott“, riet ihr Kathie. „Du lebst wie im Schloss von Dornröschen, aber ein schöner Prinz wird nicht von selbst vorbeikommen, glaube mir. Höchstens ein lispelnder, mit Pickel und Pomade im Haar. Pass auf, du kommst Silvester zu mir und übernachtest hier. Tom gibt mit seiner Band ein Konzert in Straubing. Ich bin sowieso allein. Komm, wir machen uns einen schönen Abend und quatschen über alles. Außerdem habe ich etwas ganz feines zuhause. Das wird dich umhauen.“

      •

      Die Weihnachtsfeiertage waren schnell vorüber. Pünktlich um achtzehn Uhr klingelte Nelli bei Kathie Schreiber, Am Europakanal 165. Der Türöffner summte und Nelli fuhr mit dem Aufzug in das fünfzehnte Stockwerk hoch. „Komm rein, Nelli“, begrüßte Kathie sie, nachdem sie die Wohnungstür geöffnet hatte, „schön, dass du gekommen bist. Komm, leg ab. Ich habe uns beim Italiener zwei Pizzen bestellt, Quattro Staggioni und Ai Funghi, müssten in einer Stunde da sein. Komm, setz dich und mach es dir bequem. Ich hole uns eine Flasche Chianti.“

      Die Stunden verrannen wie im Flug. Die Pizzen waren hervorragend, die Wanduhr zeigte kurz vor dreiundzwanzig Uhr an, und Kathie Schreiber öffnete die dritte Flasche Rotwein. „Nun kommt das Beste!“, verkündete die Hausherrin mit inzwischen schwerer Zunge, „unser Nachtisch sozusagen. Der wird uns wieder aufmuntern.“ Sie wankte zu einem Sideboard und entnahm der linken unteren Schublade ein kleines Fläschchen, in welchem sich ein kristallenes Pulver befand. Dann holte sie aus der Küche ein Päckchen Würfelzucker, ein Glas halb voll Wasser und einen Teelöffel. Zurück am Sofa konzentrierte sie sich, gab eine winzige Menge des Pulvers auf den Teelöffel, löste es mit wenigen Tropfen Wasser auf und schüttete die Flüssigkeit vorsichtig über ein Stück Würfelzucker. Nelli verfolgte neugierig die Zeremonie. „Was ist das?“, wollte sie wissen.

      „Tz, tz, tz, wer lang fragt, geht lang irr“, antwortete Kathie. „Mund auf!“, wies sie Nelli an. „Zweihundert Mikrogramm dürften für dich genügen. Ich nehm mir etwas mehr“, kicherte sie.

      Nachdem Nelli gehorsam den Würfelzucker aufgelutscht hatte, wiederholte Kathie die Prozedur und steckte sich ebenfalls ein Stück Würfelzucker in den Mund. „LSD“, erklärte sie. „Keine Sorge, macht nicht süchtig, aber total high. Frisch aus Hongkong eingetroffen. Das Beste, was es derzeit auf dem Markt gibt, du wirst staunen.“

      Die beiden jungen Frauen setzten ihre Unterhaltung fort, schlürften dabei den Rotwein und schwelgten in Erinnerungen an die alten, gemeinsamen Schulzeiten. Nach einer weiteren halben Stunde meinte Nelli Bieber: „Ich meine, dein Superstoff ist ein Flopp. Scheint gar nicht zu wirken. Da hast du dir aber was andrehen lassen.“

      Doch da täuschte sich die Jurastudentin


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