Mein Gott, Adam!. Klaus MullerЧитать онлайн книгу.
er IHN mit seinen kleinen Problemen belästigen.
Schließlich, wenn alles stimmte, was ER ihm erzählt hatte, so hatte ER genug mit der Schöpfung zu tun und konnte sich nicht um Kleinigkeiten kümmern.
»Höre ich da einen leichten Unterton in deiner Stimme, Adam?«, fragte die Stimme misstrauisch.
»Aber nein, HERR«, druckste er und senkte seinen Blick. »Es ist nur …«
»Na?«
»Ich denke eben manchmal, dass ich um meine Ödipusphase betrogen worden bin!«
»Adam!«, kam es knapp und vorwurfsvoll.
»War nicht so gemeint, Chef … äh HERR«, entschuldigte er sich für seinen Mut. »Aber alles, was man so mit der Muttermilch einsaugt …«, sein Blick wanderte wieder nach oben und ohne es zu wollen, ballten sich seine Hände vor den nächsten Worten. »Also, ich konnte überhaupt nichts einsaugen!«
Fast triumphierend verschränkte er die Arme. Wieder diese lange Pause, die einen gewichtigen Satz erwarten ließ.
»Adam.«
Er fühlte sich am Ohr gepackt.
»Ich habe dir alles gegeben, was du brauchst. Ich habe dich ernährt, beschützt und gewärmt.«
Es ärgerte Adam, dass jedes Mal, wenn seine Argumente gut waren, ER mit diesen Vorhaltungen kam.
»Das ist natürlich richtig, HERR, und ich weiß es auch zu würdigen. Ich wäre wirklich der letzte, der nicht wüsste, was du für mich getan hast, HERR. Aber …«
»Nichts aber!«, drang es ziemlich bestimmt von irgendwo aus den Wolken.
»Aber diese dauernden oralen Mangelerlebnisse prägen einen Menschen für sein ganzes Leben. Da kannst du fragen, wen du willst!«
Er wusste natürlich, dass der letzte Teil seines Satzes völliger Unfug war, fand aber, dass es sich gut anhörte, und blieb dabei.
»Hätte ich dir etwa die Brust geben sollen?«
Adam zuckte vielsagend mit den Schultern.
»Wie hätte ich das wohl machen sollen?«, kam es fast rechtfertigend. »Und außerdem hatte ich damals gerade sehr viel zu tun!«
Adam hatte jetzt Lust, sich zu streiten, und fügte deswegen ein »Wenn du gewollt hättest …« an.
»Schnickschnack!«, rief die Stimme, und gleichzeitig schlug ein Blitz in eine nahe Fichte ein.
Eine sehr lange Pause entstand. Adam wusste, dass er etwas zu weit gegangen war. Jetzt würde er mit Sicherheit wieder irgendetwas über sich ergehen lassen müssen.
»Ich hätte fast vergessen«, kam es von oben, »warum ich mich bei dir heute überhaupt gemeldet habe. Sicherlich nicht, um mir dein Gemecker anzuhören!«, fügte ER noch mit einer Spitze hinzu.
»Übrigens«, die Pause wurde immer länger, während jedes folgende Wort genüsslich vorbereitet wurde. »Wie – geht – es – Eva?«
Adam war erstaunt und blinzelte mit schräg gestelltem Kopf in die Sonne. Er hatte erwartet, wieder mal gemaßregelt zu werden, weil er irgendwelche Blumen plattgetreten hatte oder versuchte, lästige Insekten in seiner Hütte auszurotten. Das kannte er schon. Die Frage nach Eva verwirrte ihn und war in diesem Zusammenhang auch neu.
»Ich glaube doch, gut«, erwiderte er zögerlich.
»Soso«, murmelte ER vielsagend. »Und warum muss ich dann noch immer auf einen Erfolg warten, Adam?«
Es behagte Adam ganz und gar nicht, dass er nicht wusste, worauf ER hinauswollte.
»Warten, HERR?«
»Ja«, in der Stimme war jetzt eine gewisse Sanftheit, die Adam noch mehr verunsicherte.
»Warum muss ich immer noch warten?«
»Warten, worauf, HERR?«
»Nun tu nicht so.«
»Aber ich weiß wirklich nicht, was du meinst. Habe ich etwas vergessen? Hätte ich irgendetwas machen sollen?«
»Das will ich meinen!«
Adam wusste nicht, was er vergessen haben könnte. Und dann noch der Zusammenhang mit Eva?
»Evas Geburtstag?«, spekulierte er, fast erfreut, eine Möglichkeit gefunden zu haben.
»Blödsinn! Hast du wirklich vergessen, was ich dir vor ein paar Jahren gesagt habe?«
Es war ihm peinlich, aber er hatte es wohl tatsächlich vergessen.
»Ich befürchte, ja, HERR«, antwortete er kleinlaut und schaute jetzt auf den Boden. »War es wichtig?«
Mit betonter Feierlichkeit hob ER seine Stimme:
»Ich sagte: Gehet hin und mehret euch!«
Adam war überrascht. Den Satz kannte er noch, hatte ihm nur keine entscheidende Bedeutung beigemessen.
»Ich erinnere mich, HERR.«
»Ja und?«
»Was, ja und, HERR?«
»Habt ihr euch nun vermehrt oder nicht?«
Das war es also, worauf ER hinauswollte. Das Thema entwickelte sich brenzliger, als er angenommen hatte.
»Nicht so direkt«, gab er kleinlaut zu.
Die Stimme über den Wolken wurde jetzt etwas lauter.
»Was heißt hier, nicht so direkt? Auf meine Frage gibt es nur ein Ja oder ein Nein. Also?«
»Also, nein, HERR«, Adam senkte den Kopf.
»Und dürfte ich mal erfahren, warum man meinen Anweisungen nicht nachkommt?«
Adam musste scharf nachdenken. Jetzt kam es auf eine gute Argumentation an. Dabei würde zwar Eva auch etwas abkriegen, aber schließlich war ja sein Hals in der Schlinge.
»Ich würde ja schon …«
»Und was hindert dich?«
Jetzt half alles nichts mehr, es musste raus: »Eva wollte nicht!«
Irgendwo im Himmel war ER, mit gänzlich Unerwartetem, immer noch zu erstaunen.
»Sie wollte nicht?«
»Nein«, ein bisschen wie ein Verräter fühlte er sich schon.
»Warum habe ich wohl immer wieder gesagt, das Weib sei dem Manne untertan? Hört mir denn keiner zu, wenn ich etwas sage?«
Nun, selbst wenn alle zuhörten, waren es nur zwei. Aber aus dem ebenen Gesagten wurde Adam schlagartig klar: ER kannte Eva nicht!
»HERR, wenn ich erklären dürfte.«
»Darum möchte ich aber auch bitten!«
Adam wurden die Knie etwas weich, da Gespräche mit IHM nie seine Stärke waren. Schon gar nicht dann, wenn es auch noch Gespräche mit IHM über Eva waren.
Und er nebenbei bemerkt, wusste er auch nicht genau, wo er beginnen sollte.
»Darf ich mich setzen, HERR?«
»Meinetwegen. Fang schon an, ich habe meine Zeit auch nicht gestohlen.«
»Also« begann Adam. »Es ist ja nicht so, dass wir nicht schon öfter darüber gesprochen hätten. Aber wir sind leider zu keiner Einigung gekommen.«
»Genauer bitte!«, forderte die Stimme.
»Also, ich hätte schon zugestimmt, aber Eva meint, sie wäre noch nicht so weit.«
»Sie wäre noch nicht so weit?«, wiederholte die Stimme krächzend.
»Nein.«
»Aber sie hat doch alles, was sie braucht!«, betonte ER fast stolz. »Sie hat zwei herrliche, äh, herrliche, wie soll ich