Lady Bartons Rache. Barbara CartlandЧитать онлайн книгу.
Hand gehen konnte.
Bald konnte sie die Pferde ebenso gut zureiten wie er.
Die Pferdezucht war seine einzige Einnahmequelle, als Elizabeth plötzlich und ganz friedlich starb.
Valessa konnte es nicht fassen. Eben noch war ihre Mutter mit ihr zusammen gewesen, hatte gelacht und mit liebevollem Blick ihren stattlichen Gemahl angesehen, und dann wurde sie schon in einem schlichten Sarg auf den Friedhof getragen.
Nach Elizabeths Tod war es dann mit einem Mal bergab gegangen. Später sollte Valessa erfahren, daß der Letzte Wille ihrer Großmutter mütterlicherseits die Tragödie ausgelöst hatte.
Danach erhielt ihr Vater die Vollmacht, das Familienvermögen zu verwalten.
Er benötigte nur drei Jahre, um es bis auf den letzten Penny aufzubrauchen.
Zunächst gab er es für Pferde aus, die er nicht wie bisher auf dem Pferdemarkt erstand, sondern im kostspieligen Tattersall in London. Dann begann er zu spielen, weil er sich einsam fühlte.
In der Nachbarschaft gab es zwei große Häuser, in denen er sich mit Freunden zum Spiel zu treffen pflegte.
Valessa stellte er diese Freunde nie vor, und von ihrer Mutter wären sie ganz sicher nicht empfangen worden.
Es waren trinkfeste Herrenreiter, die das Spiel mit hohen Einsätzen liebten. Wenn sie betrunken waren, brachten sie es fertig, Wetten über die Schnelligkeit von zwei Fliegen an der Fensterscheibe abzuschließen.
Als Valessa im Alter von achtzehn Jahren erfuhr, daß ihr Vater kein Geld mehr hatte, war nichts mehr zu retten.
Alles, was er besaß, war ein Haufen Schulden. Bedrängt von seinen Gläubigern, begann er das gesamte Inventar des Hauses zu verkaufen.
Es schmerzte Valessa zutiefst, mitansehen zu müssen, wie die hübschen goldgerahmten Spiegel, die ihre Mutter so geliebt hatte, von den Wänden genommen wurden. Der französische Sekretär, an dem ihre Mutter ihre Briefe zu schreiben pflegte, verschwand über Nacht.
Die Teppiche, die sie von Persien mitgebracht hatten, wurden zusammengerollt und auf einen Karren geladen.
»So kann es doch nicht weitergehen, Papa!« hatte Valessa eines Tages zu ihrem Vater gesagt.
»Ich weiß, Püppchen«, erwiderte er, »und ich schäme mich entsetzlich dafür!«
Dann ließ er sein unbekümmertes Lachen hören, das auf jeden, der es hörte, ansteckend wirkte.
»Ich nehme heute abend an einer Party teil«, sagte er, »und ich habe das Gefühl, daß ich den Haupttreffer landen werde!«
»O . . . nein, Papa!« rief Valessa verzweifelt.
Doch es war sinnlos, ihn davon abbringen zu wollen. Er haßte die Leere und Stille im Haus, die nach dem Tode ihrer Mutter eingezogen waren.
Sie wußte, daß er der Mittelpunkt jeder Party war und deshalb so viele Einladungen erhielt; sie wünschte nur, es wären Leute gewesen, die ihrer Mutter gefallen und die hin und wieder auch sie miteingeladen hätten.
Sie war jetzt erwachsen, aber sie kannte außer den Dorfbewohnern keine Menschenseele, und Little Fladbury war ein sehr kleines Nest.
Natürlich gab es da den Pfarrer, der sie unterrichtet hatte und der ein sehr gebildeter Mann war, er hatte ihr nicht nur die klassische Literatur, sondern natürlich auch die Bibel nahegebracht. Dann gab es noch die Schullehrerin, die Valessa in Mathematik und Geographie unterrichtet hatte, wenn sie nicht zu sehr mit den Dorfkindern beschäftigt war, die keine Lust verspürten, irgendetwas zu lernen.
Doch die wichtigste Quelle, um ihren Wissensdurst zu stillen, war die Bibliothek ihrer Mutter gewesen, die für ein so bescheidenes Haus auffallend umfangreich war.
Ihre Mutter hatte überall in der Welt gute Bücher gesammelt, weil sie eine große Vorliebe für Literatur hatte.
Sie hatte Valessa in Französisch, Italienisch und auch in Spanisch unterrichtet, während sie auf Reisen gewesen waren.
Wenn sie nach Hause zurückkehrten, hatte sie darauf bestanden, daß ihre Tochter die Bücher über das Land, in dem sie gewesen waren, las.
Valessa hatte einen wachen Verstand und eine rasche Auffassungsgabe, und es dauerte nicht lange, bis sie sich mit ihrer Mutter in den verschiedenen Sprachen fließend unterhalten konnte. Sie pflegte die Bücher, die so viele Regale in der Bibliothek füllten, auch zuweilen laut zu lesen.
Die Bücher befanden sich in dem sogenannten Studierzimmer, einem kleinen Raum, der als einziger noch möbliert war.
Als man ihr die Nachricht vom Tod ihres Vaters überbrachte, war Valessa sicher, daß er den Tod gesucht hatte.
Er hatte die Gesellschaft, auf der er den Haupttreffer zu machen hoffte, verlassen, nachdem er, wie sie später erfuhr, eine hohe Summe verspielt hatte, die er nicht besaß.
Sie würde nie erfahren, ob er aus Scham, ihr seine Niederlage eingestehen zu müssen, oder aus Angst vor dem Spott und Hohn seiner sogenannten Freunde aus dem Leben geschieden war.
Spielschulden galten als Ehrenschulden. Jedenfalls war sie überzeugt, daß er freiwillig in den Tod gegangen war. Gewiß, er hatte viel getrunken, als er sein Pferd auf das unüberwindliche Hindernis getrieben hatte. Bei dem unvermeidlichen Sturz hatte er sich das Genick gebrochen.
Sein Tod hatte auch Valessas Schicksal besiegelt.
Der Schneider ihres Vaters nahm ihr den Speisezimmertisch, die Stühle und die Anrichte weg und murrte, daß es nicht genug sei, um seine Unkosten zu decken.
Der Weinhändler hatte alles Wertvolle, das der Salon enthielt, mitgenommen. Der Sattler hatte die Gemälde im Treppenaufgang und auch das Porträt ihrer Mutter über dem Kamin im Arbeitszimmer kassiert.
Die Schlafzimmermöbel gingen an einen anderen Gläubiger. Alles, was man Valessa gelassen hatte, war ihr eigenes Schlafzimmer, dazu einige Dinge, die man für wertlos hielt.
Diesen Gegenständen verdankte sie jedoch, daß sie in den vergangenen sechs Monaten dem Hungertod entronnen war.
Zunächst verkaufte sie Stück für Stück von dem, was die Leute im Dorf haben wollten. Sie gaben ihr für die kleinen Meißner-Figuren und die Statuen heidnischer Götter, die ihr Vater auf seinen Reisen gesammelt hatte, einige wenige Shillings.
Als das alles verkauft war, mußte sie die Bettwäsche gegen Lebensmittel enttäuschen. Damals hatte sie schon erkannt, daß eines Tages auch ihre Aussteuer aufgebraucht sein würde und sie mit leeren Händen dastünde.
In ihrer Verzweiflung hatte sie Anfang dieser Woche den Entschluß gefaßt, aus dem Leben zu scheiden.
Sie sah in ihrer jetzigen Lage keine Möglichkeit, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und die Leute im Dorf konnten sie auch nicht aufnehmen, denn sie waren selbst arm. Sie lebten von dem Obst und Gemüse, das sie selbst anbauten und auf dem Markt verkauften, der jeden Sonnabend in der kleinen Stadt drei Meilen entfernt stattfand.
Wenn Valessa genügend Geld für eine Fahrkarte nach London hätte aufbringen können, dann hätte sie sich dort um eine Arbeit bemüht. Allerdings bezweifelte sie, daß jemand sie einstellen würde, und hatte auch viel zu viel Angst, allein auf Reisen zu gehen.
Als ihr Vater und ihre Mutter noch lebten, war das etwas anderes gewesen. Da hatte man sie beschützt und sich um sie gekümmert.
Kurz vor Ausbruch der Krankheit ihrer Mutter war ihr bewußt geworden, daß die Männer sie mit Blicken ansahen, die ihr angst machten. Sie brachten ihr nicht mehr nur Schokolade und kleine Geschenke mit, sondern legten auch den Arm um sie und versuchten, sie zu küssen, was ihren Vater sehr erzürnt hatte.
»Laß meine Tochter in Ruhe!« pflegte er zu sagen.
»Dazu ist sie zu hübsch«, hatte ein Mann erwidert. »Du mußt sie in einen Käfig einsperren, wenn sie älter wird, Charles!«
»Auf jeden Fall werde ich Casanovas wie dich