Rettungskreuzer Ikarus 11 - 20: Verschollen im Nexoversum (und 9 weitere Romane). Sylke BrandtЧитать онлайн книгу.
Strahler. »Wir werden sie draußen überraschen. Gegen zehn Angreifer haben wir es leichter, als wenn sich beide Gruppen vereinen. Wir müssen sie überrumpeln, bevor sie uns ins Kreuzfeuer nehmen können.«
Als er die Tür aufstieß, bemerkte er, dass Shilla ebenfalls eine kleine Waffe in der Rechten hielt, die sie auf Betäubung einstellte.
»Riskant«, kommentierte er. »Wir wissen nicht, mit welchen Spezies wir konfrontiert werden. Manche vertragen mehr als die normale Dosis.«
»Und manche weniger«, erinnerte ihn Shilla. »Ich werde nicht töten, wenn es sich vermeiden lässt.«
Ehe sich Jason rechtfertigen konnte, dass auch er niemanden kaltblütig niederschießen wollte, jedoch einem Stunner von Soldaten, die sich hinter einer Deckung verschanzt hatten, nicht derselbe Respekt gezollt wurde wie einem Strahler, wieselte der Kammerdiener um die Ecke. Den hatte Jason völlig vergessen.
»Edle Bevollmächtigte, Herrlicher Lakai«, schmachtete Taisho Jason an und krümmte mehrmals ehrerbietig seinen Rücken, »kann ich Euch …«
Jasons Faust krachte gegen das Kinn des aufdringlichen Kerls, der schwer zu Boden ging. »Gute Nacht, Süßer!«
Seine Augen suchten den Flur nach einem Fluchtweg ab.
»Dort drüben.« Shilla wies auf ein Schott.
Jason stieß es auf, fand sich jedoch in einer Abstellkammer wieder. Bei der nächsten Tür hatten sie mehr Glück. Für den Fall, dass die Aufzüge versagten, gab es eine Nottreppe, die jedoch für andere Wesen konstruiert schien oder für langbeinigere Humanoide. Die Höhe der Stufen entsprach nicht der vertrauten Norm. Das würde ihr Fluchttempo etwas verlangsamen. Die nach oben führenden Stufen hingegen waren niedriger. War eine Evakuierung der Bevollmächtigten notwendig, erreichte sie schneller das Dach als die Ebene des Foyers und konnte mit einem Fluggefährt abgeholt werden. Diese Alternative hatten die Flüchtlinge jedoch nicht.
»Also nach unten!«, sagte Jason.
»Fünf Mann befinden sich im Treppenhaus … einige Etagen unter uns. Offenbar wurde nicht bedacht, um wie viel rascher die Aufzüge nach oben fahren. Wenn wir Glück haben, können wir ein oder zwei Stockwerke tiefer einen Lift rufen und einer direkten Auseinandersetzung ausweichen.«
Schweigend folgte ihr Jason, da er keinen besseren Vorschlag hatte.
Die Aufzugtüren glitten zur Seite, und mehrere Bewaffnete sprangen in geduckter Haltung in den Korridor. Sie entdeckten die beiden sogleich und Jason brauchte keinen Kommunikator, um zu verstehen, dass sie aufgefordert wurden, sich zu ergeben. Bevor sich das Schott surrend hinter ihm schloss, ließ er eine kleine Thermalbombe aus seinem Ärmelfutter rutschen und warf sie durch den enger werdenden Spalt. Die folgende Explosion setzte hohe Temperaturen auf engstem Raum frei, die genügten, um das Material der Tür anzuschmelzen und mit dem Rahmen zu verschweißen. Das würde die Verfolger hoffentlich eine Weile aufhalten.
Sie flogen förmlich die Stufen hinab. Von unten drangen die Geräusche schneller Schritte und atemloser Stimmen herauf, wurden immer lauter. Den erregten Worten zufolge hatte man die Gesuchten bereits bemerkt.
Shilla, immer noch zwei Schritte vor Jason, stieß das Schott zum nächsten Flur auf, blieb abrupt stehen, machte auf dem Absatz kehrt und drängte Jason weiter.
»Sie fahren zu dieser Etage runter.«
Jason war nun vor ihr. »Was ist mit dem nächsten Stockwerk?«
»Dort will uns die zweite Gruppe erwarten.«
Die Gegner zogen den Ring um sie immer enger.
»Wir haben also kein Glück …« Jasons Linke glitt in seine Beintasche und zog zwei Atemfilter heraus, ohne dass er sein Tempo verlangsamte. Eines der kleinen Geräte reichte er Shilla, das andere platzierte er über Nase und Mund. Aus der Jacke nestelte er einen zylindrischen Gegenstand. »Wo sind die Übrigen?«
»Noch drei Etagen unter uns.«
Bei der nächsten Kehre verharrten sie. Als die ersten Schatten auftauchten, drückte Jason den Auslöser und warf.
»Augen zu!«, warnte er Shilla.
Ein Lichtblitz, der so grell war, dass er sogar durch die geschlossenen Lider schmerzte, gleißte durch das Treppenhaus. Gleichzeitig trat das Betäubungsgas aus.
Der Vormarsch der Truppe stockte. Jason und Shilla hörten das Husten und Stöhnen der Wesen, die von dieser Aktion überrascht wurden.
»Zwei scheinen resistent gegen das Mittel«, signalisierte Shilla.
Jason schaltete seine Waffe auf Betäubung und winkte der Vizianerin, sich hinter ihm zu halten, während er langsam die Stufen hinabschlich. Einige reglose Körper lagen verstreut auf der Treppe. Eine Gestalt kniete zwischen ihnen, die andere stand leicht gebeugt; beide waren offenbar geblendet von dem Blitz. Bevor sie etwas unternehmen konnten, wurden sie von dem Stunn-Strahl erfasst und brachen neben ihren Kameraden zusammen.
Vorsichtig stiegen Jason und Shilla über die Bewusstlosen hinweg. Die Nasenfilter benötigten sie nicht länger und warfen sie fort.
Gewiss wurden die Aufzüge bewacht. Den Gedanken, sich irgendwo im Hotel ein Versteck zu suchen, verwarf er sogleich. Verlor man ihre Spur, würde Verstärkung anrücken und alle Etagen systematisch durchkämmen, bis man die Gesuchten aufgestöbert hatte. Wenn sie nicht bald einen Weg nach draußen fanden, saßen sie fest wie in einer Mausefalle.
»Unten in der Empfangshalle befinden sich weitere fünfzehn Mann«, stellte Shilla fest. »Eine größere Gruppe hat das Hotel umstellt. Man weiß inzwischen, dass wir die Leute im Treppenhaus ausgeschaltet haben, und sendet uns eine neue Truppe entgegen.«
»Sollen sie ruhig kommen …«
Jason schob Shilla in den Flur, der wesentlich schlichter ausgestattet war als jener, der zu ihren Räumen führte. Überdies verfügte der Boden über eine sanft gerundete Mulde, die von einem durchsichtigen Gelee ausgekleidet war, dessen rutschige Konsistenz ihn beinahe hätte das Gleichgewicht verlieren lassen. Allem Anschein nach war dieses Stockwerk für Gäste vorgesehen, die sich gleitend voranbewegten. Wie würden diese wohl im Notfall die hohen Stufen bewältigen?
Vor einer Aufzugtür blieb Jason stehen.
»Das bringt nichts«, erinnerte ihn die Vizianerin. »Ich sagte doch …«
Sie schwieg, als er das Schott von oben bis unten maß, seine Finger an der Öffnung ansetzte und unter Einsatz seiner ganzen Kraft begann, die Tür aufzudrücken.
»Ich brauche etwas, um das Schott zu blockieren«, keuchte er. »Irgendetwas … eine Stange … oder …«
Shillas Augen wanderten durch den Korridor und blieben an einer Skulptur, die eine Nische zierte, haften. Das Ding war schwer, aber es gelang Shilla, das steinerne Kunstwerk zum Lift zu schleifen und es in der Öffnung zu verkeilen.
Mit dem Handrücken wischte sich Jason den Schweiß von der Stirn. Er spähte in den Schacht. Mehrere Stockwerke über ihm hing die Kabine. Zu seinen Füßen gähnte Dunkelheit. Er fischte eine handliche Stablampe hervor und löste die Schnur aus dem Endstück, sodass er sich die Leuchte um den Hals hängen konnte.
»Wir klettern am Zugseil hinab«, erklärte er. »Schaffst du das?«
Shilla nickte. »Aber was ist, wenn der Lift nach unten fährt, während wir uns im Schacht befinden?«
»Dann sind wir Mus …«
»Und wenn sie uns in den Schacht folgen?«
»Sie können nicht wissen, wo wir ihn verlassen, und werden den bequemeren Weg wählen, um die Etagen zu durchsuchen.«
Er schwang sich hinüber und begann, sich an der dicken Trosse hinunterzuhangeln. Shilla folgte ihm.
Ein gutes Stück hatten sie zurückgelegt, als ein knarrendes Geräusch ertönte. Das Seil, an dem sie hingen, bewegte sich. Sie starrten beide erschrocken nach oben. Weit über ihnen schaukelte die Kabine, die sich mit