Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther KabelЧитать онлайн книгу.
den ich gehört habe. Denn jetzt glaube ich bestimmt, daß es ein Schuß war.«
»Nicht übel, lieber Fischer, – aber, wie Sie selbst sagen, zu viel Kombination dabei, zu wenig Belege! Na, um nun endlich an das letzte zu kommen, – was haben Sie vor, – wie wollen Sie die Sache zu Ende bringen?«
Jetzt griff auch Kern, der bisher nur den aufmerksamen Zuhörer gespielt hatte, in die Unterhaltung ein. Er wollte nicht, daß man ihn als unnötig ganz ausschaltete. Und daher berichtete er nun schnell, wie Fischer heute zu ihm in die Privatwohnung gekommen sei, und wie sie dann bereits auf der Fahrt hierher einen Plan entworfen hätten. Dabei wußte der Kommissar ganz geschickt die Sache so zu drehen, als ob erst auf seine Veranlassung Fischer seine Unternehmungen derart eingerichtet habe. –
Doch Scheller wußte trotzdem, woran er war.
Noch lange saßen die drei Beamten in des Polizeirats Zimmer und sprachen genau alle Einzelheiten der großen Razzia durch, die mit einem starken Polizeiaufgebot noch heute in der Ginsterheide vorgenommen werden sollte, wenn – wenn Heinrich Seiler bis Mittag sich nicht wieder eingefunden hätte.
12. Kapitel
Etwa gegen ein Uhr nachmittags an demselben Tag gingen zwei anscheinend harmlose Spaziergänger in gemächlichem Schritt durch die Ginsterheide auf die Schlucht zu. So wie sie bisweilen stehen blieben und in die Ferne blickten, der eine mit der Hand auf die ferne Kirchturmspitze wies, und beide dann mit frohem Lachen weitergingen, konnte wohl auch der schärfste Beobachter kaum herausmerken, daß die beiden Männer alles weniger als die Liebe zu der im Frühlingskleid prangenden Natur hier herausgeführt hatte.
»Hier, Herr Rat,« erklärte der jüngere der beiden jetzt, »hörte ich den Schuß fallen. Wir sind keine hundert Meter mehr von der Schlucht entfernt.« Jakob Fischer war stehen geblieben und schaute plötzlich angestrengt nach links herüber.
»Sehr geschickt, wirklich!« meinte er wie für sich selbst.
Der Polizeirat Scheller wurde aufmerksam.
»Was haben Sie denn, Fischer?«
»Unsere Truppen sind pünktlich. Da hinten sehe ich jetzt auch zwei Gestalten – und dort, jenseits der Schlucht, kommt auch schon der Herr Kommissar mit dem Kollegen Werner. Wir müssen uns beeilen, sonst –« Der Beamte stutzte plötzlich, und seine Augen fuhren wie suchend über den Boden hin. Auch des Polizeirats Augen wurden schreckhaft groß, als Fischer mit dem Finger auf eine kleine Blutlache am Boden wies.
»Mein Gott,« entfuhr es dem alten Herrn, »sollten Sie mit Ihrer Vermutung doch recht haben und hier – –«
Er vollendete den Satz nicht. Der Beamte war niedergekniet und musterte jetzt aufmerksam die Gräser, kroch einige Schritte weiter und wieder zurück. Dann erhob er sich. Auf seinem Gesicht lag ein feines Lächeln.
»Hier ist nur ein Huhn geschlachtet worden, Herr Rat, nichts weiter. Da die kleinen Federn – in dem Blut kleben auch einige. Wir wollen weitergehen.« Damit schritt er auch schon vorwärts.
Scheller hatte überrascht aufgesehen. Aber als er sich nun neugierig bückte, sah auch er die feinen Federchen. Wieder folgte er dem Beamten langsam. Woher der aber gerade wissen konnte, daß hier ein Huhn, ausgerechnet ein Huhn, sein Ende gefunden hatte, das begrifft er nicht. Und fragen wollte er auch nicht. Ja, so in der Praxis, da war ihnen der Fischer doch allen über.
Nun schritten die beiden wieder Seite an Seite dahin. Immer näher kamen sie der Schlucht. Der Rat konnte eine gewisse Unruhe nicht verbergen.
Schließlich begann er wieder: »Dieser harmlose Blutfleck hat mir die Stimmung verdorben, weiß der Kuckuck! Ich ahne Böses – mir ist so, als ob –« Das weitere brummte er unverständlich vor sich hin.
Fischer nickte nur dazu.
»Ja, Herr Rat, ehrlich gesagt, ich habe auch nicht mehr viel Hoffnung, daß wir den Jungen noch am Leben finden. Daß er bis jetzt nicht heimgekehrt ist, ist leider so gut wie – na, so gut, als ob wir das Unglück schon vor uns hätten.«
Da waren sie auch schon am Rande der Schlucht und blieben stehen. Gerade vor ihnen erhob sich die einsame Kiefer und streckte ihre krummen Äste gen Himmel. Scheller sah sich um. Drüben kletterten jetzt der Kommissar und sein Begleiter den jenseitigen Abhang herab.
»Sollte man glauben, daß es in der Nähe einer großen Stadt eine solche Wildnis gibt,« sagte der Rat leise und musterte neugierig die Umgebung, die in ihrer durch keinerlei Kultur beeinträchtigte Unberührtheit und Einsamkeit wirklich ein sonderbares Bild bot. Aber Jakob Fischer hatte für diese Gespräche eine Zeit. Seine Blicke hingen an dem hier auffällig zertretenen Boden, glitten weiter, kamen zurück. Schließlich lag er wieder auf den Knien und begannen eine sehr sorgfältige Suche nach irgendwelchen frischen Spuren. Eine ganze Weile verstrich so. Indessen schien der Kommissar unten in der Schlucht dasselbe zu tun. Scheller stand dabei und schaute zu.
Fischer hatte nun schon mehrmals im Halbkreis die Stelle an der einsamen Kiefer umgangen. Jetzt näherte er sich dem Baum, streckte sich lang aus, so daß sein Kopf über dem Abhang hing und blickte unverwandt in das Gestrüpp, das zwei Meter unter ihm so üppig wucherte. Er drehte den Kopf hin und her, schob seinen Körper noch weiter vor, bis er plötzlich mit der linken Hand vorsichtig in dem Gras am Fuße der Kiefer umherzutasten begann.
Scheller merkte es den ganzen Gebaren des Beamten an, daß dieser etwas Besonderes entdeckt hatte. Da drehte sich auch schon Fischer ihm zu und winkte mehrmals mit dem Kopf. In seinem Gesicht lag ein seltener Ausdruck von Triumph. Als der Rat sich vorbeugte, um besser hören zu können, flüsterte er beinahe heiser:
»Ich hab’s. Hier am Fuß der Kiefer ist ein Strick befestigt – und da – da unten wird der Eingang zu einer selten raffiniert angelegten Diebeshöhle sein.«
Der Polizeirat hatte sich schnell auf die Knie niedergelassen.
»Wirklich, Fischer?! Dann werden wir die Vögel wohl noch im Nest finden? Soll ich Kern herbeirufen?« –
Scheller war seltsam erregt. In früheren Jahren hatte er sich ja öfter an derartigen Unternehmungen beteiligt, besonders, wenn ihm daran lag, daß seine Anordnungen aufs genaueste befolgt wurden, und es sich um eine Sache handelte, deren Wichtigkeit ein Einsetzen aller Kräfte verlangte. Aber mit der Zeit war der Rat älter und damit bequemer geworden. Außerdem hatte sich auch seit Jahren nichts mehr in X. ereignet, das derart die Gemüter erregte wie gerade jetzt die beiden mit so großer Gewandtheit ausgeführten Einbruchdiebstähle. So war denn Scheller heute Mittag zusammen mit dem Kommissar und den Beamten nach der Vorstadt herausgefahren, wo Fischer sofort berichtete, daß die große Umstellung und Durchsuchung der Ginsterheide vorgenommen werden müsse, da Heinrich Seiler sich bisher nicht eingefunden habe. –
Fischer, der die letzte Frage seines Vorgesetzten überhört zu haben schien, war vorsichtig aufgestanden und winkte Scheller zu, indem er möglichst geräuschlos den Rand der Schlucht verließ. Dann meinte er, nachdem sie einige Meter zurückgetreten waren, nach kurzem Überlegen:
»Herr Polizeirat, ich glaube nun doch, daß ich mit meiner Vermutung, Heinrich Seiler sei hier ermordet worden, unrecht habe. Der um jene Kiefer so sehr zertretene Boden machte mich zuerst stutzig. Ich sah bald, daß die Fußspuren gerade auf den Baum zuführten – das Gras ist ja da beinahe zu einem Pfad zusammengetreten. Daher auch meine Untersuchung des Kiefernstammes. Etwas Ähnliches ahnte ich sofort, – aber daß wir einen Strick zum Hinablassen finden würden, das hat auch mich überrascht. Ja, – und, um’s ehrlich zu sagen, dadurch wird nicht nur unser ganzer Plan umgeändert, sondern – ich fürchte jetzt auch, daß wir – zu spät kommen.«
Fischer hatte wieder flüsternd und mit seltener Hast gesprochen. Dabei ließ er fortwährend seine Augen im Kreis umherwandern, als ob er irgendeine Überraschung fürchtete.
Scheller blickte den vor ihm Stehenden scharf an.
»Zu