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Der kleine Fürst Staffel 8 – Adelsroman. Viola MaybachЧитать онлайн книгу.

Der kleine Fürst Staffel 8 – Adelsroman - Viola Maybach


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zu werfen schritt Lara am Arm ihres Vaters auf das Kirchenportal zu. Den blonden Mann mit dem breiten Oberkörper, der sie keine Sekunde aus den Augen ließ, bemerkte sie nicht einmal.

      *

      Die Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt, als die Orgel zu spielen begann und die Braut am Arm ihres Vaters langsam nach vorn zum Altar schritt. Die Seufzer über Laras Schönheit gingen im Jubelgesang der Orgel unter, aber man sah bereits die ersten Taschentücher, mit denen sich die Damen die Augen betupften.

      »Sie sieht toll aus«, flüsterte Anna von Kant ihrem Cousin Christian von Sternberg zu.

      »Wie immer«, flüsterte er zurück. »Aber Lorenz ist so blass!«

      Das war Anna auch schon aufgefallen. Die beiden Teenager waren mit Annas Eltern, Baronin Sofia und Baron Friedrich von Kant, aus Sternberg angereist, denn sowohl Lara als auch Lorenz gehörten zu ihren Freunden. Nur Annas Bruder Konrad war zu Hause geblieben, die Fußballmannschaft seiner Schule bestritt ein wichtiges Auswärtsspiel an diesem Samstag, bei dem er nicht fehlen durfte.

      Die Orgelmusik verklang, die Trauungszeremonie begann. Anna und Christian folgten den Worten des Pfarrers nicht allzu aufmerksam, sie waren mehr damit beschäftigt, unauffällig die anderen Gäste zu mustern. Zum Glück saßen sie nicht ganz vorn, so dass es einiges zu sehen gab.

      Sie richteten ihre Aufmerksamkeit erst wieder auf das Geschehen vorn am Altar, als ihnen bewusst wurde, wie still es in der Kirche geworden war. »Willst du, Lorenz Freiherr zu Hirtenberg, die hier anwesende Lara Maria Viktoria von Kessel …«

      Die Frage wurde langsam und bedächtig vorgetragen, mit der Betonung, die ihrer Wichtigkeit angemessen war. Die Worte klangen in der mächtigen Kirche nach wie ein Echo. Jetzt war nicht einmal mehr ein Husten zu hören. Mit angehaltenem Atem warteten die Menschen auf das ›Ja‹ des Bräutigams – doch sie warteten vergebens. Nach schier endlos scheinenden Sekunden sagte Lorenz zu Hirtenberg laut und vernehmlich: »Nein, das will ich nicht.«

      Ein entsetztes Aufseufzen, eini-ge Überraschungsrufe, allgemeine Unruhe folgten diesem Satz. Anna und Christian wechselten einen kurzen Blick, dann wandten sie sich wieder dem Geschehen am Altar zu. Der Bräutigam schien der Braut noch etwas zuzuraunen, dann drehte er sich um und jagte vor den Augen der entgeisterten Gäste über den Mittelgang zum Kirchenportal und riss es auf. Es schloss sich mit einem donnernden Schlag hinter ihm.

      Alle anderen saßen oder standen noch auf ihrem Platz, niemand war imstande gewesen, sich zu rühren, der Schock über das, was soeben geschehen war, saß zu tief. Lara stand hoch aufgerichtet vor dem Altar, das Gesicht fassungslos und eine einzige Frage. Lucie und Albert, neben ihr, wirkten ebenso schockstarr wie sie und schienen nicht glauben zu können, was sich gerade vor ihren Augen abgespielt hatte. Jetzt kam Bewegung in die ersten Reihen, Laras Vater Otto sprang auf und eilte zu seiner Tochter, auch ihre Mutter stand jetzt auf, ebenso wie Lorenz’ Eltern. Moritz zu Hirtenberg sah aus, als hätte ihn der Schlag getroffen, während seiner Frau Tränen über die Wangen liefen.

      Die Unruhe unter den Gästen wuchs, bis sich Otto von Kessel, neben seiner Tochter stehend, entschlossen umdrehte und mit nicht ganz sicherer Stimme sagte: »Meine Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, niemand von uns begreift, was soeben geschehen ist. Ich kann Sie nur um Ihr Verständnis bitten dafür, dass Sie den Weg hierher umsonst auf sich genommen haben. Sie verstehen sicher, dass wir uns nun zu allererst um unsere Tochter kümmern möchten. Wir wären Ihnen daher sehr dankbar, wenn Sie uns jetzt keine Fragen stellen würden, die wir so wenig beantworten können wie Sie. Bitte, lassen Sie uns allein. Auf Wiedersehen.«

      Trotz dieser Worte bewegte sich in der großen Kirche zunächst einmal niemand – fast so, als hätte es eine geheime Verabredung gegeben. Schließlich ergriff Baronin Sofia die Initiative, indem sie aufstand und sagte: »Wir gehen!« Sie stupste ihre Tochter und ihren Neffen an. »Einer muss den Anfang machen, sonst bleiben alle sitzen und warten darauf, dass noch etwas passiert.«

      Anna und Christian erhoben sich nur widerwillig. Sie wären lieber noch geblieben, aber nun drängte auch Baron Friedrich zum Aufbruch, und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Kirche zu verlassen. Am Ausgang drehten sie sich noch einmal um, doch zu sehen gab es nur das Bild, das sie schon kannten.

      »Können wir nicht doch noch bleiben«, fragte Anna, als ihre Mutter der wartenden Limousine zustrebte. »Vielleicht …«

      Sofia drehte sich um. »Wir fahren, Anna!«, sagte sie energisch und mit blitzenden Augen, die ihre Tochter vor Widerspruch warnten. »Hier gibt es für neugierige Teenager nichts herauszufinden – das ist ein Familiendrama, das uns nichts angeht, verstanden? Wir können unseren freundschaftlichen Beistand anbieten, aber erst später. Jetzt ist erst einmal Diskretion gefragt.«

      Anna schmollte mit vorgeschobener Unterlippe, aber nicht lange. Als Christian sie anstieß und fragte: »Kennst du den da?«, ließ sie sich sofort ablenken.

      Ihr Blick fiel auf einen blonden, untersetzten Mann, der aussah, als sei ihm sein auf den Leib geschneiderter Anzug zu eng. Er stand ein wenig abseits, so, als gehörte er nicht dazu, aber er sah, anders als alle anderen Gäste, die die Kirche verließen, ausgesprochen zufrieden aus.

      »Nein«, antwortete Anna. »Du?«

      Bevor Christian antworten konnte, sagte Baron Friedrich: »Nun steigt endlich ein, Kinder, ihr habt doch gehört, was Otto von Kessel gesagt hat: Er möchte, dass die Familie jetzt erst einmal in Ruhe gelassen wird. Für diesen Wunsch habe ich vollstes Verständnis, und ich hoffe, ihr auch.«

      Sie stiegen also ein, und Per Wiedemann, der Chauffeur, den der Baron in knappen Worten von dem Vorgefallenen in Kenntnis gesetzt hatte, schaltete den Motor ein und rollte vom Parkplatz.

      Anna fragte nicht noch einmal nach dem blonden Mann, denn nun hatten Christian und sie keine Möglichkeit mehr, ohne Zuhörer miteinander zu sprechen. Sie würde sich also bis Sternberg gedulden müssen, um ihre Frage zu wiederholen.

      *

      »Wusstet ihr, was Lorenz vorhatte?«, fragte Otto von Kessel. Sie standen jetzt als kleine Gruppe vor dem Altar, der Pfarrer hatte sich dezent zurückgezogen.

      »Natürlich nicht«, weinte Maria zu Hirtenberg. »Wie kannst du nur so etwas fragen, Otto?«

      »Entschuldige, aber ich … Wir sind wohl alle durcheinander.« Otto wollte Lara in seine Arme ziehen, doch sie sträubte sich.

      »Albert, bitte, such Lorenz«, sagte sie, sich an den Freund ihres Bräutigams wendend. Es waren ihre ersten Worte, seit Lorenz die entscheidende Frage mit ›nein‹ beantwortet hatte. »Ich mache mir Sorgen um ihn.«

      Ihr Vater sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren. Auch ihre Mutter und Lorenz’ Eltern wirkten verwirrt. »DU machst dir Sorgen um IHN?«, rief Otto. »Das ist doch wohl die Höhe, Lara! Er hat dich gerade vor allen unseren Freunden und Bekannten sitzen lassen, er hat dich gedemütigt, er hat …«

      Lara unterbrach ihn. »Papa, er muss einen triftigen Grund dafür gehabt haben, sonst hätte er das niemals getan«, erklärte sie.

      Moritz zu Hirtenberg murmelte: »Bitte, entschuldigt mich einen Augenblick, mir wird übel.« Mit diesen Worten stürzte er aus der Kirche, seine Frau folgte ihm unter Tränen.

      »Ich versuche, ihn zu finden, Lara!«, sagte Albert, der froh war, etwas tun zu können. Er folgte Lorenz’ Eltern nach draußen, konnte sie jedoch auf dem Kirchenvorplatz nirgends sehen. Und natürlich gab es auch von Lorenz keine Spur, das hatte er aber nicht anders erwartet. Er wählte die Handynummer seines Freundes, aber das Handy war ausgeschaltet. Auch das überraschte ihn nicht. Er fragte sich, ob Lorenz in seine Wohnung gefahren war. Auf jeden Fall würde er später nachsehen, aber er rechnete nicht damit, seinen Freund dort anzutreffen.

      Er beschloss, in die Kirche zurückzukehren, das war er Lorenz wohl schuldig. Als er sich umdrehte, fiel sein Blick erneut auf Michael von Angern, der mit seinen Begleitern gerade in eine wartende schwarze Limousine stieg. Komisch, dachte Albert, er war also offenbar in der Kirche – aber wieso? Er kennt Lorenz nicht, er kennt die Familie nicht – was wollte er dann bei der Trauung?


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