Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
Zweifellos ist sie für uns doch sehr wertvoll!«
Fischer lächelte trübe. »Wertvoll?! Das scheint so … Aber …«
»Nun, aber?«
»Ja, Herr Kommissar, was helfen uns alle Anstrengungen! Gewiß, wir haben sehr schwerwiegende Verdachtsmomente gegen den älteren Albrecht gesammelt – seine Teilnahme an den beiden Einbruchdiebstählen steht sogar für mich unumstößlich fest, aber … beweisen … beweisen! Was hilft es uns, wenn wir den Bengel verhaften?! – Nichts! – Im Gegenteil, wir warnen dadurch nur seine Genossen – also würde ich von diesem Schritt entschieden abraten.« – Jakob Fischer machte dabei einen ganz klägliches Gesicht. Die Mißerfolge gingen ihm wirklich sehr nahe.
»Und haben Sie denn jetzt in den zwei Tagen als Schlafbursche bei diesen Seilers nichts erfahren können? Soll denn auch dieser Versuch uns wieder fehlschlagen?!« Kern lief rief erregt im Zimmer auf und ab.
»Nichts Bestimmtes, Herr Kommissar, jedenfalls keine unzweifelhaften Beweise für die Schuld des Hans Albrecht. Denn der andere Junge, der Heinrich Seiler, der hat mit den Sachen nichts zu tun. Das ist ein mißtrauischer, wortkarger und verträumter Bengel, der mich kaum beachtet. Die Mutter ist ja zutraulicher, aber … so eine gute, anständige Frau! Die weiß von nichts, ahnt nicht einmal, daß es in ihrem Haus so schlechte Menschen geben könnte! Im Gegenteil – sie singt der Familie Albrecht ein reines Loblied, weil sie sich jetzt bei dem Tode des Mannes ihrer so angenommen haben.«
»Das scheinen Sie sich ja schon recht weit in das Vertrauen dieser Frau eingeschlichen zu haben,« meinte Kern mit unangenehmem Lächeln.
»Die ist eigentlich glücklich zu preisen, daß der … der Kerl gestorben ist. Sie muß schreckliche Tage mit dem dem Trunke völlig ergebenen Mann verlebt haben. Jetzt merkt man’s ihr recht an, wie sie langsam aufatmet.«
»So … so! Was Sie so alles herauskriegen, Fischer, wirklich bewundernswert. Und dabei sind Sie doch erst zwei Tage dort. Schade, daß uns Ihre Seelenstudien nicht weiter helfen!« Der Kommissar begann spöttisch zu lachen, – etwas, das den Beamten schon lange geärgert hatte. Alles ertrug er, nur nicht diese … niederträchtige höhnische Art des Vorgesetzten. Trotzdem sagte er in seinem gewöhnlichen Ton:
»Wenn der Herr Kommissar sich von einem weiteren Aufenthalt bei Seilers nichts versprechen, kann ich ja auch wieder fortziehen. Ich habe der Frau zwar schon das Geld für den ganzen Monat vorausbezahlt, aber …«
»Nein – bleiben Sie! Ich habe jetzt die feste Überzeugung, daß die Lösung dieser rätselhaften Einbrüche nur dort draußen in der Gneisenaustraße zu finden ist. Lassen Sie nichts, nichts unversucht, Fischer! Wenn Sie wollen, stelle ich Ihnen auch noch einen der jüngeren Beamten zur Verfügung.« –
Aus Kern sprach jetzt deutlich die Furcht, daß der Kriminalbeamte, da er seine Aufgabe für aussichtslos hielt, in seinem Eifer nachlassen könnte.
»Nein, ich danke schön, Herr Kommissar! Ich arbeite gern allein,« antwortete Fischer schnell. »Ich wüßte auch nicht, was ein Kollege da helfen sollte,« fügte er erklärend hinzu.
»Gut, – gut, ganz wie Sie wollen. Weiter habe ich dann nicht für Sie! In der Krügerschen Sache ist Wendland tätig.« –
Jakob Fischer stieg sehr langsam die Treppe hinab und ging dann an der Wachtstube vorbei durch das Portal, blieb vor dem Eingang stehen und zündete sich eine Zigarette an. Der warme Sonnenschein tat ihm wohl, und mit den Augen des Naturfreundes betrachtete er jetzt den frisch sprossenden Rasen in den Anlagen vor dem Polizeipräsidium, sah die Sperlinge auf der Straße ab und zu fliegen und – suchte schleunigst das unangenehme Empfinden hier in der frischen Luft abzuschütteln, das ihn jedesmal bei einer Unterredung mit dem Kommissar überkam.
Trotzdem Fischer nun schon jahrelang unter Kern gearbeitet hatte, und dieser ihm auch auf seine Art zweifellos wohlwollte, – niemals hatte er für den Vorgesetzten auch nur die geringste Sympathie empfunden. Dazu waren schon beider Charaktere viel zu verschieden. Der nervöse Kommissar, ehrgeizig und nach oben daher kriecherisch, und der ruhige, beinahe zu ruhige Fischer waren Gegensätze, bei denen auch nicht einmal ein Ausgleich möglich war. Daß sie lange im Guten miteinander ausgekommen waren, wunderte den Beamten selbst. Jedenfalls trug nicht Kern die Schuld daran. Denn seine spöttische Art und Weise hatte schon manchen anderen verletzt.
Jakob Fischer lächelte jetzt vor sich hin. Er wußte ganz genau, warum der Kommissar die Untersuchung mit solcher Hast führte, warum die Mißerfolge ihn ganz krank machten. Der Inspektorposten … das lockte … Ja; und er sollte ihm die Lorbeeren verdienen helfen, und nachher! Kern hatte ein sehr schlechtes Gedächtnis für den Wert seiner Untergebenen.
›Abwarten,‹ dachte der Kriminalbeamte, warf das Mundstück der Zigarette auf das Pflaster und ging davon.
9. Kapitel
»Guten Abend,« sagte Fritz Werner freundlich, als er die Stube betrat. Frau Seiler, die an dem Tisch am Fenster saß und einige Löcher in ihres Sohnes Alltagsjacke ausbesserte, nickte ihm zu.
»Schon zu Hause?« meinte sie erstaunt. »Es ist ja kaum sechs Uhr.«
»Wir haben heute früher aufgehört, es ist ja Montag!« lachte der Arbeiter harmlos vergnügt, hing seine Mütze an den Nagel und stellte seine Blechflasche, in der er sich kalten Kaffee mit zur Arbeitsstelle nahm, auf das Fensterbrett.
»Ach so!« Über Frau Seilers blasses Gesicht huschte eine dunkle Wolke in Erinnerung an ihren verstorbenen Mann, der meist am Montag überhaupt nicht zur Arbeit gegangen war. –
Fritz Werner zog sich einen Stuhl an den Tisch heran und ließ sich schwer darauf fallen, stüzte dann beide Arme auf die Tischplatte und gähnte herzhaft.
»Ich bin müde heute, sehr müde, – hu – ja!« Er lehnte sich zurück und betrachtete die eifrig nähende Frau.
»Na, und Sie, Frau Seiler, was haben Sie so den Tag gemacht?« fragte er, um eine Unterhaltung anzufangen.
»Wie immer, Herr Werner, wie immer,« meinte sie aufseufzend.
Beide schwiegen dann. Fritz Werner schaute zum Fenster auf die Straße hinaus und schien an irgend einen fernen Gegenstand zu denken. Seine nicht gerade saubere Hand fuhr gedankenlos über den dünnen, dunklen Schnurrbart hin. Dann blinzelte er mit den Augen, wie es die Kurzsichtigen zu tun pflegen. Schließlich gähnte er wieder.
Es war nichts dagegen zu sagen. Jakob Fischer spielte seine Rolle als Arbeiter ebenso gut, wie es ihm auch gelungen war, sein Äußeres zu verändern.
Jetzt erhob er sich mit einem Mal, lehnte sich mit einer Hand schwer auf den Tisch und zog den rechten Stiefel aus. Als er ihn sich dann genauer, besonders die Sohle, beschaute, sagte er ärgerlich: »Wieder kaputt, kost’ wieder Geld. Ob man zu dem Schuster da oben geht?« Dabei wies er mit dem Daumen in die Höhe.
»Ja, gewiß, Herr Werner, ich kann’s nur empfehlen. Der Albrecht ist billig und …«
»Na, gut, dann will ich … Hm, haben Sie nicht ein paar Pantoffeln für mich, Frau Seiler? Ich kann doch nicht den Abend mit einem Stiefel herumlaufen!« – Dazu lachte er wieder so behaglich. Die Frau hatte schnell das Gewünschte herbeigebracht.
»Die sind noch von ihm,« meinte sie erklärend. Fritz Werner kehrte sich nicht darum, daß es Sachen eines eben Verstorbenen waren. Dann stieg er langsam die knarrende, ausgetretene Treppe empor. Aber je höher er kam, desto vorsichtiger wurde er. Schließlich stand er vor der Tür zu der Albrechtschen Wohnung. Gehört hatte ihn sicher niemand, denn auf den Pantoffeln war er die letzten Schritte wie ein Raubtier so leise geschlichen.
Er lauschte angestrengt. In der Stube wurde gesprochen. Leider konnte der Lauscher kein Wort verstehen. Nun schaute er sich um. Die Familie Albrecht bewohnte eine sogenannte Giebelstube. Fritz Werner oder besser Jakob Fischer sah auch, daß rechts und links von der Stubentür