Physikalische Chemie. Peter W. AtkinsЧитать онлайн книгу.
drei Gleichungen für zwei Unbekannte (p und T) vorliegen und es daher keine Lösung besitzt (ähnlich wie das Gleichungssystem x + y = xy, 3x − y = xy und 4x − y = 2xy2).
Wir fassen zusammen: Für ein Einkomponentensystem (C = 1) haben wir gezeigt: F = 2 für P = 1; F = 1 für P = 2; und F = 0 für P = 3. Als Ergebnis können wir festhalten, dass für C = 1 allgemein gilt: F = 3 − P.
Schritt 2 Aufstellen der Phasenregel für Systeme mit einer beliebigen Anzahl von Komponenten.
Nun gehen wir zum allgemeinen Fall über. Zunächst zählen wir die intensiven Variablen (Zustandsgrößen, die nicht von der Größe des Systems abhängen): Mit dem Druck p und der Temperatur T sind wir bei 2. Die Zusammensetzung ist vollständig bestimmt, wenn der Molenbruch von (C − 1) Komponenten bekannt ist (es ist nicht erforderlich, alle Molenbrüche zu kennen, da durch x1 + x2 + … + xC = 1 einer der Molenbrüche festgelegt ist, wenn alle anderen bekannt sind). Wenn P Phasen vorliegen, gibt es somit insgesamt P(C − 1) Variablen für die Zusammensetzung. Die Gesamtzahl der intensiven Variablen ist damit P(C − 1) + 2.
Im Gleichgewicht hat das chemische Potenzial eines Stoffs J in jeder Phase denselben Wert:
Für jede Komponente J müssen demnach P − 1 Gleichungen erfüllt sein. Wenn die Anzahl der Komponenten C ist, ergeben sich insgesamt C(P − 1) Gleichungen. Durch jede wird die Anzahl der unabhängigen intensiven Variablen [ausgehend von P(C − 1) + 2] um 1 reduziert; damit ergibt sich für die Anzahl der Freiheitsgrade des Systems
Die rechte Seite der Gleichung lässt sich vereinfachen, sodass wir die Phasenregel in der Form erhalten, wie sie von J.W. Gibbs hergeleitet wurde:
In einem Einkomponentensystem (wie beispielsweise reinem Wasser) ist
(4.2)
Stehen zwei Phasen miteinander im Gleichgewicht, wird F = 1; das bedeutet, dass man bei festgelegter Temperatur den Druck nicht mehr frei wählen kann. (Bei gegebener Temperatur findet man einen ganz bestimmten Dampfdruck einer Flüssigkeit.) Das Gleichgewicht zweier Phasen entspricht demnach einer Linie im Phasendiagramm. Anstelle der Temperatur können wir auch den Druck frei wählen; das Phasengleichgewicht lässt sich dann aber nur bei einer bestimmten Temperatur realisieren. Jeder Phasenübergang, wie beispielsweise das Gefrieren, erfolgt bei vorgegebenem Druck bei einer ganz bestimmten Temperatur.
Befinden sich drei Phasen miteinander im Gleichgewicht, wird F = 0: Das System ist invariant, d. h. es besitzt keine Freiheitsgrade. Dieser Zustand wird nur bei einem bestimmten Temperatur/Druck‐Wertepaar erreicht, das für jeden Stoff charakteristisch ist; diesen Punkt kann man nicht beeinflussen. Das Gleichgewicht dreier Phasen entspricht einem Punkt im Phasendiagramm, dem Tripelpunkt. Da F nicht negativ werden kann, können in einem Einkomponentensystem niemals mehr als drei Phasen koexistieren. Eine Zusammenfassung all dieser Merkmale gibt Abb. 4.7; Sie sollten sie bei der folgenden Diskussion der Phasendiagramme dreier Reinstoffe stets im Hinterkopf behalten.
Abb. 4.7 Die typischen Bereiche eines Einkomponenten‐Phasendiagramms. Die Linien entsprechen Bedingungen, bei denen die beiden angrenzenden Phasen im Gleichgewicht stehen. Ein Punkt gibt die (eindeutigen) Bedingungen an, bei denen drei Phasen miteinander im Gleichgewicht stehen. Vier Phasen können nicht miteinander im Gleichgewicht stehen.
4.1.3 Drei typische Phasendiagramme
Im Folgenden werden wir die Bedeutung der verschiedenen Merkmale von Phasendiagrammen anhand der Beispiele Kohlendioxid, Wasser und Helium verdeutlichen.
(a) Kohlendioxid
Das Phasendiagramm von Kohlendioxid ist in Abb. 4.8 gezeigt. Die Phasengrenzlinie fest/flüssig besitzt (wie bei den meisten Substanzen) eine positive Steigung (im Phasendiagramm von links nach rechts betrachtet) – das bedeutet, dass die Schmelztemperatur von Kohlendioxid mit zunehmendem Druck ansteigt. Der Tripelpunkt liegt oberhalb des Atmosphärendrucks von 1 atm; flüssiges CO2 kann daher bei diesem Druck bei keiner Temperatur existieren, sodass der Feststoff sublimiert (daher auch der Name „Trockeneis“). Zur Erzeugung der flüssigen Phase muss ein Druck von mindestens 5,11 atm (0,52 MPa) ausgeübt werden. CO2‐Druckgasflaschen enthalten flüssiges CO2 oder komprimiertes Gas; wenn Gas und Flüssigkeit im Gleichgewicht vorliegen, beträgt der Dampfdruck bei 25 °C immerhin 67 atm (6,8 MPa). Beim Ausströmen durch das Ventil kühlt sich das Gas infolge des Joule‐Thomson‐Effekts ab. Wenn der äußere Druck etwa 0,1 MPa (1 bar) beträgt, kondensiert es dabei sofort zu einem fein verteilten, schneeähnlichen Feststoff. Dass gasförmiges Kohlendioxid nur durch Anwendung von hohem Druck verflüssigt werden kann, ist eine Folge der schwachen Wechselwirkungen zwischen den unpolaren Kohlendioxidmolekülen (siehe Abschn. 14.2).
Abb. 4.8 Das experimentell bestimmte Phasendiagramm von Kohlendioxid; bitte beachten Sie die Unterbrechung der vertikalen Achse. Der Druck am Tripelpunkt ist wesentlich größer als der Atmosphärendruck, daher existiert unter normalen Bedingungen kein flüssiges CO2. Um dieses zu erhalten, muss ein Druck von mindestens 5,11 atm (0,52 MPa) ausgeübt werden. Der Pfad zwischen den Punkten ABCD wird in Illustration 4.6 diskutiert.
Illustration 4.6
Betrachten Sie den in Abb. 4.8 eingezeichneten Pfad zwischen den Punkten ABCD. Am Punkt A liegt Kohlendioxid als Gas vor. Wenn sich die Temperatur und der Druck so verändern, dass Punkt B erreicht wird, kondensiert die Substanz direkt zu einem Feststoff; diesen Vorgang nennt man Resublimation. Eine Erhöhung des Drucks und der Temperatur bis zu den Bedingungen bei Punkt C führt dazu, dass sich eine flüssige Phase bildet; diese Flüssigkeit wird verdampfen, wenn sich die Bedingungen am Punkt D einstellen.
(b) Wasser
Das Phasendiagramm von Wasser ist in Abb. 4.9 gezeigt. Die Grenzlinie flüssig/gasförmig gibt die Temperaturabhängigkeit des Dampfdrucks von flüssigem Wasser und gleichzeitig die Druckabhängigkeit seines Siedepunkts