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Arabidopsis – ein Leben ist nicht genug. Gottfried ZurbrüggЧитать онлайн книгу.

Arabidopsis – ein Leben ist nicht genug - Gottfried Zurbrügg


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‚Schwert des Orion‘.“

      „Die Menschen früher dachten sehr konkret“, sagte Scherrer.

      „Aus der Erfahrung, aus dem Überleben. In der Wüste kann niemand allein überleben. Nur die Gruppe, die Familie macht ein Leben möglich. Eine Aufgabe von Mann und Frau ist es, Kinder zu haben. Leben muss weitergegeben werden, gezeugt werden, nur so kann Leben weiterbestehen. Das ist das Geheimnis des Lebens und das Geheimnis der Götter.“

      „Der Pharao strebte an, ein Osiris zu werden und mit Isis …“ Scherrer verstummte nachdenklich.

      „Mit Isis Mann und Frau zu werden“, sagte Nubi. „Die Pyramiden sind auf dieses Sternbild ausgerichtet, um das möglich zu machen. Der ‚Schoß der Isis‘ ist das Ziel der Pyramiden. Isis ist auch unser Ziel. Die Frauen warten sicher schon ungeduldig auf uns.“

      „Auf dich, Nubi“, sagte Scherrer.

      „Die Tänzerin, die ich für den Abend eingeladen habe, wird auch dich erfreuen.“

      „Du weißt, ich danke dir sehr, aber nicht hier“, sagte Scherrer ablehnend.

      „Ihr lebt zu sehr im Kopf“, sagte Nubi. „Zum Leben gehört der ganze Körper. Ihr Europäer wollt ewige Jugend, aber ihr nehmt das Leben nicht wahr.“

      „Als Wissenschaftler muss ich meinen Kopf anstrengen“, sagte Scherrer. „Nur damit wird die Welt gewonnen, nur mit strenger, wissenschaftlicher Arbeit können wir die Probleme unserer Zeit lösen.“

      Nubi schaute auf die Sterne und lenkte den Wagen mit hoher Geschwindigkeit und Präzision durch die fahle Dünenlandschaft. „Habt ihr die Probleme lösen können? Warum wolltest du unbedingt einen Sarkophag kaufen? Denkst du nicht ganz anders, als du meinst?“

      Scherrer lachte. „Vielleicht hast du recht. Ich bewundere, wie sicher du deinen Weg durch die Wüste findest. Mich faszinieren die Gedanken und das Wissen eurer Kultur.“

      „Es ist nicht mehr unsere Kultur“, wehrte Nubi ab. „Wir verehren zwar die alten Ägypter, aber wir hatten sie vergessen. Es war Napoleon, der sie uns wieder schenkte und auch nahm. Wir lieben und hassen die Europäer dafür. Aber im Ernst, wofür wolltest du den Sarkophag? Nur für deine Sammlung?“

      „Erwischt“, sagte Scherrer. „Er bedeutet mir mehr. Er ist Mahnung und Ansporn zugleich.“

      „Woran arbeitest du eigentlich? Du sprachst von ganz neuen Erkenntnissen.“

      „Zwei Wissenschaftler, Watson und Krick, haben das Geheimnis des Lebens in einem Nucleinsäuremolekül entdeckt.“

      Nubi schwieg und gab Gas, um eine flache Düne hochzufahren. Jede geringste Abweichung von der Geraden würde den sicheren Tod bedeuten. Ruhig zog der Wagen hoch. Oben auf der Düne sah man am Horizont eine Kette schwacher Lichter. Nubi hielt den Wagen an.

      „Schau, Scherrer, dort liegt Luxor. Wir sind bald zurück in der Welt. Die Wüste liegt hinter uns.“

      Hell strahlten die Sterne im dunklen Blau des Wüstenhimmels.

      „Du liebst die Wüste?“, fragte Scherrer.

      „Die Beduinen sagen: Die Wüste liebt nur der, der sie nicht kennt. Wahrscheinlich haben sie recht“, antwortete Nubi.

      „Du hast den Weg ins Leben zurückgefunden“, scherzte Scherrer.

      Nubi sah seinen Freund nachdenklich an. „Wenn du den Sarkophag betrachtest, solltest du daran denken, dass Unsterblichkeit nicht ewige Jugend verspricht. Vergiss über deinen Forschungen nicht zu leben.“

      „Versprochen“, sagte Scherrer und hielt seinem Freund die Hand hin.

      „Sage bitte nichts in meinem Haus von dem Sarkophag. Ich weiß nicht, wie meine Leute darüber denken“, bat Nubi.

      „Und du? Wie denkst du darüber?“, fragte Scherrer.

      „Dieser Sarkophag wurde nie benutzt. Er wurde gemacht, um einem Menschen den Weg in die Unsterblichkeit zu ermöglichen. Vielleicht wirst du mit deiner Arbeit unsterblich, und ich habe meinen Teil daran.“

      Nubi gab Gas und fuhr in rascher Fahrt auf Luxor zu. Scherrer lachte noch amüsiert, als sie das Tor in den Palmengarten erreichten, der das große Anwesen umgab. Die Palmen rauschten, als sie ausstiegen. Von der Wüste her wehte ein leichter Wind in die Oase. Scherrer sah fragend zum klaren Himmel hinauf.

      „Es wird so bald keinen Sandsturm mehr geben“, sagte Nubi. „Komm, wir gehen hinein.“

      Nach dem Essen saßen die Männer im Kreis zusammen und tranken süßen Pfefferminztee. Eine Tänzerin trat ein. Sie trug die üblichen weiten Hosen und einen Büstenhalter mit Münzen und Ketten. Hinter ihr kamen ein kleiner Mann mit Tamburin und zwei Flötenspieler herein. Sie setzten sich und der Mann begann einen betörenden Rhythmus zu schlagen. Ein Zittern ging durch den Körper der Frau. Rhythmisch begann sie mit dem Bauch zu schwingen. In wildem Takt klopften ihre Füße, ihre Hüften schwangen hin und her. Sie durcheilte den Kreis der Männer, zog einen Schleier hinter sich her, der die Gesichter streifte, war zum Haschen nah und doch unnahbar. Keiner der Männer regte auch nur eine Hand, um sie zu fangen. Hin und her sprang sie in wildem Tanz, blieb stehen, schüttelte die großen Brüste und schwang ihr Tuch über den Kopf. Plötzlich erlosch die Musik. Die Tänzerin ging von Mann zu Mann, schwang ihren Oberkörper zitternd hin und her, dass ihre Brüste bebten. Die Männer steckten ihr Geldscheine in den Büstenhalter. Auch vor Scherrer blieb sie stehen und musterte den jungen Europäer mit klugen Augen. Der nahm einen großen Geldschein und steckte ihn in den Büstenhalter. Die Frau zuckte zusammen, als seine Hände sie unabsichtlich berührten. Rasch schlang sie das Tuch um den Kopf, um sich zu verhüllen, aber ihre dunklen Augen blieben auf ihn gerichtet, Frage und Bitte zugleich. Ruhig ging sie weiter, durchschritt den Kreis und bedankte sich mit einer tiefen Verbeugung. Ihr letzter Blick mit einem Augenaufschlag galt ihm.

      „Herr Professor“, unterbrach Meyer. Die Bilder aus längst vergangenen Tagen verschwanden und Scherrer sah sich dem seltsamen Gast wieder gegenüber. „Seit Ihrem ersten Besuch in Ägypten träumen Sie davon, den Tod zu entschlüsseln, Herr Professor. Der Papyrus über Ihrem Schreibtisch ist mir wohlbekannt.“

      „Sie haben sich aber genau mit meiner Person beschäftigt“, stellte Scherrer gereizt fest.

      „Man sollte den kennen, mit dem man zusammenarbeiten möchte“, antwortete Meyer.

      „Aber jetzt lassen Sie mich bitte allein“, bat Scherrer. „Auf dem Schreibtisch liegen viele Dinge, die ich erledigen muss. Geben Sie Ihre Bewerbung bei meiner Sekretärin ab.“ Meyer erhob sich und ging. An der Tür rief ihn Scherrer zurück. „Dr. Meyer, eigentlich würde ich einen Gärtner brauchen, aber ich bin gespannt, wie sich unsere Zusammenarbeit entwickeln wird. Lassen Sie sich einen vorläufigen Ausweis ausstellen. Haben Sie noch Fragen?“

      „Nein!“ Meyer verneigte sich und verschwand.

      Ohne Zögern wandte sich Scherrer seiner Arbeit zu. Habe ich die Tür gehen hören?, fragte er sich schon wieder in die Arbeit vertieft. Er sah kurz auf. Sein Büro lag wie immer um diese Zeit im Schein der Mittagssonne, die alles heller und freundlicher werden ließ. Der seltsame Gast war verschwunden. Ich muss es überhört haben, dachte Scherrer, ich bin überarbeitet. Ich sehe Dinge und Personen, die es nicht gibt.

      Dann rief er seine Sekretärin an. Er sagte nicht einmal Guten Morgen, sondern gleich: „Anneliese, können Sie versuchen, über einen Dr. Meyer etwas herauszubekommen? Er ist Gentechniker und wahrscheinlich ein bekannter Mann. An welcher Universität er gearbeitet hat, ist mir unbekannt, aber als Doktor muss er veröffentlicht haben. Er wird Ihnen seinen vollständigen Namen genannt haben.“

      „Hier war niemand“, erklärte sie. „Dr. Meyer sagten Sie? Ohne Vornamen und das Geburtsdatum werden wir unter diesem Namen zu viele Einträge finden, um ihn sicher ausmachen zu können.“

      Dr. Meyer wurde ohne weitere Probleme ein enger Mitarbeiter von Scherrer im Botanischen Institut.

      Auch Sybille Walter hatte es eilig,


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