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Allmächd, scho widder a Mord!. Werner RosenzweigЧитать онлайн книгу.

Allmächd, scho widder a Mord! - Werner Rosenzweig


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Kommissar zuckte zusammen.

      „Abber“, fuhr Raphael ungefragt fort, „die ham aa vo Gwehre, Bisdoln und Munidzion gred, und dass edz eigendli die Beschdellung in der Dschechei aufgebn kenna. Die ham alle Glatzkebf ghabd“, fügte er hinzu, „aa die Frauen.“

      Kommissar Nero Hammer wurde immer aufgeregter. „Ich muss erst telefonieren, Raphael, dann reden wir weiter.“ Mit roten Ohren hastete er aus dem Haus und suchte sich ein ruhiges Plätzchen, bevor er in seinem Büro anrief. „Hammer hier. Ich brauche unbedingt die Telefonnummer vom bayerischen Innenminister und vom Verfassungsschutz. Schnell. Der Fall der Kindesentführung ist eine heiße Kiste. Ganz heiß. Rufen Sie mich sofort zurück, wenn Sie die Telefonnummern haben. Ich warte.“ Dann rief er seine Frau an. „Schatz, ich komme heute wahrscheinlich sehr spät nach Hause. Ich bin in meinen Ermittlungen auf eine ganz heiße Spur gestoßen. … Ja, im Fall Raphael Gierbich. … Das kann deutliche Auswirkungen auf meine weitere Karriere haben. … Positiv meine ich. … Ich kann am Telefon nicht darüber reden. … N-S-U, sage ich nur.“ Er flüsterte die drei Buchstaben regelrecht ins Telefon. „Ja, genau d i e … die Zschäpe. … Pssst, nicht so laut. … ich stecke mitten drin in dem Fall … Ja, den Minister rufe ich als Ersten an. Ich muss jetzt Schluss machen, Schatz, ich erwarte noch einen dringenden Telefonanruf. … Na ja, wegen den Telefonnummern vom Minister und dem Verfassungsschutz. … Sieht nach einer Terrorzelle aus. … D-i-e w-o-l-l-e-n d-i-e Z-s-c-h-ä-p-e b-e-f-r-e-i-e-n“, flüsterte er gedehnt ins Telefon. Kommissar Hammer konnte seine Euphorie nicht für sich behalten. Dann legte er auf. Es klingelte schon wieder. Sein Büro. „Also Chef, iech hab die Delefonnummern. Hams was zum Midschreibn? Sie mergn sich die Nummern? Na gut, wenns maana! … Na ned 098, … die Vorwahl vo Minchn is 089.“

      •

      Frau Dolores Hammer brauchte eigentlich nichts. Erst gestern war sie bei der Metro und beim Metzger, gleich gegenüber, doch sie hatte gerade umdisponiert. Heute Abend gab es zur Feier des Tages – egal wann ihr Nero heimkam – ein deftiges Sahnegulasch, keine Kartoffelsuppe mit Reibekuchen, wie ursprünglich geplant. Sie musste unbedingt noch schnell rüber, in die Metzgerei Haberstroh, dem einzigen Metzger in Schnepfenreuth. Es zog sie regelrecht hin.

      „Grüß Gott!“

      „Ja die Fraa Hammer! Hammer wohl was vergessn, gesdern?“

      „Das nicht, Frau Haberstroh, aber aus gegebenem Anlass habe ich beschlossen, meinem Mann heute sein Lieblingsessen zuzubereiten.“

      „Hammer wohl Hochzeidsdooch?“, riet Frau Haberstroh erneut.

      „Odder Geburdsdooch?“, riet Frau Ottilie Siebenstampfer, eine treue Kundin der Metzgerei Haberstroh, die gerade dabei war, ihre Bestellung aufzugeben.

      „Nein, nein, etwas Banales, Alltägliches ist der Anlass. Also mein Mann – eigentlich dürfte ich darüber ja gar nicht reden – Sie wissen schon der Entführungsfall …“

      „Haddern derwischd, den Endfiehrer?“, rief Herr Haberstroh hinter der Theke dazwischen, der eine weitere Kundin bediente.

      Frau Hammer winkte seufzend ab. „Viel schlimmer.“ Dann senkte sie die Stimme. „N-S-U“, stieß sie zwischen den Schneidezähnen hervor und wartete auf eine Reaktion.

      Das Ehepaar Haberstroh und die anderen Kundinnen sahen sich mit großen Augen verständnislos an.

      „Nazis“, schob Frau Hammer informativ nach, um gleich darauf zischend den Namen Zschäpe fallen zu lassen.

      Herrn Haberstrohs Miene hellte sich auf. „Die wu die Diergn umbrachd ham?“

      Frau Hammer schnaufte erleichtert auf. „Genau die.“

      „Schdeggn die aa in dem Fall drinna?“, hakte Frau Haberstroh nach.

      „Dees Gschwerdl!“, trug Ottilie Siebenstampfer ihren Beitrag dazu bei. „Iech sooch scho immer, verboodn gherns, die Nazi. Eigschberrd!“

      „Unterstützer!“, warf Frau Hammer der hungrigen Meute einen weiteren Brocken hin.

      Die Meute rätselte erneut.

      „Die haben vor, mit dem erbeuteten Lösegeld Waffen anzuschaffen und die Zschäpe zu befreien“, löste Frau Hammer das Rätsel auf.

      „Und dees had alles Iehr Moo rausgfunna?“, fragte Frau Haberstroh mit anerkennendem Blick.

      Frau Hammer nickte mehrere Male stolz mit dem Kopf. „Vor zehn Minuten hat er mich angerufen und mir alles erzählt. Jetzt dürfte er gerade den Innenminister informieren.“

      „Den Westerwelle?“, wollte Ottilie Siebenstampfer wissen.

      „Der Westerwelle is doch ned unser Innenminisder“, klärte sie Frau Haberstroh auf. „Dees is doch der Schäuble.“

      „Ach so, schdimmd ja“, lenkte die Kundin ein, „die zwa verwechsl iech immer. Den Noma vom Friedrich, unsern Verdeidigungsminisder kanner mer besser mergn.“

      „Wissns was, Fra Hammer, schauers her, iech schneid Iehna vo dem moochern Schdüggla Rindfleisch do anerhalb Bfund runder. Do machsn Iehrn Mo a guds Gulasch draus. Dees kosd heid nix, und soogns nern scheene Grieß vo die Haberstrohs, er soll sis schmeggn lassn. Und die Gängsder soller alle eischberrn.“

      „Und die Ausländer aa“, fügte Ottilie Siebenstampfer hinzu.

      Hinten in der Ecke des Schnellimbiss kaute Bodo Ungerer, Reporter beim Pegnitz-Boten, genussvoll auf seiner Currywurst. Er hatte jedes Wort verstanden. ‚Nazis entführen Kind‘, oder klang ‚Held des Tages: Unser Nero Hammer’ besser? Vielleicht fiel ihm ja noch eine andere Schlagzeile ein. Wie wär’s mit ‚Zschäpe bald frei?‘?

      •

      Einen Tag, nachdem der Pegnitz-Bote den Artikel „Nero Hammer lässt den Verfassungsschutz alt aussehen“ veröffentlicht hatte, wurde der Kommissar von seinen Aufgaben entbunden und ein halbes Jahr später nach Vohenstrauß in den Bayerischen Wald versetzt. Die Kindsentführer wurden nie gefasst. Raphael Gierbich wartet noch immer darauf, dass er ein zweites Mal entführt wird. Sein Vater hatte den Verlust der vier Millionen Euro schnell verschmerzt. Erstens war er gegen Kindsentführung versichert. Zweitens fiel die letzte Jahres-Bonuszahlung exorbitant hoch aus. Lizzy, die rassige Mexikanerin, war ihm allerdings kurzfristig abhanden gekommen. Sie heiratete einen Franken, der in dem kleinen Dorf Röttenbach beheimatet ist. Zwei Wochen später zog eine heißblütige Venezuelanerin namens Marie-Carmen in das freigewordene Appartement von Lizzy ein. Die tapfere, fünfundachtzigjährige Laufer Rentnerin, welche den Polizeibeamten von Nachtgiger drei regelrecht verdroschen hatte, errang in Lauf höchste Popularität, nachdem ihre Attacke stadtbekannt wurde. Sie trat den Piraten bei und kandiert bei der nächsten Kommunalwahl für das Bürgermeisteramt.

      Der Nachtgiger? Nun für den echten Nachtgiger hat sich nichts geändert. Er verschleppt immer noch unartige Kinder, welche er in der Dämmerung oder nachts in Nürnberg erwischt – zumindest in der Gedankenwelt so mancher Mutter und so mancher Lausbuben.

      Weihnachten stand vor der Tür, somit auch die eintönigen Feiertage, welche ihre Eltern mal wieder als Beisammensein mit der buckligen Verwandtschaft planten. Gottesdienst an Heilig Abend, Gansessen bei Oma Dorothea, Bleigießen an Silvester, Besuch des Forchheimer Krippenweges. Jedes Jahr der gleiche Mist. Monoton, langweilig, ätzend.

      Nelli Bieber, die 20-jährige Jurastudentin an der Uni Erlangen-Nürnberg, hatte ihr Leben mal wieder so richtig satt. Ein Hundeleben, an dem sie selbst nicht ganz schuldlos war. Das gestand sie sich selbst ein. Noch nie hatte sie ernsthaft versucht, sich aus der fürsorglichen Umklammerung ihrer Eltern zu lösen. Ein wohlbehütetes Mädchen. Exzellente Noten, aber keinen Bekanntenkreis. Bildhübsch, aber keinen Freund. Wohlhabende Eltern, aber keine Lebensfreude.

      Nelli saß in ihrem Zimmer und dachte an die einzige Freundin, die ihr etwas näher stand, Kathie Schreiber, ihre ehemalige Klassenkameradin vom Christian-Ernst-Gymnasium. Kathie


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