Star Force - Rebellen des Mars. Alfred BekkerЧитать онлайн книгу.
sich ein leicht spöttisches Lächeln um seine blutleeren Lippen herum breit. Nein, dachte er, das ist einer der Vorteile deines Alters. Du stehst über diesen Dingen, über den kurzfristigen Ambitionen von Leuten wie Sung. Und am Ende wirst du sie alle überleben...
Er hatte Sung nie getraut. Aber Sindramans Einfluß war letztlich nicht stark genug gewesen, um Sungs Versetzung nach X-Point zu verhindern. Der General hoffte, daß sich diese Niederlage nicht im Endeffekt als schwerwiegend herausstellte.
Offenbar gab es starke Interessengruppen in der Regierung, die Sung stützten. Kräfte von ganz oben. Kräfte, in deren Augen ein altes Fossil wie Sindraman vielleicht nicht mehr so richtig in die Landschaft paßte.
Sindraman war Gegenwind gewohnt.
Eine zähe Mischung aus Geduld und Härte kennzeichnete den Inder. Wer es mit ihm aufnehmen wollte, mußte einen langen Atem haben...
Und wie ist es mit deinem eigenen Atem bestellt? durchfuhr es Sindraman. Wird er nicht auch kürzer, je mehr Sand bereits durch deine Lebensuhr hindurchgelaufen ist?
Vielleicht war ja auch das Gegenteil der Fall.
Sindraman erinnerte sich an ein Zitat von George Bernard Shaw, daß ihm aus seiner Studienzeit in Delhi in Erinnerung geblieben war, auch wenn er schon nach drei Semestern damit aufgehört hatte, sich mit englischer Literatur zu befassen. 'Beware of old men, they have nothing to loose...'
Ja, genau so ist es. Der alte Shaw hatte schon recht...
Er sah Sung direkt in die Augen, etwas, was der Chinese nicht ausstehen konnte.
Ich hoffe für dich, daß du dieses Shaw-Zitat auch kennst! dachte Sindraman dabei grimmig.
"Beginnen Sie Ihren Bericht, Major!", forderte Sindraman den Chinesen auf.
Major Sung hob die Augenbrauen. Seine Haltung wirkte steif.
"Unseren Berichten nach kann es eigentlich keinen Zweifel daran geben, daß die Westunion in Kontakt mit einer außerirdischen Zivilisation gekommen ist. Es liegt auf der Hand, daß deren technische Errungenschaften gegen uns eingesetzt werden sollen. Unser Gegner könnte dadurch einen entscheidenden Vorteil bekommen."
"Das ist mir bekannt. Heißt das, daß es jetzt definitive Bestätigungen für diese Meldungen gibt?"
"Ja, General."
"Für mich kommt das nicht überraschend. Ich hoffe, daß unserer obersten Führung klar ist, daß jetzt gehandelt werden muß. Und zwar überlegt..."
"Da sollte sich keiner von uns beiden Sorgen machen." Sungs Tonfall war schneidend. Sindraman gefiel das nicht. In Bezug auf Sung werde ich auch etwas unternehmen müssen, ging es ihm durch den Kopf. Und auch das wollte wohlüberlegt sein...
Sindramans Gesicht bekam etwas maskenhaftes. In seinen Augen glitzerte ein kaltes Feuer.
Er wäre nicht der erste, der mich unterschätzt! dachte er.
Der Tonfall, in dem der General seine nächste Frage stellte, blieb absolut emotionslos und sachlich. Von dem Ärger, den er empfand, war ihm nicht das geringste anzumerken.
"Ist die Westunion bereits im Besitz der fremden Technologie?" fragte er.
Major Sung zuckte die Achseln, atmete tief durch.
"Die Berichte sind widersprüchlich", erklärte er gedehnt, tickte dabei nervös mit den Fingern auf der Tischfläche herum. Sindraman mochte das nicht.
"Und was ist mit der Star-Ship-Flotte, die der ersten Mission hinterhergesandt wurde?" erkundigte sich der General.
Major Sung lehnte sich zurück. "Es scheint irgendwelche Schwierigkeiten zu geben. Was dort genau vor sich gegangen ist, konnten wir bislang nicht zweifelsfrei herausfinden." Der Major beugte sich etwas vor. "Unter den gegebenen Umständen sollte die PAZIV einen Präventiv-Krieg beginnen."
Das hätte ich mir ja denken können! dachte Sindraman grimmig. Auf solche Gedanken kommen auch nur Leute wie du...
"Der würde Milliarden Opfer kosten", gab der General im Tonfall kühler Sachlichkeit zu bedenken.
"Aber wir würden ihn gewinnen, denn unsere Unter-Wasser-Siedlungen sind vor der Stahlung weitgehend geschützt."
"Sie sind ein Zyniker, Sung!"
"Nein, ein Realist. Lesen Sie sich eine Bedrohungsanlayse durch, General. Je länger wir warten, desto geringer werden unsere Chancen, etwas auszurichten."
"Und was ist mit den Milliarden PAZIV-Bürgern, die an Land leben? Sind Ihnen die gleichgültig, Major Sung?"
"Nicht gleichgültig, aber manchmal müssen gewisse Opfer gebracht werden. Im übrigen ist die Bevölkerungszahl der PAZIV erheblich größer als die der Westunion. Ein strategischer Vorteil, den man ausnutzen sollte."
Man kann nur hoffen, dass Sungs Ansichten auf oberster Ebene nicht uneingeschränkt geteilt werden! dachte Sindraman schaudernd.
"Bislang wissen wir nicht, was der anderen Seite effektiv an außerirdischer Technologie in die Hände gefallen ist und ob daraus ein Bedrohungspotential erwächst, Major!"
Major Sung vollführte eine unbestimmte Geste mit den Händen.
"Von letzterem können Sie getrost ausgehen, General!" , meinte er.
"Es wird eine Weile dauern, bis die andere Seite mit dieser Technologie umzugehen in der Lage ist. Und wer sagt uns, ob die Fremden sie der Westunion überhaupt überlassen..."
"Wenn es diese Fremden überhaupt noch gibt. Ihr Schiff ist schließlich havariert. Möglicherweise hat die erste Expedition die Überlebenden liquidiert, um sich in den Besitz des Raumschiffs zu bringen..."
"Ich bin nicht für übereiltes Handeln..."
"Seltsam, ich hatte Sie nie für einen Zögerer gehalten, General Sindraman."
"Das war ich auch nie."
"Sie wollen den Spionagekrieg also auf kleiner Flamme weiterführen?"
"Die Sache mit diesem Berkewitz war ein herber Rückschlag, aber im Prinzip ja. Eine Eskalation ist kein Problem, sie kann jederzeit ausgelöst werden."
Sung beugte sich vor.
"Mein Vorschlag wäre, das Programm CHAOS auszulösen, General... Wir müssen Zeit gewinnen und die Kräfte des Gegners binden!"
Sindraman hob die Augenbrauen.
Das Programm CHAOS. Daran hatte er auch schon gedacht. In der gesamten Westunion gab es Personen, die hypnotisch behandelt worden waren. Sie waren so konditioniert, daß sie sich regelmäßig eine bestimmte Seite im Datennetz ansahen, die völlig harmlos aussah. Eine winzige Änderung auf der Benutzeroberfläche dieser Seite löste einen posthypnotischen Befehl aus und machte aus den derart konditionierten Personen Saboteure.
Selbstverständlich hatte der Geheimdienst der PAZIV darauf geachtet, diese Leute an möglichst sensiblen Positionen zu platzieren, so daß der Schaden, den sie anrichten konnten, möglichst groß war.
Auf diese Weise war die PAZIV in der Lage, einen unerklärten Krieg zu führen und die andere Seite jederzeit in ein komplettes Chaos zu stürzen. Zumindest in der Theorie. In der Praxis war das Programm CHAOS noch nie erprobt worden.
Jay Sindraman selbst war es gewesen, der es einst aufgebaut hatte.
Er sah darin so etwas wie eine Möglichkeit, den Gegner im Krisenfall in die Knie zwingen zu können, ohne gleich auf den roten Knopf drücken zu müssen.
Denn in dem Fall - das stand von vorn herein fest - waren die Opfer auf beiden Seiten enorm.
Sindraman lehnte sich in seinem Sessel zurück.
"Ich werde Ihren Vorschlag weiterleiten, Major Sung", versprach er.
"Das hoffe ich sehr!" war die eisige Erwiderung des Chinesen.
Sindraman registrierte die unterschwellige Drohung durchaus, die in diesen Worten mitschwang