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Der Gärtner war der Mörder. Wolfgang SchneiderЧитать онлайн книгу.

Der Gärtner war der Mörder - Wolfgang Schneider


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diskutieren. Mit den Frauen war das so eine Sache. Hier hatte er in der letzten Zeit gar kein gutes Händchen gehabt; irgendwie war ihm alles misslungen, was er in dieser Hinsicht versucht hatte, anzustellen. Wann war er das letzte Mal wirklich verliebt gewesen? Vor einer Ewigkeit. Wann war er das letzte mal überhaupt irgendwie in die Nähe einer Frau geraten? Auch schon bedenklich lange her. Dabei war er durchaus nicht unattraktiv: groß und dunkelhaarig, keinerlei Ansatz zur Glatzenbildung, trotz seiner 39 Jahre und eine einigermaßen sportliche Figur. Er nahm sich vor, das Thema hier und jetzt nicht zu durchdenken, Musik wollte gehört und ein Bier wollte getrunken werden. So radelte er weiter, bis er zur Reichenbach-Brücke kam, die über die Isar führte. Die Isar war so etwas wie die erholungstechnische Hauptschlagader Münchens. Im Süden, in den Isarauen rund um den Flaucher, wurde im Sommer gegrillt was das Zeug hielt, die halbe Stadt versammelte sich dann zum relaxen, Musik machen, sonnenbaden und Frisbee spielen. Die Münchner Polizei war dafür verantwortlich, die Lärm- und Brandschutzbestimmungen im Auge zu behalten und all zu eifrige Grillmeister auf die selbigen aufmerksam zu machen; ein bisschen albern, wie Sedlmeyer persönlich fand. Aber so war das nunmal mit der Bayerischen Bürokratie. Vor ein paar Jahren hatten sie selbst einmal im Kollegenkreis eine kleine Isar-Party organisiert: ein Kasten Bier, zwecks Kühlung im Fluss versenkt, ein kleines Lagerfeuer und Schweinenackensteaks zum grillen. Seine Kollegin hatte noch eine riesige Schüssel Nudelsalat beigesteuert. Irgendwann war dann eine Patrouille, bestehend aus zwei Mann auf Mountainbikes vorbei gekommen und hatte sie darauf hingewiesen, dass sie diverse Bestimmungen verletzen würden und sie angewiesen, das Feuer sofort auszumachen. Nicht ohne eine gewisse schelmische Genugtuung hatte Sedlmeyer den Kollegen daraufhin seinen Dienstausweis unter die Nase gehalten und sie gefragt, ob sie nicht Lust hätten, sich dazu zu setzen. Die hatten sich daraufhin wortreich entschuldigt und waren wieder abgezogen.

      Er überquerte die Brücke, radelte noch ein paar Meter die Ohlmüllerstraße entlang und stellte sein Fahrrad vor dem Schwarzen Hahn ab, dem Ziel seiner Reise. Es war eine ganze Weile her, dass er das letzte mal hier gewesen war; der Verkäufer aus seinem Lieblings-Plattenladen hatte ihm damals den Tip gegeben, „unbedingt mal in den Hahn schauen“ zu müssen, weil der seinen musikalischen Vorlieben gut zupass kam. In der Tat hatte er den Laden von damals in ganz guter Erinnerung behalten, es war ein Abend mit lauter und harter Rockmusik gewesen. Sedlmeyer betrat den unscheinbaren Eingang und sah sich um. Die Kneipe war mittelgroß und in zwei Bereiche unterteilt: auf der rechten Seite befand sich dem Eingang gegenüber die Bar, die sich L-förmig nach rechts fortsetzte, mit dem DJ-Pult am rechten Ausleger. Die linke Hälfte des Lokals bestand aus einer quadratischen Tanzfläche, die von Bänken eingerahmt war, davor eine Fensterfront. Die Bänke waren besetzt, auf der Fläche in der Mitte standen vier junge Männer in schwarzen T-Shirts, mit Bierflaschen bewaffnet, und unterhielten sich. Sedlmeyers Blick schweifte nach rechts: der linke Barhocker war vakant, die drei daneben besetzt. Er ging zu dem leeren Barhocker und setzte sich. Die Bedienung, eine hübsche junge Frau mit blondem Pferdeschwanz, unterhielt sich mit den drei Nachbarn zur rechten, während sie Gläser spülte. Sedlmeyer lauschte eine Weile der Musik und wusste nicht recht, was er davon halten sollte. Das hatte etwas rockiges, etwas treibendes, durchaus diskussionswürdig, aber irgendwie... Waren da etwa Country-Einflüsse? Mit Country konnte er nun so rein gar nichts anfangen. Soviel er wusste, hatten Soundgarden einmal „Rusty Cage“ von Johnny Cash gecovert, darüber ließ sich reden, aber das hier war nicht seine Baustelle. Plötzlich fiel ihm auf, dass sich die Bedienung zu ihm über die Bar gebeugt hatte und ihn fragend anlächelte. Er lächelte zurück und bestellte.

      „Ein Bier bitte.“

      „Augustiner, Tegernseer, Becks, Becks Gold,...“, zählte sie auf.

      „Ein Augustiner, bitte“, sagte Sedlmeyer. Die Bedienung drehte sich um, öffnete einen Kühlschrank und holte eine Flasche heraus. Derweil waren ihm die Aschenbecher aufgefallen, die in regelmäßigen Abständen über die Bar verteilt waren.

      „Darf man bei euch jetzt eigentlich wieder rauchen?“ fragte er, als sie ihm sein Bier hinstellte.

      „Bei uns hat man schon immer rauchen dürfen“, sagte sie lächelnd, „macht drei Euro bitte“. Sedlmeyer zahlte und holte eine Packung Schwarzer Krauser aus seiner Jackentasche. Die Geschichte mit dem Rauchverbot war eine unübersichtliche: vor einem halben Jahr als ausnahmslose Regelung für alle Gaststädten im Freistaat eingeführt, hatten sich bald danach juristische Schlupflöcher aufgetan, die in der Regel mit sogenannten Raucherclubs und Mitgliedsausweisen zu tun hatten. Sedlmeyer hatte kürzlich eine interessante Geschichte in der Süddeutschen gelesen, über ein Lokal in Hamburg, in dem sie sich eine weitere Ausnahmeregelung zunutze gemacht hatten: da bei Theateraufführungen den Schauspielern das Rauchen nicht verboten werden konnte, deklarierte der Wirt kurzerhand alle seine Gäste zu Laiendarstellern in einem Theaterstück. Wie der Schwarze Hahn die Sache allerdings im Moment regelte, war ihm schleierhaft. Er begann sich eine Zigarette zu drehen, während er der Musik lauschte. Es wurde nicht besser. Zwar immer noch rockig, aber viel zu langsam und mit einem äußerst penetranten Blues-Einfluss. Aber egal, Pantera würde es wieder richten, später, bei ihm zuhause. Er drehte die Zigarette fertig, zündete sie an, und sah der Bedienung beim Abspülen zu. So saß er eine Weile da, nippte an seinem Bier, hörte mit gemischten musikalischen Gefühlen dem DJ zu und rauchte. Plötzlich ein Geräusch: ein mattes, gläsernes „klock“. Eine Bierflasche hatte sich der seinen genähert und mit ihr angestoßen; sein Barhocker-Kollege zur rechten hatte sich zu ihm herum gedreht und prostete ihm zu. Sedlmeyer nahm den Nachbarn in Augenschein: ein relativ großer, massiger Typ mit schütteren, zurück gekämmten Haaren, die in Sachen Fülle und lückenlose Kopfbedeckung schon wesentlich bessere Zeiten gesehen hatten. Seine Nase war grobporig, blau geädert und merklich gerötet – untrügliches Zeichen einer soliden Trinkervergangenheit. Sedlmeyer taxierte ihn kurz und schätzte ihn auf Mitte vierzig, wobei langjähriger Alkoholgenuss auf solche Altersbestimmungen oft einen irreführenden Effekt hatte. Der Rotnasige sah ihn aus wässrigen graublauen Augen an und eröffnete ein Gespräch:

      „Super Sound, oder? Des is amal richtig erdiger Rock! Is aus den siebzigern, weißt schon. Des war'n noch Zeiten, wo man anständige Musik g'macht hat und nicht so einen Elektro-Scheiß wie'st ihn heutezutage überall kriegst!“ Sedlmeyer war da überwiegend anderer Ansicht. Was den sogenannten Elektro-Scheiß anbelangte, hatte der Mann in seinen Augen nicht unrecht – er selbst konnte damit auch nichts anfangen – aber anständige Musik war das hier deswegen noch lange nicht. Der Rotnasige wartete nicht auf eine Antwort, er führte stattdessen seine Erläuterungen fort:

      „Der DJ is a Spezi von mir, der legt hier öfters auf.“ Dabei wandte er sich nach rechts, hob seine Flasche und prostete dem DJ über den Tresen zu: „Prost Ernstl!“. Dann trank er mit einem zügigen Schluck sein Bier leer und suchte den Blick der Bedienung. Die sah ihn mit der leeren Flasche herum wedeln, ein Blickkontakt genügte und sie hatte ihm eine neue hingestellt. Sedlmeyer war beeindruckt, wie effizient das Zusammenspiel zwischen Gast, Bier und Bedienung in dieser Konstellation funktionierte; es hatte sicherlich einiges an Einarbeitung und praktischer Übung bedurft, bis die Dinge sich so gut eingespielt hatten. Er beschloss, auf die Toilette zu gehen. Auf dem Weg dorthin fiel ihm ein kleines Regal auf, in dem die üblichen Kneipen-lifestyle-Postkarten aufgereiht waren. Eine Karte stach ihm ins Auge: ein Foto eines ungemachten Bettes mit der Überschrift „Lieber auf Latten als unter Bohlen“. Er schüttelte den Kopf und ging auf die Toilette. Als er wieder zurück kam, unterhielt sich sein rotnasiger Sitznachbar wieder mit dessen beiden Mitstreitern zur Rechten. Sedlmeyer nippte an seinem Bier und versuchte erneut, DJ Ernstl's Musikauswahl etwas abzugewinnen. Aber da war nichts zu machen. Jetzt bewegte sich das ganze bedrohlich in die Softrock-Ecke: garantiert auch nicht seine Tasse Tee. Er nahm sich vor, beim nächsten Besuch in seinem Lieblings-Plattenladen den dortigen Verkäufer um einen neuen Kneipen-Tip zu bitten. Er sinnierte eine Weile hin und her, dann setzte plötzlich abrupt die Musik aus. Er sah zum DJ hinüber; der hob entschuldigend beide Hände und machte sich danach konzentriert an seiner Anlage zu schaffen. Der Rotnasige neben ihm rief lautstark nach rechts:

      „Mei Ernstl, was machst'n scho wieder! Hast an richtigen Schalter wieder ned g'funden!“. Er lachte herzhaft. Dann wandte er sich der Bedienung zu:

      „Du Kathi, kannst bitte dem Herrn DJ a mal an Schnaps bringen! Sonst wird des nix mehr mit dem! Und bringst


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