Geschichte Italiens. Wolfgang AltgeldЧитать онлайн книгу.
begann die Zeit der sog. italienischen Nationalkönige (ein im Grunde unhistorischer Ausdruck, da es damals noch keine italienische Nation gab): Der einheimische Adel setzte willkürlich Könige ein und ab, wobei es sich entweder um einflussreiche Markgrafen aus Italien selbst oder um Herrscher benachbarter Reiche handelte. Diese Könige erlangten in der Regel auch die Kaiserkrönung, die jetzt geradezu als Attribut der italienischen Königswürde erschien. Der schnelle Wechsel der Herrscher war neben innenpolitischen Machtkämpfen auch dadurch bedingt, dass praktisch alle versagten, wenn es darum ging, Italien gegen die Raubzüge der Sarazenen von Süden und – eine neue Bedrohung – der Ungarn von Nordosten her zu schützen.
[27]Als erster »Nationalkönig« wurde 888 Markgraf Berengar (I.) von Friaul gewählt. Trotz zahlreicher Konkurrenten konnte er über 36 Jahre lang seine Ansprüche behaupten. Dabei konnten die Päpste als »Verleiher« der Kaiserkrone (Wido 889, Lambert 892, Arnulf 896, Ludwig 901, Berengar I. 915) teils eine aktive Rolle spielen, teils mussten sie aber auch bestehende Konstellationen nolens volens legalisieren. Bei einem Umschwung der Machtverhältnisse traf sie die Rache der Gegenpartei, so besonders tragisch im Falle des Papstes Formosus, den sein Nachfolger Stephan VI. aus dem Grab reißen und auf der schauerlichen »Leichensynode« von 896 nachträglich absetzen ließ.
Nach Berengars I. Ermordung 924 folgte Hugo von Vienne, der bis 948 relativ unangefochten herrschte – teils weil er eine überaus skrupellose Politik betrieb, teils weil gewissermaßen das Reservoir möglicher Gegenkönige erschöpft war. Erst zu Ende seiner Regierung unternahm Markgraf Berengar (II.) von Ivrea einen Usurpationsversuch, scheiterte aber zunächst und musste über die Alpen zum deutschen König Otto I. fliehen; ob er dort dessen Vasall geworden ist, wie einige Quellen berichten, ist umstritten.
Einen eigenen Weg schlug das Herzogtum Benevent ein. Schon zur langobardischen Königszeit nur lose mit dem übrigen Reich verbunden, entging es zunächst der karolingischen Eroberung und trat auch später nur in eine formale Lehensabhängigkeit ein. Die Herzöge nahmen jetzt den Fürstentitel an und betrachteten sich als die Bewahrer der langobardischen Traditionen. Allerdings führten Erbstreitigkeiten (die Kaiser Ludwig II. Gelegenheit zur Einmischung boten) zur Teilung in die Fürstentümer Benevent [28]und Salerno, von denen sich schließlich noch Capua abspaltete. Außerdem sahen sie sich besonderer Bedrohung durch die Sarazenen sowie einem Rückeroberungsdruck seitens der Byzantiner ausgesetzt, die die Grenze ihrer Herrschaft ca. 100 km nach Norden vorschieben konnten.
Eine Sonderentwicklung nahm auch der Kirchenstaat. Das Papsttum geriet immer mehr in die Hände rivalisierender römischer Adelsfamilien. Zwar hatte Lothar I. in der Constitutio Romana die Papstwahl strenger kaiserlicher Aufsicht unterstellt; aber die den Kaisertitel tragenden Nationalkönige waren zu schwach, um diese Rechte wirksam wahrzunehmen. Vielmehr erschienen jetzt einige Adelsfamilien als die eigentlichen Herrscher des Kirchenstaates, die nach Belieben Päpste einsetzten und auch beseitigten. Da dabei auch mehrere adlige Damen hervortraten, bezeichnete die protestantische Polemik (V. E. Löscher 1705) diese Epoche als das Zeitalter der »Pornokratie«. Die letzte Pornokratin Marozia, die auch mit König Hugo verheiratet war, wurde schließlich von ihrem eigenen Sohn Alberich II. gestürzt. Alberich führte von 932 an relativ stabile Verhältnisse in Rom herbei, untersagte aber den von ihm abhängigen Päpsten die Vornahme einer neuen Kaiserkrönung nach dem Tode Berengars I.
Die Zeit der Ottonen und Salier
950–973 | Otto I. (der Große). |
962 | Kaiserkrönung Ottos I. |
972 | Heirat Ottos II. mit Theophanu. |
973–983 | Otto II. |
982 | Niederlage Ottos II. am Kap Colonne. |
983–1002 | Otto III. |
996–999 | Papst Gregor V. |
999–1003 | Papst Silvester II. |
1002–1004 | (Gegen-)König Arduin von Ivrea. |
1004–1024 | Heinrich II. |
1024–1039 | Konrad II. |
1039–1056 | Heinrich III. |
1046 | Synode von Sutri. |
1056–1106 | Heinrich IV. |
1073–1085 | Papst Gregor VII. |
1077 | Canossa. |
1084 | Eroberung und Verwüstung Roms durch die Normannen. |
1088–1099 | Papst Urban II. |
1093–1101 | Konrad, Sohn Heinrichs IV., Gegenkönig in Italien. |
1052–1115 | Markgräfin Mathilde von Tuszien. |
1099–1118 | Papst Paschalis II. |
1100–1125 | Heinrich V. |
1122 | Wormser Konkordat. |
Otto I
Von einer Adelspartei ins Land gerufen und zusätzlich legitimiert durch die Ehe mit Adelheid, der Witwe des letzten Königs, konnte der deutsche König Otto I. 950 den einheimischen Prätendenten für die italienische Königskrone, Berengar II., verdrängen und auf die Rolle eines Unterkönigs beschränken. Die von Otto auch gewünschte [30]Kaiserkrönung verhinderte jedoch der weltliche Herrscher Roms, Alberich II.
Erst ein Jahrzehnt später änderten sich die Verhältnisse. Berengar II. versuchte 960, den Kirchenstaat seinem Machtgebiet einzuverleiben. Die Gelegenheit dazu schien günstig, denn in Rom war auf Alberich II. sein unerfahrener Sohn Johannes Oktavian (seit 955 Papst Johannes XII.) gefolgt. Dieser brach nun mit der Politik seines Vaters und lud Otto zur Kaiserkrönung ein; das ermöglichte es Otto zugleich, den zu selbstherrlich gewordenen Berengar zu beseitigen. Die Kaiserkrönung Ottos und Adelheids fand am 2. Februar 962 statt; die Bekämpfung Berengars zog sich noch bis 965 hin. Zwei Jahre nach der Kaiserkrönung ließ Otto auch den moralisch anfechtbaren Johannes XII. absetzen, der auf die Seite Berengars gewechselt war, und durch Leo VIII. ersetzen; jedoch konnte dieser sich in Rom nur halten, solange der Kaiser selbst in Italien anwesend war.
Anlässlich der Kaiserkrönung erneuerte Otto im sogenannten Ottonianum die Urkunde über die Pippinische Schenkung, d. h., er versprach der Kurie die Restitution all jener Gebiete, die ihr zur Zeit der Nationalkönige und während der politischen Selbstbeschränkung Alberichs II. verlorengegangen waren. Der Vorgang zog sich längere Zeit hin und wurde auch dadurch überlagert, dass Ravenna wie unter den Karolingern eine Sonderstellung erhielt, indem es im Einvernehmen mit der Kurie Kaiserin Adelheid übertragen wurde. Ansonsten stützte sich die ottonische Herrschaft, dem Beispiel der Nationalkönige, besonders Berengars I., folgend, in steigendem Maße auf die Bischöfe, die mit Grafschaftsrechten usw. ausgestattet wurden – also die als ottonisch-salisches Reichskirchensystem bekannte [31]Regierungsweise. Als Bischöfe bestimmten