Physikalische Chemie. Peter W. AtkinsЧитать онлайн книгу.
< 0 ist; die Voraussetzung ist hier, dass TdS nicht so stark negativ ist, dass die Abnahme der Enthalpie dadurch kompensiert oder sogar übertroffen wird.
(b) Einige Anmerkungen zur Freien Energie
Eine Zustandsänderung eines Systems mit konstanter Temperatur und konstantem Volumen ist freiwillig, wenn dAT,V ≤ 0 ist, d. h., wenn die Zustandsänderung eine Abnahme der Freien Energie bewirkt. Derartige Systeme bewegen sich – wenn ein möglicher Weg existiert – spontan in Richtung von Zuständen niedrigerer Freier Energie; das Gleichgewicht (wenn weder in der einen noch in der anderen Richtung eine Veränderung eintritt) ist für dAT,V = 0 erreicht.
Die Beziehungen dA = dU−TdS und dA < 0 werden mitunter auf folgende Weise interpretiert: Ein negativer Wert für dA ergibt sich, wenn dU möglichst negativ und TdS möglichst positiv wird. Daraus könnte man schließen, dass ein System einem Zustand kleiner Freier Energie zustrebt, weil es damit eine niedrigere Innere Energie und eine höhere Entropie erreicht. Diese Erklärung ist falsch (obwohl sie als Faustregel zum Einprägen der Beziehung für dA nützlich ist). Das System strebt nur deshalb Zustände mit kleinem A an, weil dadurch die Gesamtentropie zunimmt: Zustandsänderungen verlaufen dann freiwillig, wenn das System und seine Umgebung dadurch eine höhere Gesamtentropie erreichen – nicht, wenn die Innere Energie abnimmt. Insofern kann uns die Gleichung für dA in die Irre führen; man gewinnt den Eindruck, dass Zustände niedriger Innerer Energie generell begünstigt sind. In Wirklichkeit ist aber das Maximum der Summe aus den Entropieänderungen des Systems (dS) und der Umgebung (−dU/T bei konstantem Volumen des Systems) das Ziel.
(c) Die maximale Arbeit
Wie wir nun feststellen werden, kann die Größe A nicht nur als Kriterium für die Freiwilligkeit von Zustandsänderungen dienen; sie hat eine weitaus größere Bedeutung: Die Änderung der Freien Energie entspricht der Arbeit, die ein System maximal verrichten kann.
Herleitung 3.2: Die maximale Arbeit
Um zu zeigen, dass die maximale Arbeit gleich der Änderung der Freien Energie ist, setzen wir die Clausius'sche Ungleichung dS ≥ dq/T in der Form TdS ≥ dq in den Ersten Hauptsatz dU = dq + dw ein; so erhalten wir
(dU ist immer kleiner als die rechte Seite dieser Ungleichung, da wir dq durch den stets größeren Ausdruck TdS ersetzt haben). Durch Umstellen wird daraus:
Daraus folgt für den größtmöglichen negativen Wert von dw – also den maximalen Betrag der Energie, die dem System in Form von Arbeit entnommen werden kann –
Dies wird nur bei reversibler Arbeitsweise erreicht, denn ausschließlich dann gilt in allen vorangegangenen Beziehungen das Gleichheitszeichen. Bei konstanter Temperatur gilt dA = dU − TdS, daher ist in diesem Fall
Für eine endliche isotherme Zustandsänderung wird Gl. (3.31) zu wmax = ΔA mit ΔA = ΔU−TΔS. Man sieht, dass unter Umständen – in Abhängigkeit vom Vorzeichen von TΔS – nicht die gesamte Änderung der Inneren Energie in Arbeit umgesetzt werden kann. Wenn die Zustandsänderung unter Verringerung der Entropie des Systems verläuft, ist TΔS < 0; dadurch ist die rechte Seite der Gleichung nicht so negativ wie ΔU selbst und die maximale Arbeit ist kleiner als ΔU. Damit eine solche Zustandsänderung freiwillig verlaufen kann, muss das System eine Wärmemenge an die Umgebung abgeben, bis die damit verbundene Entropiezunahme der Umgebung groß genug ist, um die Abnahme der Entropie des Systems auszugleichen (Abb. 3.17). Bildlich gesprochen erhebt die Natur eine Art „Steuer“ auf die Innere Energie, die in Arbeit umgewandelt werden soll. Aufgrund derartiger Überlegungen entstand der Begriff „Freie Energie“: ΔA ist ein Maß für genau denjenigen Teil der Änderung der Inneren Energie, der zur Umwandlung in Arbeit zur Verfügung steht.
Abb. 3.17. In einem nicht abgeschlossenen System kann sich die verrichtete Arbeit von der Änderung der Inneren Energie unterscheiden. Wie wir wissen, verläuft der Prozess genau dann freiwillig, wenn die Entropie des abgeschlossenen Gesamtsystems zunimmt. Hier nimmt die Entropie des Systems ab, also muss die Entropie der Umgebung steigen, damit der Prozess freiwillig abläuft. Das bedeutet, Wärme muss vom System auf die Umgebung übertragen werden. Daher ist die Menge der nutzbaren Arbeit kleiner als ΔU.
Um das Verhältnis zwischen Freier Energie und maximaler Arbeit besser zu verstehen, erinnern wir uns daran, dass Arbeit in Form von gleichförmiger Bewegung der Teilchen mit der Umgebung ausgetauscht wird. Die Beziehung A = U−TS kann man so interpretieren, dass A gleich der gesamten Inneren Energie U des Systems ist, vermindert um einen Betrag, der in Form von Energie der thermischen Bewegung gespeichert ist (TS). Da diese letzte Energieform nicht genutzt werden kann, um eine geordnete Bewegung der Teilchen in der Umgebung zu erzeugen, kann nur die Energiemenge in Arbeit umgesetzt werden, die in geordneter Weise gespeichert ist (U−TS).
Ist die Zustandsänderung mit einer Zunahme der Entropie der Systems verbunden (TΔS > 0), wird die rechte Seite der Gleichung negativer als ΔU; die maximale Arbeit wird somit auch größer als ΔU. Das scheint zunächst ein Widerspruch zu sein, der sich allerdings schnell aufklären lässt: Das System ist nicht abgeschlossen – Energie kann in Form von Wärme hineinfließen, wenn Arbeit verrichtet wird. Da die Entropie des Systems zunimmt, darf die Entropie der Umgebung abnehmen, der Gesamtprozess verläuft trotzdem freiwillig. Eine bestimmte Wärmemenge (maximal TΔS) kann von der Umgebung auf das System übergehen und so zu der Arbeit beitragen, die das System verrichtet (Abb. 3.18). Um bei unserem Bild von vorhin zu bleiben: Die Natur zahlt die „Steuer“ auf diese Weise zurück.
Abb. 3.18 Bei diesem Prozess nimmt die Entropie des Systems zu; daher darf die Entropie der Umgebung etwas abnehmen – das bedeutet, die Umgebung kann Wärme an das System abführen. Diese Energie kann dann in Form von Wärme wieder an die Umgebung zurückgegeben werden; in diesem Fall ist die nutzbare Arbeit größer als ΔU.
Beispiel 3.4: Die Berechnung der maximalen Arbeit
1,000 mol Glucose, C6H12O6, wird unter Standardbedingungen bei 25 °C entsprechend folgender Reaktionsgleichung zu Kohlendioxid und Wasser oxidiert: C6H12O6 (s) + 6 O2 (g) → 6 CO2 (g) + 6 H2O (l). Kalorimetrische Messungen ergaben ΔRU = −2808 kJ mol−1 und ΔRS = +