Mein Gott, Adam!. Klaus MullerЧитать онлайн книгу.
gab kein Entkommen. Er hoffte nur darauf, dass es schnell ginge und er nicht zu lange würde leiden müssen.
»Sag schon, was würdest du ändern?«
»An dir?«
»Ja sicher, an mir. An wem denn sonst, an der Ziege etwa?«
»Nein, die hat einen zu dicken Hintern«, entfuhr es ihm leichtsinnig und in derselben augenblicklichen Gewissheit, etwas falsch gemacht zu haben.
Sie schaute ihn lange und verdächtig ruhig an.
Hinter ihrer Stirn liefen fast hörbar Hunderte von Gedanken ab. Adam hätte schwören können, dass ihre Gedanken Geräusche machten.
»Findest du, ich habe auch einen zu dicken Hintern?«
»Aber nein, ich meinte doch nur die Ziege.«
Eva stand auf, blieb aber dicht vor ihm stehen.
»Wenn du wirklich findest, dass ich zu dick bin, kannst du es ruhig sagen. Es ist schon okay.«
Adam wusste, dass er alles sagen konnte, nur nicht das!
»Aber nein, Schätzchen«, versuchte er möglichst zu besänftigen, »ich habe doch nur das mit der blöden Ziege gesagt, weil die so einen knochigen Hintern und stackselige Beine …«
»Meine Beine sind aber überhaupt nicht stackselig!«
»Aber natürlich nicht. Ich meinte doch nicht, dass du …«
Er versuchte, Evas Hand zu ergreifen, was ihm aber nicht gelang.
Sie zog sie demonstrativ zurück und verschränkte ihre Arme vor der Brust.
Mit dem Kopfwippen eines aufgeregten Huhns beugte sie sich in seine Richtung.
»Gefällt dir überhaupt noch irgendetwas an mir?«
»Aber sicher, eigentlich alles.«
Sie beugte sich noch weiter vor. Und so, wie sie es tat, war es eine Drohung.
»Ja, das ist so leicht dahingesagt. Lügen kosten ja nichts! Aber, wenn du es schon so mit den Tieren hast – was, wenn ich tatsächlich ein Tier wäre? –, was für eins wäre ich dann deiner Meinung nach?«
Adam wusste, dass genau in diesem Augenblick sein Leben ultimativ endete.
Es war eigentlich ein sehr schönes Leben gewesen, überlegte er. Nicht sehr lange, zugegeben, aber immerhin.
Konnte er noch auf IHN hoffen? Nein, mit solchen Lappalien gab ER sich nicht ab.
ER würde Adam einfach einen Kopf kürzer machen und die Sache wäre erledigt.
»Was, wenn ich schon Adam der Soundsovielte bin?«, schoss es ihm durch den Kopf.
Keine Antwort des gesamten Universums hätte die richtige sein können.
Aber es musste eine Antwort her! Keine Antwort zu geben wäre noch schlimmer gewesen und hätte bei Eva Raum für alle mögliche Spekulationen offengelassen.
Und so entschloss er sich, ohne es weiter zu durchdenken, »Eine Katze … vielleicht?« zu sagen.
Um ehrlich zu sein, war es mehr als Frage denn als Antwort formuliert. Er wollte sich die Möglichkeit der lebenserhaltenden Abänderung offenhalten. Ein kleines Schlupfloch, wenn man so wollte.
Eva schnellte hoch.
»Eine Katze?«, wiederholte sie. Wobei die Worte aus ihrem Mund kamen, als würde sie sich übergeben. »Eine Katze!«
»Naja, ich weiß auch nicht …«
»Jetzt rede dich nicht raus, mein Lieber! Da stellt man dir einmal eine einfache Frage und erwartet nichts mehr als einen konstruktiven Vorschlag, was man vielleicht ein wenig verändern könnte, und du vergleichst mich erst mit einer Ziege und dann, als wäre die Demütigung noch nicht groß genug, auch gleich noch mit einer Katze! – Ich bin so was von enttäuscht!«
Adam stand auf, ging auf sie zu und versuchte eine Berührung.
Sie drehte ihm den Rücken zu, schloss die Augen und würdigte ihn keines weiteren Blickes.
Adam ergriff sie und drückte sie mit dem Rücken leicht, aber etwas dichter an sich heran.
»Eva, das Ganze ist so, als würde ich sagen: Stell dir mal vor, ich wäre der letzte Mann auf Erden, würdest du mich dann noch lieben?«
»Und?«
»Es gibt Fragen, auf die es keine richtigen Antworten gibt.«
Sie drehte sich wieder ein wenig in seine Richtung.
»Gibt es wohl.«
»Ach, und die wäre?«
»Du bist nicht der letzte, du bist der erste Mann auf Erden.«
»Ja, aber stell dir doch nur mal vor, ich wäre der letzte Mann auf Erden.«
»Das ist doch dasselbe.«
»Ist es nicht.«
Sie baute sich wieder vor ihm auf.
»Weißt du was, du bist nicht der Letzte, du bist das Letzte!«
Sie knuffte ihn mit der Faust am Oberarm.
»Und außerdem bist du leider der Einzige!«
Daraufhin drehte sie sich um und stürmte hinaus.
Er schaute ihr lange nach.
»Aber Schätzchen, du bist doch auch die Einzige für mich!«
Adam fand, dass es alles in allem doch noch ganz gut gelaufen war.
Gewiss, der Sturm würde noch etwas andauern, aber er war sich sicher, dass schon sehr bald wieder ein hellerer Himmel auftauchen würde.
Er wusste aber auch, dass bis dahin in der nächsten Zeit sehr viele Blumensträuße zu pflücken und viele, viele lange Fußmassagen zu geben waren.
Kapitel 4
Es kam nicht sehr häufig vor, dass Eva freiwillig – und ohne dass ER sie darum bat – ein Gespräch mit ihrem Schöpfer suchte.
An diesem Tag jedoch – und es muss wohl, wenn alle mir vorliegenden Berechnungen stimmen, ein Donnerstag gewesen sein – nahm sie schon sehr früh am Morgen ihren schönsten Wanderstab, zog sich ein respektvolles, schwarzes Schaffell über und machte sich auf den Weg.
Nun könnten natürlich einige der gläubigen Leser besserwisserisch einwenden, dass es nicht unbedingt notwendig gewesen wäre, zu IHM zu gehen. Denn zur damaligen Zeit war ER bekanntermaßen noch überall auf der Welt präsent, um hier und da ein paar kleinere Korrekturen an seiner Schöpfung vorzunehmen, dem Werk also, wenn man denn so wollte, kurz vor der Veröffentlichung noch einmal den letzten Schliff zu geben.
Aber Eva war, ganz im Gegensatz zu dieser Ansicht, der Meinung, sie wäre es der zu erwartenden Ernsthaftigkeit des Gesprächs, und auch ihrem drängenden Anliegen, schuldig, einen besonders hübschen Platz dafür auszusuchen.
So pflückte sie noch zusätzlich, auch um IHM einen gewissen Respekt zu erweisen, auf dem Weg zu der kleinen Bergspitze, die sie als ihr Ziel ausgesucht hatte, einen schönen, bunten Blumenstrauß.
In Anbetracht der Kämpfe und Auseinandersetzungen, die sie in der Vergangenheit schon mit IHM ausgefochten hatte, fühlte sie in sich eine gewisse Verpflichtung, IHM ihre Dankbarkeit, nicht aber Unterwürfigkeit zu zeigen.
Sie wusste sehr genau, trotz einer fehlenden Erziehung und ohne die leitende Vorbildfunktion durch Eltern, was sich gehörte.
Oben auf dem Berg angekommen, legte sie ihren kleinen Strauß behutsam auf einen etwas erhöhten Felsen ab. Sie selbst setzte sich direkt daneben auf einen runden Stein und ruhte sich von dem hinter ihr liegenden Anstieg aus.
Von