Geschichte Italiens. Wolfgang AltgeldЧитать онлайн книгу.
als Papst ins Zwielicht zu rücken. Cölestin V. wurde 1313 als Peter vom Murrone heiliggesprochen.
Cölestins Nachfolger wurde am 24. Dezember 1294 Bonifaz VIII. (Benedikt Caetani). Er hatte u. a. in Bologna ein juristisches Studium absolviert, dann als Sekretär zweier künftiger Päpste an der Kurie Karriere gemacht und teils in [111]deren Begleitung, teils auf eigenen Legationen Frankreich, England und Deutschland kennengelernt. Insofern war er als Nachfolger seines weltabgewandten Vorgängers hervorragend geeignet. Jedoch wird seine Gestalt durch charakterliche Mängel verdunkelt: Eine Hauptaufgabe seines Pontifikates sah er in der Erhöhung seiner bisher wenig hervorgetretenen Familie in eine fürstliche Stellung; dabei war er schon vor seiner Wahl in wirtschaftliche Streitigkeiten mit den Colonna geraten.
Die Regierungszeit Bonifaz’ VIII. lässt sich in drei Abschnitte gliedern: den Konflikt mit den Colonna (bis 1299), das Heilige Jahr 1300 und die große Auseinandersetzung mit dem französischen König (ab 1301). Auslöser für den ersten Konflikt war ein Gewaltakt der Colonna gegen die Caetani, den der Papst zum Anlass einer Überreaktion mit dem Ziel der Vernichtung der konkurrierenden Familie nahm: Die beiden Kardinäle aus dem Hause Colonna wurden abgesetzt und exkommuniziert, ein förmlicher Kreuzzug gegen die Colonna endete ein Jahr später mit der Eroberung der Hauptorte der Familie. Die beiden Kardinäle und die Häupter der Familie flohen nach Frankreich, von wo aus sie die oben erwähnte Polemik gegen die Rechtmäßigkeit des Papstes betrieben.
Das Heilige Jahr 1300 entstand ohne Zutun der Kurie als Volksbewegung, die, unter Berufung auf ein angebliches Vorbild des Jahres 1200 (wofür es aber keinerlei historische Spuren gibt), für 1300 in Rom besondere Gnadenmittel erhoffte. Bonifaz VIII. stand dem Phänomen zunächst abwartend gegenüber, setzte sich dann aber an die Spitze der Bewegung und gewährte den Rompilgern den vollkommenen Ablass, der bislang nur Kreuzfahrern zugestanden worden [112]war. Politisch spielte das Heilige Jahr keine Rolle; es ist nur dadurch wichtig, dass es das Selbstbewusstsein des Papstes enorm steigerte.
Die große Auseinandersetzung mit dem französischen König Philipp IV. begann 1301 mit einem lokalen Konflikt um einen Abt, steigerte sich aber schnell zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung über die Frage, ob die staatliche Gewalt generell der päpstlichen unterworfen sei (Bulle Unam sanctam vom 18. November 1302, in der der Papst in überzeitlicher, vorwiegend biblisch gestützter Argumentation seine Maximalposition zusammenfasste). Im Gegenzug erhob im Juni 1303 eine Versammlung im Louvre gegen Bonifaz nicht nur den Vorwurf, unrechtmäßig Papst zu sein (wegen der angeblich unzulässigen Abdankung Cölestins V.), sondern auch den der Ketzerei – im Mittelalter die einzige Möglichkeit, einen Papst abzusetzen. Daraufhin kündigte Bonifaz für den 8. September 1303 die Absetzung des Königs an. Dazu kam es aber nicht mehr, da am Tag zuvor der französische Vizekanzler Wilhelm Nogaret und Sciarra Colonna den Papst in Anagni überfielen, gefangen setzten und möglicherweise misshandelten. Infolge der erlittenen Behandlung starb Bonifaz am 11. Oktober 1303 als Märtyrer seiner Vorstellung von der Rolle des Papsttums.
Kaiser Heinrich VII
Sieben Jahre nach dem Tode Bonifaz’ VIII. endete die seit dem Tode Friedrichs II. andauernde Vakanz des Kaisertums. Was Rudolf von Habsburg trotz mehrfacher Anläufe nicht geschafft hatte, gelang dem Luxemburger Heinrich VII., [113]nämlich die Kaiserkrönung in Rom. Sein Italienzug zeigte allerdings auch das volle Ausmaß der Veränderungen, die seit dem Ende der Stauferherrschaft in Italien eingetreten waren.
Die Rahmenbedingungen für den Zug waren ungünstig: Die Kommunen bzw. Signorien in Reichsitalien erhofften sich keinen unparteiischen Schiedsrichter, sondern einen Verbündeten in den Auseinandersetzungen mit den Nachbarn; Papst Clemens V., der in Südfrankreich residierte, brach seine Zusage, zur Kaiserkrönung nach Italien zu kommen, und sandte stattdessen zwei Kardinäle (ob darin eine Distanzierung vom Plan der Kaiserkrönung zu sehen ist, ist ungewiss); König Robert von Neapel, der seit 1309 regierende Sohn Karls II., verlangte in einer Denkschrift an den Papst offen die völlige Abschaffung des Kaisertums, wobei er in nationalistischer Polemik insbesondere die Krönung eines deutschen Königs zum Kaiser ablehnte.
In Mailand, wo er am 6. Januar 1311 die lombardisch-italienische Krönung empfing, ergriff Heinrich für die Visconti Partei; dadurch wurde er in die Rivalitäten der »ghibellinischen« und »guelfischen« Städte hineingezogen. Im Folgenden musste er Cremona zwei Wochen, Brescia dreieinhalb Monate lang belagern, ehe er über Genua und Pisa nach Rom gelangen konnte. Dort empfing er am 29. Juni 1312 in der Lateranbasilika die Kaiserkrone (die Peterskirche war in der Hand von Anhängern Roberts von Neapel). Anschließend belagerte er sechs Wochen lang vergeblich Florenz, ehe er im März 1313 wieder in Pisa eintraf. In Pisa eröffnete er einen Prozess gegen Robert von Neapel, den er in seiner Funktion als Kaiser absetzte und zum Tode verurteilte (analog zur Hinrichtung Konradins). Am 8. August [114]brach er nach Süden auf, um den Spruch zu vollstrecken, doch starb er am 24. August 1313 in Buonconvento bei Siena. Er wurde in Pisa begraben.
Heinrichs Italienzug war im Grunde ein großartiger Anachronismus. Politisch gesehen blieb er Episode, und er hat die bestehenden Probleme eher verschärft. Mit ihm endeten alle Versuche der deutschen Könige und Kaiser, auf Süditalien Einfluss zu nehmen. Zu der Minderheit, die sich viel von Heinrichs Kommen erhofft hatte, gehörte Dante Alighieri.
Süditalien nach dem Frieden von Caltabellotta
Das Urteil Kaiser Heinrichs VII. gegen Robert von Neapel war keineswegs eine leere Drohung, denn gleichzeitig nahm auch König Friedrich von Sizilien (unter Bruch des Friedens von Caltabellotta, der nach Roberts Absetzung als hinfällig gelten mochte) den Krieg gegen das festländische Königreich wieder auf. Von einer Rückgabe der Insel an die Anjou nach König Friedrichs Tod war somit keine Rede mehr, vielmehr wurde 1314 Friedrichs Sohn Peter zum Nachfolger erhoben. Es folgten im regulären Erbgang weitere Nachkommen Friedrichs bis zu Maria (seit 1377), durch die die Königswürde auf ihren Ehemann, den aragonesischen Thronfolger, überging: Dies führte schließlich 1409 zur Personalunion Siziliens mit Aragón.
Nach Kaiser Heinrichs Tod ging Robert von Neapel 1314 zum Gegenangriff auf Sizilien über, der zwar schnell ins Stocken kam; aber es folgte eine ganze Serie von weiteren Angriffen auf die Insel (1320, 1325, 1326, 1327, 1333, 1336, 1338, 1339, 1341, 1342), die jeweils von kurzfristigen [115]Waffenstillständen abgelöst wurden, ehe Roberts Tod 1343 und die Probleme der Nachfolgeregelung den Kriegselan Neapels stoppten. Während die Insel unter den ständigen Kriegsereignissen litt, was ihren wirtschaftlichen Niedergang beschleunigte, erlebte das festländische Königreich Neapel unter König Robert eine Epoche des Friedens und der Prosperität; der Hof des wissenschaftlich gebildeten Königs (daher sein Beiname »der Weise«) entwickelte sich zu einem bedeutenden kulturellen Zentrum.
König Robert starb 1343 ohne männlichen Erben. Seine 16-jährige Enkelin Johanna I. folgte ihm zwar auf dem Königsthron nach und wurde auch vom Papst als Lehnherr Neapels anerkannt, jedoch war ihre Stellung von zwei Seiten her gefährdet: durch mögliche ungarische Erbansprüche und durch die Ambitionen ihrer männlichen Verwandten in Italien selbst (den von den jüngeren Brüdern König Roberts abstammenden Herzögen von Tarent und Durazzo). Die ungarischen Ansprüche leiteten sich von Karl Martell, einem älteren Bruder König Roberts, her, der als Erbe seiner Mutter die ungarische Krone für sich reklamiert hatte und dessen Linie sich schließlich in Ungarn hatte durchsetzen können. Um diesen Ansprüchen zuvorzukommen, wurde Johanna mit Andreas, dem jüngeren Bruder König Ludwigs des Großen von Ungarn, verheiratet; jedoch wurde Andreas 1345 ermordet. Dies löste einen Rachefeldzug des ungarischen Königs aus, der 1348 die Macht in Neapel übernahm und gegen die Herzöge von Tarent und besonders Durazzo vorging. Johanna selbst war in die Provence geflohen. Ob sie an dem Mord beteiligt war, ist bis heute ungeklärt, der Papst jedenfalls sprach sie ausdrücklich von diesem Vorwurf frei.
[116][117]Johanna heiratete in zweiter Ehe Herzog Ludwig von Tarent. Diesem gelang es, bis 1352 die Ungarn aus Italien zu vertreiben (wobei ihn die damals grassierende Pestepidemie begünstigte) und dadurch faktischer Herrscher des Königreichs zu werden, neben dem Johanna unbedeutend blieb; erst nach seinem Tode 1362 konnte sie selbständig in die Politik eingreifen. Ludwig von Tarent hatte, nicht ohne