DER ELEGANTE MR. EVANS. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.
ist unsere Polizei«, sagte Lee und stand ohne fremde Hilfe auf. »Hier gibt es einen Spitzel in der Nachbarschaft«, sagte er leidenschaftslos. »Wenn ich den je finden sollte, reiße ich ihm die Leber raus. Und die Lunge«, fügte er hinzu, als er sich ganz kurz an solch wichtige Organe erinnerte.
Es war sein neunter Gesetzesverstoß und Lee wusste, dass er für einen Platz in jenem Landhaus in Devon nahe des Dart-Flusses und den Golfplätzen von Tavistock vorgemerkt war.
Nachdem sie ihre Position als wahre und treue Ehegefährtin verteidigt hatte, kehrte Mrs. Modder Lee zu dem ehrbaren Status der anständigen Frau zurück. Der Müller sah sie mit dem rothaarigen Untermieter aus einem Kino kommen und sie trippelte schüchtern auf ihn zu, mit einem Lächeln auf ihrem zweifellos attraktiven Gesicht. Der Müller sagte immer, wenn sie das Gespür hätte, im richtigen Moment den Mund zu halten, hätte man sie für eine Französin halten können. Er präzisierte seine Anschauung von einer Französin, aber die Beschreibung kann nicht in einem Buch gedruckt werden, das auch von Jugendlichen gelesen wird.
»Oh, Mr. Challoner, ich schulde Ihnen in der Tat noch eine Entschuldigung für all die unfreundlichen Dinge, die ich gesagt habe«, meinte sie mit ihrer affektierten Stimme; »aber eine Ehefrau muss zu ihrem Mann halten, wo kämen wir denn sonst hin, wenn ich so sagen darf?«
»Ist schon gut, Mrs. Lee«, lächelte der Müller und schaute zu ihrer Begleitung. »Wie ich sehe, kümmert sich Vennett um Sie.«
Mrs. Lee begann mit einer Lobeshymne. »Er ist ja immer schon so gut zu mir und den Kindern gewesen«, sagte sie. »Er hat ein bisschen Geld und hat auch nichts dagegen es auszugeben – Sie glauben ja gar nicht, wie gut er zu mir gewesen ist, Mr. Challoner!«
»Ich kann es mir vorstellen«, sagte der Müller.
Der Müller war ein Philosoph. Im Rahmen seiner beruflichen Möglichkeiten konnte er durchaus eine Situation verstehen, die ihn wahrhaftig krank machte, wenn er darüber nachdachte. Eines Morgens traf er Educated Evans an der Ecke Bayham Street und dieser gebildete Mann trug einen Ausdruck des Friedens und der Zufriedenheit zur Schau, der so gar nicht zu seinem Ruf als der Welt erster Turfratgeber passen wollte. Denn Educated Evans hatte seinen Kunden Tipps für drei Pferde geschickt, von denen zwei als Vierter und Fünfter und das dritte sogar als absolut letzter eingekommen waren; soweit des Müllers Informationsstand.
»Es hat keinen Zweck, mit mir zu reden, Mr. Challoner«, sagte Educated Evans bestimmt. »Meine Information besagte, dass ‚Rhineland’ auch im Rückwärtslaufen gewinnen konnte. Er wurde schlecht geritten, den Sportberichten nach, und meine eigene Meinung dazu ist, dass der Jockey überhaupt nichts versucht hat.«
»Wenn ‚Statesman’ nicht gewinnt...« begann der Müller drohend und Evans’ Gesicht verfärbte sich.
»Sie wetten doch nicht auf ‚Statesman’, oder?«
»Ich habe schon«, sagte der Müller und Evans stöhnte auf.
»Dann haben Sie Ihr Geld verloren«, erwiderte er resigniert.
Der Müller runzelte die Stirn.
»Ich traf Ginger Vennett und er sagte mir, du habest ihm den Tipp gegeben als den besten dieses Jahrhunderts; weiter hast du ihm gesagt, dass du den Tipp von seinem Besitzer habest und er, Ginger, solle jeden Farthing (¼-Penny; d.Ü.),den er auftreiben könnte, auf dieses Pferd setzen. Was steckt dahinter, Evans?«
»Dahinter steckt«, antwortete Evans betont und mit sehr bewegter Stimme, »dass ich diesen Spitzel dahin kriegen will, wo er hingehört – in die Gosse!«
Der Müller schnappte nach Luft.
»Du willst mir also sagen, dass du ihn eingewickelt hast.«
»Jawohl«, antwortete Evans wild. »Er hat seine gesamten Ersparnisse auf ‚Statesman’ gesetzt, der seit einem Monat keinen Galopp mehr hingekriegt hat. Wenn Sie nun mit ihm zusammen in der Falle sitzen, tut mir das sehr leid, Mr. Challoner; aber ich habe für Sie einen Tipp für Samstag, der nicht verlieren kann, es sei denn, man zieht ein Seil quer über die Strecke, um ihn zu Fall zu bringen.«
Der Müller rannte zum nächsten Telefon und rief Mr. Isaacheim an.
»Challoner spricht, Isaacheim«, sagte er. »Diese Wette, die Sie für ‚Statesman’ angenommen haben – ich denke, die wird annulliert.«
»In Ordnung, Mr. Challoner«, sagte Isaacheim verbindlich. »Ich selbst halte auch nicht viel von ihm: das Pferd ist einen Monat lang nicht mehr galoppiert und Educated Evans sagte mir...«
»Ich weiß, was der Ihnen erzählt hat«, sagte der Müller; »aber wir verstehen uns dahin, dass diese Wette vom Tisch ist.«
Am späten Nachmittag kaufte der Müller eine Abendzeitung und suchte dort die letzten Meldungen. Und das erste, was er sah: »Statesman« hatte gewonnen!
Als er später am Abend den Preis von 25 : 1 erfuhr, suchte er Educated Evans auf und fand einen traurigen Mann vor, der dem Weinen nahe war.
»Ich habe mein Bestes versucht. Es hat keinen Zweck, mit mir einen Streit anzufangen, Mr. Challoner«, sagte er.
»Ginger war soeben hier und gratulierte mir, erzählte aber nicht, dass er etwa vergessen hatte zu wetten, und das ist so ziemlich das Letzte, was ich ertragen kann. Das einzige, was ich Ihnen jetzt sagen kann, setzen Sie nicht auf ‚Blazing Heavens, in dem Rennen morgen um 14.30 Uhr. Weil ich den Tipp an Ginger gebe, und ich bat ihn, als Mann und Sportsmann, niemand davon zu erzählen und das letzte Hemd auf das Pferd zu setzen. Rache«, so fuhr er fort, »widerstrebt eigentlich meiner Natur. Aber ein Spitzel bleibt nun mal ein Spitzel, und wenn ich Ginger nicht fertigmache, dann bin ich ein ungebildeter Mensch – der ich selbstverständlich nicht bin«, fügte er bescheiden hinzu.
Seinen Instruktionen folgend, nahm der Müller davon Abstand, auf ‚Blazing Heavens’ zu wetten und unter keinen Umständen einen roten Heller in ein Pferd zu investieren, das um 21 Pfund schlechter dran war als »Lazy Loo«. Und »Blazing Heavens« gewann das Rennen. Sein Preis belief sich auf 100 zu 6. Ginger schickte einen Botenjungen mit einem Zehn-Shilling-Schein zu Educated Evans und bat gleichzeitig um dessen Fünf-Pfund-Special für den nächsten Tag.
Educated Evans saß bis tief in die Nacht, analysierte und prüfte das Programm des folgenden Tages und entdeckte endlich ein Rennpferd, das nicht nur 14 Pfund mehr zu tragen hatte. Vielmehr freute ihn, dass Sportreporter, die für gewöhnlich immer etwas Positives über jedes Pferd sagten, es mit der Zeile abtaten: »Er hat im Tilbury Verkaufsrennen keine Chance.«
Dazu sah er noch einen Absatz in der folgenden Morgenzeitung, wonach »Star of Sachem« – so lautete der hochtrabende Name für diesen pferdeähnlich behaarten Körper – zu Fuß zum Meeting geführt wurde, weil sein Besitzer meinte, er sei den Transport per Bahn nicht wert.
Ginger kam auf einen Besuch bei Evans vorbei; er trug eine neue Goldkette und zwei erstklassige, diamantenähnliche Ringe, einen neuen Hut und eine neue Krawatte in schreienden Farben.
»Morgen, Evans«, sagte er munter beim Eintreten. »Ich dachte, ich komme Sie mal besuchen. Ich und mein Schatz fahren an die See wie jedes Jahr.« »Ha-ha«, machte Evans.
«Sie haben mir einen richtigen Gefallen getan, alter Junge.« Der Spitzel legte seine große Hand sanft auf Evans’ Schulter. »Aber ich hätte es gerne noch etwas besser. Geben Sie mir einen hundertprozentigen Tipp, ich setze dann jedes Pfund, das ich habe, und Sie sind mit einem Fünfer dabei. Ist das fair?«
»Das ist fair«, sagte Evans, innerlich etwas Hoffnung schöpfend.
»Wenn wir gewinnen, kaufe ich mir ein kleines Gasthaus in Kensington«, sagte Ginger. »Mein Schatz lässt sich von ihrem Mann wegen seelischer Grausamkeit und böswilligem Verlassen scheiden; außerdem hat er etwas mit dem Mädchen in dem Süßwarenladen; die beiden Kinder kommen in ein Heim und das war’s dann. Sie sehen also, Evans, Sie tragen ein bisschen Verantwortung mit.«
»So ist es«, sagte Evans tapfer; »als Mann mit großer und langer Erfahrung stimme ich zu und in der Sprache des Lord Wellington bei der Schlacht